Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 6. Senats vom 21.3.2018 - B 6 KA 59/17 R -, Urteil des 6. Senats vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R -, Urteil des 6. Senats vom 21.3.2018 - B 6 KA 44/16 R -, Urteil des 6. Senats vom 21.3.2018 - B 6 KA 47/16 R -, Urteil des 6. Senats vom 21.3.2018 - B 6 KA 46/16 R -, Urteil des 6. Senats vom 21.3.2018 - B 6 KA 31/17 R -
Kassel, den 23. März 2018
Terminbericht Nr. 12/18
(zur Terminvorschau Nr. 12/18)
Der 6. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 21. März 2018.
1) Die Revision der Beklagten ist ohne Erfolg
geblieben. Das Berufungsurteil erweist sich im Ergebnis als richtig.
Zwar lagen die Voraussetzungen für eine sachlich-rechnerische
Richtigstellung der Abrechnung des Klägers in den 10 streitbefangenen
Quartalen vor, weil er gegen das auch für ermächtigte Ärzte geltende
Gebot der persönlichen Leistungserbringung verstoßen hat. Entgegen der
Auffassung des SG und des LSG reicht für die persönliche
Leistungserbringung nicht aus, dass der Pathologe die von anderen Ärzten
durchgeführten Befundungen kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert.
Er muss vielmehr die Beurteilung des Präparates und die ärztliche
Befundung selbst vornehmen. Bei Erlass des Berichtigungsbescheides war
jedoch die Ausschlussfrist von 4 Jahren ab dem Zugang des
Honorarbescheides bereits abgelaufen. Der Ablauf der Frist war auch
nicht gehemmt. Eine entsprechende Anwendung von § 203 BGB kommt im
Rahmen von Honorarberichtigungen nicht in Betracht. Auch eine Korrektur
nach § 45 SGB X scheidet aus. Zum einen ist auch die Jahresfrist nach §
45 Abs 4 S 2 SGB X nicht beachtet worden, zum anderen ist angesichts der
Billigung der Vorgehensweise des Klägers durch das SG und das LSG eine
grobe Fahrlässigkeit des Klägers zu verneinen.
SG Mainz
- S 8 KA 101/13 -
LSG Rheinland-Pfalz
- L 5 KA 23/15 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 47/16 R -
2) Die Revision
der klagenden BAG hat im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an
das LSG Erfolg gehabt.
Zu Recht hat das LSG die Zuständigkeit
der Prüfinstanzen zum Erlass des angefochtenen Regressbescheides nicht
in Zweifel gezogen. Soweit Vertragsärzte Versicherte der Krankenkassen
impfen, geschieht das auf der Grundlage von Verträgen zwischen der KÄV
und den Krankenkassen oder deren Verbänden. In diesen Verträgen kann -
wie hier im Bezirk der beigeladenen KÄV Schleswig-Holstein geschehen -
auch die Zuständigkeit der Prüfgremien der vertragsärztlichen Versorgung
zur Prüfung der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei der
Impftätigkeit bestimmt werden. Dass der Sicherstellungsauftrag für das
Impfen zu keinem Zeitpunkt bei der KÄV lag und seit dem 1.4.2007
gesetzlich den KKn zugewiesen ist, hat für die Durchführung von
Impfungen durch Vertragsärzte im Rahmen der zwischen den Partnern der
vertragsärztlichen Versorgung abgeschlossenen Verträge keine Bedeutung.
Der Senat vermag aber nicht abschließend zu beurteilen, ob die
klagende BAG bei der Nachbestellung der 300 Impfdosen im Oktober 2006
unwirtschaftlich gehandelt hat. Das ist nur der Fall, wenn die Klägerin
nach Verbrauch der zunächst bestellten Impfdosen auf eine Nachbestellung
ganz oder zumindest in Höhe der regressierten 200 Ampullen hätte
verzichten müssen oder wenn sie berechtigt gewesen wäre, trotz der
zunächst vorgenommene Bestellung von der förmlichen Verordnung dieser
Dosen am 27.12.2006 abzusehen, weil der Impfstoff erst verspätet
ausgeliefert wurde. Erst diese Verordnung hat die Kostenbelastung der
KKn ausgelöst.
Dazu wird das LSG die erforderlichen
Feststellungen zu treffen haben. Mit der Erwägung des LSG, die Klägerin
hätte auf die - unterstellt hinreichend sicher in der Praxis
dokumentierten - Impfwünsche der Versicherten im Spätherbst 2006 allein
mit einer Beratung zum medizinischen (Un)sinn einer Grippeimpfung aus
Angst vor der Infektion mit der Vogelgrippe reagieren sollen, kann die
Klage nicht abgewiesen werden. Selbst wenn der - unterstellt: gegenüber
dem Vorjahr stark gestiegene - Wunsch der Versicherten nach einer
Grippeimpfung durch die öffentliche Debatte um die Vogelgrippe
entstanden sein mag, war er doch auf ein gewünschtes Verhalten, nämlich
eine Erhöhung der Inanspruchnahme der Grippeschutzimpfung gerichtet.
SG Kiel
- S 16 KA 387/11 -
LSG Schleswig-Holstein
- L 4 KA 81/14 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 31/17 R -
3) Die Revision
des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das SG hat die Klage im
Ergebnis zu Recht abgewiesen. Da es von vornherein ausgeschlossen ist,
dass der Kläger als Übernahmeinteressent die begehrte Zusicherung
verlangen kann, ist die Klage nur als kombinierte Anfechtungs- und
Feststellungsklage zulässig. Der Kläger hat nur mit der ausdrücklichen
Unterstützung seines Klagebegehrens durch die vom Senat beigeladene
Betreiber-GmbH ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die
Gesundheitseinrichtung infolge des geplanten Trägerwechsels nicht ihre
Zulassung verliert. Der Fortbestand einer Berechtigung zur Teilnahme an
der vertragsärztlichen Versorgung kann nicht gegen den Willen des
(Trägers des) zugelassenen Leistungserbringers geklärt werden.
Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet. Übernimmt der klagende
gemeinnützige Verband die Betreiber-GmbH von der zu 8. beigeladenen
Kommune, verliert die Gesundheitseinrichtung die Berechtigung, weiterhin
an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. § 311 Abs 2 Satz 1
SGB V ermöglicht dem jeweiligen kommunalen, gemeinnützigen oder
staatlichen Träger, trotz des Vorrangs der Sicherung der
vertragsärztlichen Versorgung durch niedergelassene Ärzte und MVZ eine
bestehende Gesundheitseinrichtung weiter zu betreiben. Dieser
Bestandsschutz kommt der Einrichtung nur in der Ausrichtung zu, in der
sie am Stichtag des 31.12.2003 bestanden hat. Eine Wechselmöglichkeit
zwischen den Gruppen der kommunalen, gemeinnützigen und staatlichen
Träger ist in § 311 Abs. 2 Satz 1 SGB V aufgrund ihres Charakters als
Bestandsschutznorm nicht angelegt. In Anwendung dieser Maßstäbe ist die
Gesundheitseinrichtung hier nur als "kommunale" Einrichtung geschützt;
verliert sie diese Eigenschaft, verliert sie kraft Gesetzes auch ihre
Zulassung.
SG Potsdam
- S 1 KA 19/15 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 46/16 R -
4) Die Revision
der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Soweit die Klägerin die
Feststellung begehrt hat, dass der im Jahr 2012 von der Schiedsperson
für Bayern festgesetzte Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung
(HzV-Vertrag) gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität verstoßen
habe, ist die Klage bereits unzulässig, weil das erforderliche
Feststellungsinteresse fehlt: Der streitbefangene Vertrag ist bereits
vollständig umgesetzt und inzwischen durch einen Folgevertrag (vgl.
nachfolgend 5.) abgelöst worden. Da der Grundsatz der
Beitragssatzstabilität für den Bereich der hausarztzentrierten
Versorgung schon seit dem 1.4.2014 nicht mehr gilt, besteht insoweit
auch keine Wiederholungsgefahr. Schadensersatzansprüche der Klägerin
gegen den beklagten Hausarztverband oder gegen teilnehmende
Vertragsärzte, die mit einer Verletzung des Grundsatzes der
Beitragssatzstabilität begründet werden könnten, kommen nicht in
Betracht. Effektiven Rechtsschutz mit der Möglichkeit, auch Verstöße
gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität geltend zu machen, hätte
die Klägerin im gerichtlichen Eilverfahren erlangen können; davon hat
sie keinen Gebrauch gemacht.
Soweit die Klägerin die
Rechtswidrigkeit des HzV-Vertrags in einer Reihe weiterer Punkte geltend
gemacht hat, war die Klage zwar zulässig, aber nicht begründet. Ihren
weiten Gestaltungsspielraum hat die Schiedsperson bei der Ausgestaltung
des Vertrags nicht verletzt. Der Umstand, dass der HzV-Vertrag - in der
Regelversorgung nicht oder nicht in vergleichbarer Höhe vorgesehene -
Vergütungspositionen etwa für die Arzneimitteloptimierung der
Versicherten oder für die Behandlung chronisch Kranker enthält,
begründet keinen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Die
Einschätzung der Schiedsperson, dass damit ein besonderer
Behandlungsaufwand im Rahmen der HzV abgegolten werde und dass auf eine
zielgenauere und damit potenziell günstigere Verordnung von
Arzneimitteln hingewirkt werde, ist jedenfalls nicht ganz fernliegend.
Auch die von der Klägerin geltend gemachten Verstöße ua gegen das
Gebot der Selbsttragung des Wahltarifs und gegen datenschutzrechtliche
Vorgaben liegen nicht vor. Des Weiteren bestand keine Verpflichtung der
Schiedsperson, Kinder und Jugendliche von der Teilnahme am HzV-Vertrag
auszuschließen. Zwar hat die Klägerin für Bayern einen "Vertrag zur
Durchführung der pädiatrie-zentrierten Versorgung" durch Kinderärzte
geschlossen. Kinder und Jugendliche werden aber nicht nur von
Kinderärzten, sondern auch von Hausärzten behandelt, und gerade im
ländlichen Raum besteht dafür auch ein praktisches Bedürfnis.
SG
München
- S 28 KA 696/12 -
Bayerisches LSG
- L 12 KA 149/14 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 44/16 R -
5) Die Revision
der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zutreffend
entschieden, dass der an die Klägerin gerichtete aufsichtsrechtliche
Verpflichtungsbescheid rechtmäßig ist.
Einer Beiladung des
Bayerischen Hausärzteverbands zu dem Verfahren bedurfte es nicht. Auch
wenn die Entscheidung im Aufsichtsrechtsstreit Auswirkungen für den
Vertragspartner der Klägerin haben kann, liegt doch kein Fall einer
notwendig einheitlichen Entscheidung (§ 75 Abs 2 SGG) vor. Dass das LSG
die - naheliegende - einfache Beiladung des Hausärzteverbands
unterlassen hat, führt nicht zu einem im Revisionsverfahren beachtlichen
Verfahrensmangel. Die von der Klägerin geltend gemachten
Verfahrensfehler - lückenhafter Tatbestand sowie unzureichende
Entscheidungsgründe - sind nicht ordnungsgemäß gerügt bzw liegen in der
Sache nicht vor. Die Klage ist als Anfechtungsklage in der besonderen
Ausprägung einer Aufsichtsklage (§ 54 Abs 3 SGG) zulässig. Eine
Erledigung der Aufsichtsanordnung ist allein dadurch, dass die Beklagte
sie zwischenzeitlich weitgehend befolgt, nicht eingetreten, zumal der
zugrunde liegende HzV-Vertrag noch bis Ende 2018 und gegebenenfalls
darüber hinaus Anwendung finden soll.
In der Sache ist die
Aufsichtsmaßnahme nicht zu beanstanden. Das Gesundheitsministerium des
Beklagten hat den Vorrang einer Beratung vor Erlass eines
Verpflichtungsbescheids beachtet. Es ist in nicht zu beanstandender
Weise davon ausgegangen, dass spätestens nach einem Beschluss des
Verwaltungsrats der Klägerin vom Mai 2015 feststand, dass die Klägerin
nicht in kooperativem Zusammenwirken zur Umsetzung des von der
Schiedsperson festgesetzten HzV-Vertrags veranlasst werden kann. Im
Urteil vom 25.3.2015 (B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b
Nr 1) hatte der Senat aber bereits entschieden, dass ein durch die
Schiedsperson festgesetzter HzV-Vertrag umzusetzen ist, auch wenn noch
nicht rechtskräftig feststeht, dass der Vertragsinhalt mit dem Gesetz in
Einklang steht. Diese Rechtspflicht hat die Klägerin verletzt. Zwar
spricht im Spannungsverhältnis zwischen Aufsichtsmaßnahmen und
gerichtlichem Rechtsschutz viel dafür, dass die Aufsichtsbehörde nicht
mehr zur Umsetzung eines HzV-Vertrags verpflichten darf, sofern ein
Gericht im Rechtsstreit zwischen der Klägerin und dem Hausärzteverband
bereits entschieden hat, dass der Vertrag wegen rechtlicher Mängel
einstweilen nicht ausgeführt werden muss; das gilt auch dann, wenn die
Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Hier war aber eine solche
Entscheidung bei Erlass des Bescheids im Mai 2015 noch nicht ergangen.
Nach den Gesamtumständen, nicht zuletzt auch wegen der ungewissen Dauer
eines gerichtlichen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes, war das
Ministerium unter dem Gesichtspunkt einer maßvollen Ausübung der
Rechtsaufsicht nicht verpflichtet, zumindest den erstinstanzlichen
Abschluss eines solchen Verfahrens abzuwarten. Ausreichend war, dass es
ausdrücklich erklärt hat, bis zum Abschluss des gerichtlichen
Eilverfahrens die Aufsichtsanordnung nicht zu vollstrecken. Eine
Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes oder der Unabhängigkeit der
Gerichte lag unter diesen Umständen nicht vor.
Der
Verpflichtungsbescheid war zudem hinreichend bestimmt und überschritt
nicht die Grenzen der Rechtsaufsicht. Auch Ermessensfehler sind nicht
ersichtlich. Das Ministerium durfte sich bei Ausübung der Aufsicht auf
die Stellungnahme der Schiedsperson zur Auslegung des Vertrags stützen.
Die korrekte Ausübung des Ermessens durch das Ministerium wird auch
nicht dadurch in Frage gestellt, dass diese Behörde mit dem Erlass des
Verpflichtungsbescheids einer nachdrücklich artikulierten Forderung des
Hausärzteverbands entsprochen hat. Allein dies macht eine
Aufsichtsanordnung zur Beseitigung einer festgestellten Rechtsverletzung
nicht fehlerhaft.
Bayerisches LSG
- L 5 KR 244/15 KL -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 59/17 R -