Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 3. Senats vom 30.11.2017 - B 3 P 5/16 R -, Urteil des 3. Senats vom 30.11.2017 - B 3 KR 3/16 R -, Urteil des 3. Senats vom 30.11.2017 - B 3 KR 11/16 R -
Kassel, den 23. November 2017
Terminvorschau Nr. 55/17
Der 3. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 30. November 2017 im Jacob-Grimm-Saal über drei Revisionen aus den Bereichen des Leistungsrechts und des nichtärztlichen Leistungserbringungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie aus der sozialen Pflegeversicherung nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden.
1) 9.30 Uhr - B 3 KR 3/16 R -
S. Reha-Technik GmbH ./. GKV-Spitzenverband
Die klagende GmbH stellt ua das "Speedy Duo 2" her, ein Handbike,
das als Einhängefahrrad vor den Rollstuhl gespannt und vom
Rollstuhlfahrer mit einer Handkurbel manuell angetrieben wird. Ein
Elektromotor, der in der einen Ausführung Geschwindigkeiten von 10 km/h,
in der anderen von 14 km/h unterstützt, kann zugeschaltet werden. Die
Klägerin begehrt von dem beklagten Spitzenverband Bund der Krankenkassen
die Aufnahme des "Speedy Duo 2" in beiden Ausführungen in das
Hilfsmittelverzeichnis (HMV). Die Rechtsvorgänger des Beklagten lehnten
dies ab, weil Radfahren für Erwachsene nicht zu den Grundbedürfnissen
des täglichen Lebens gehöre und die Klägerin nicht nachgewiesen habe,
dass das "Speedy Duo 2" für Kinder bestimmt und geeignet sei. Vor dem SG
war die Klägerin mit ihrem Begehren erfolgreich, da eine
Fahrrad-Rollstuhl-Kombination, die eine über den Nahbereich
hinausgehende Mobilität ermögliche, als Alternative zum Elektrorollstuhl
in Betracht komme, wenn die Bewegungsfreiheit mit einem
Greifreifenrollstuhl nicht hinreichend sichergestellt sei. Das
Berufungsgericht hat dieses Urteil geändert und die Klage mit der
Begründung abgewiesen, mit dem Charakter und der Funktion des HMV als
Auslegungs- und Orientierungshilfe sei es nicht zu vereinbaren, das
"Speedy Duo 2", das in generalisierter Betrachtungsweise die
Leistungspflicht der GKV überschreite, im HMV aufzuführen. Denn dies
vermittele den Eindruck, es handele sich um ein Hilfsmittel, das
regelmäßig von der Leistungspflicht der GKV umfasst sei.
Mit
der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 139 Abs 1 S 2 iVm
Abs 4 SGB V. Das speziell für die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern
konzipierte "Speedy Duo 2" sei geeignet, einem auf die Nutzung eines
Rollstuhls angewiesenen Versicherten den sog Nahbereich zu erschließen
und diene damit der Befriedigung von Grundbedürfnissen.
SG
Detmold
- S 3 KR 89/07 -
LSG Nordrhein-Westfalen
- L 1 KR 61/11 -
2) 10.30 Uhr
- B 3 P 5/16 R - M. ./.
Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg
Die Klägerin ist Witwe
des 1962 geborenen, während des Berufungsverfahrens Ende Februar 2016
verstorbenen Versicherten L. M., mit dem sie in einem gemeinsamen
Haushalt lebte. Der Versicherte, der an amyotropher Lateralsklerose
litt, war seit 2001 ununterbrochen bei der G.-Versicherung privat
kranken- und pflegeversichert. Er kündigte diese Versicherung unter
Hinweis darauf, dass seit 1.1.2013 bei der beklagten Pflegekasse eine
Familienversicherung über die Klägerin bestehe. Nachdem die G. das Ende
der privaten Pflegeversicherung (PV) zum 30.4.2013 bestätigt hatte,
führte die Beklagte die PV ab 1.5.2013 durch und gewährte dem
Versicherten schließlich vom 1.5.2015 an Leistungen der Pflegestufe III
bis zu seinem Tod.
Zu einem bereits im Mai 2013 an die Beklagte
gerichteten Antrag des Versicherten auf Gewährung von Pflegeleistungen
teilte ihm diese im Juni 2003 mit, er verfüge noch nicht über
Vorversicherungszeiten von insgesamt zwei Jahren innerhalb der letzten
zehn Jahre; er könne daher - so ihre Auffassung zuletzt - frühestens ab
1.5.2015 Leistungen aus der sozialen PV erhalten. Der Widerspruch, der
sich darauf stützte, die bei der G. zurückgelegte Versicherungszeit
gemäß § 33 Abs 3 SGB XI auf die Vorversicherungszeit in der sozialen PV
anzurechnen, blieb erfolglos.
Das SG hat der auf "Leistungen der
PV ab 1.5.2013" gerichteten Klage stattgegeben und die Beklagte unter
Aufhebung ihrer Bescheide zur Leistungsgewährung verurteilt; die private
PV des Versicherten bei der G. müsse nämlich bei der Ermittlung der
Vorversicherungszeit nach § 33 Abs 3 iVm § 27 SGB XI mit berücksichtigt
werden. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG den Gerichtsbescheid
des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen: Die Voraussetzungen für eine
Anrechnung der in der privaten PV zurückgelegten Versicherungszeit auf
die Vorversicherungszeit in der sozialen PV hätten bei dem Versicherten
nicht vorgelegen. Er sei aus der privaten PV nicht - wie nach § 33 Abs 3
SGB XI erforderlich - ausgeschieden "wegen des Eintritts von
Versicherungspflicht" in der sozialen PV, sondern habe seine
Mitgliedschaft selbst gekündigt und so den Eintritt der
Familienversicherung bei der Beklagten herbeigeführt. Das Gesetz sei
bewusst restriktiv gefasst. Bei Eingreifen einer Familienversicherung
fehle es an anzugleichenden Nachteilen; denn der Versicherte könne dann
wählen zwischen einer beitragsfreien Familienversicherung mit
zweijähriger Wartezeit ohne Leistungsanspruch oder dem Status als
Versicherungspflichtiger, der allerdings grundsätzlich sogleich zur
Beitragspflicht führe.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin als
Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten die Verletzung des § 33 Abs 3
SGB XI. Da der bei Eintritt in die soziale PV bereits schwer
pflegebedürftige Versicherte kein Einkommen mehr habe erzielen können,
habe er den Versicherungsschutz in der privaten PV unfreiwillig nicht
mehr aufrecht erhalten können.
SG Heilbronn
- S 8 P 101/15 -
LSG Baden-Württemberg
- L 4 P 949/16 -
3) 11.30 Uhr - B
3 KR 11/16 R - E. ./. AOK
Rheinland-Pfalz/Saarland - Die Gesundheitskasse
Die Klägerin
ist die Tochter, Betreuerin und Rechtsnachfolgerin des am 6.10.2012
verstorbenen und bei der beklagten Krankenkasse Versicherten. Dieser
wurde wegen eines akuten Hinterwandinfarkts mit nachfolgendem
Hirnschaden und apallischem Syndrom stationär behandelt und anschließend
vom 4.9.2012 bis zum Tag seines Ablebens aufgrund ärztlicher Verordnung
rund um die Uhr ("24 h-Intensiv/Krankenpflege") von einem ambulanten
Pflegedienst versorgt. Die Klägerin hatte dazu für ihn eines von zwei
Zimmern eines Appartements in einer Seniorenresidenz angemietet; im
anderen Zimmer wurde ein weiterer intensivpflegebedürftiger Patient
versorgt. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung häuslicher
Krankenpflege ab, weil kein eigenständiger Haushalt des Versicherten
vorliege. Der ambulante Pflegedienst rechnete Vergütungen für seit
4.9.2012 erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Höhe von
insgesamt 20 910,59 Euro ab.
Das SG hat die auf Freistellung
von den Kosten der häuslichen Krankenpflege gerichtete Klage abgewiesen.
Der Versicherte sei nicht an einem "geeigneten Ort" iS von § 37 Abs 2
SGB V gepflegt worden. Er habe im sog Service-Wohnen gelebt, das mit der
Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung vergleichbar sei.
Es sei damit letztlich nur ein "künstlicher Haushalt" geschaffen worden,
um die behördliche Aufsicht über vollstationäre Pflegeeinrichtungen zu
umgehen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das
SG-Urteil und den Bescheid der Beklagten aufgehoben sowie die Beklagte
antragsgemäß zur Kostenfreistellung verurteilt. Der
Sachleistungsanspruch des Versicherten setze nach § 37 Abs 2 S 1 SGB V
iVm der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung
häuslicher Krankenpflege in der vertragsärztlichen Versorgung (HKP-RL)
kein Mindestmaß an eigenem Haushalt voraus. Das Zimmer in der
Seniorenresidenz sei ein geeigneter Ort und kein "verdecktes Pflegeheim"
gewesen. Das Service-Wohnen widerspreche nicht dem maßgeblichen
Landesrecht über Wohnformen und Teilhabe.
Mit ihrer Revision
rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 37 Abs 2 S 1
SGB V iVm § 1 Abs 2 HKP-RL; Grundsätze der Vertragsauslegung, §§ 133,
157, 242 BGB) und der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Das LSG habe
die bestehende gesellschaftsrechtliche Verflechtung und strukturelle
Abhängigkeit zwischen der Vermieterin der Wohnung und dem ambulanten
Pflegedienst sowie die geschaffene unzulässige Umgehungskonstruktion
(= stationäre Pflegeeinrichtung ohne Zulassung; künstliche Aufspaltung
von Vermietung und Pflege) außer Acht gelassen und die örtlichen
Gegebenheiten nicht hinreichend aufgeklärt. Darüber hinaus sei ein
Vergütungsanspruch bereits seit 1.1.2016 verjährt.
SG Koblenz
- S 5 KR 11/13 -
LSG Rheinland-Pfalz
- L 5 KR 5/15 -
4) - B 3 KR 2/16 R
-
Kaufmännische Krankenkasse ./. 1. R. GmbH i.L., 2. D.
In
dieser das Leistungserbringungsrecht betreffenden Sache, die die
Rückzahlung von Vergütung und Schadensersatzansprüche bei der Versorgung
mit Kompressionsstrümpfen zum Gegenstand hatte, hat der Senat im Vorfeld
des Verhandlungstermins rechtliche Hinweise gegeben. Daraufhin hat die
Klägerin ihre Revision gegen den Beklagten zu 2. zurückgenommen, im
Übrigen haben die Beteiligten übereinstimmend die Erledigung in der
Hauptsache erklärt. Der Termin ist deshalb aufgehoben worden. Der Senat
wird über die Kosten des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch
Beschluss entscheiden.
SG Nürnberg
- S 11 KR 465/04 -
Bayerisches LSG
- L 5 KR 383/11 -