Medieninformation Nr. 26/14
Bundespräsident Gauck besuchte Bundessozialgericht
Anlässlich der Jubiläumsveranstaltung zum
60jährigen Bestehen des Bundessozialgerichts konnte der Präsident des
Bundessozialgerichts Peter Masuch den
Bundespräsidenten Joachim Gauck sowie zahlreiche Gäste aus der
Justiz, der Politik, der mit der Sozialgerichtsbarkeit verbundenen
Sozialleistungsträger, Behörden und Verbände sowie der Anwaltschaft
begrüßen. Mit dem diesjährigen Jubiläum solle der Blick geweitet und das
spezifisch deutsche Arrangement des "sozialen Rechtsstaats" betrachtet
werden, der mit einer eigenständigen Sozialgerichtsbarkeit und einem
unabhängigen obersten Bundesgericht verbunden sei. Der Sozialstaat könne
das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nur gewinnen, wenn er über das
bloße Versprechen hinaus, für Wohlfahrt zu sorgen, die individuellen
Ansprüche auch gewährleiste. In der Denkschrift "60 Jahre
Bundessozialgericht" werde insofern von den "eineiigen Zwillingen"
Sozialstaat und Bundessozialgericht gesprochen. Er halte es für ein
Gebot der Stunde, der Förderung der Forschung über den sozialen
Rechtsstaat mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Eva
Kühne-Hörmann, Hessische Ministerin der Justiz, betonte in
ihrem Grußwort, dass das Bundessozialgericht in Kassel mit seinen
Entscheidungen in der Vergangenheit erheblich zur Stärkung des
Vertrauens der Bevölkerung in das Recht und damit zum inneren
Zusammenhalt des Staates und der Gesellschaft beigetragen habe.
Kassels Oberbürgermeister Bertram Hilgen erinnerte
daran, dass das Bundessozialgericht ‑ weil die Räumlichkeiten am
Graf-Bernadotte-Platz noch nicht zur Verfügung standen ‑ am
11. September 1954 mit einem Festakt im Stadtverordnetensaal des
Rathauses offiziell eröffnet wurde. Kassel habe sich seither zum Zentrum
der Sozialgerichtsbarkeit in Deutschland entwickelt. Oberbürgermeister
Hilgen: "Das Bundessozialgericht hat mit seinen grundlegenden
Entscheidungen zur Orientierung und Klarheit und damit zur
Weiterentwicklung des Sozialrechts beigetragen und den Wandel unserer
Gesellschaft begleitet - und mit jeder Entscheidung von Tragweite auch
den Namen der Stadt Kassel als Sitz dieses obersten Gerichtshofes
mittransportiert."
In seinem Festvortrag
betonte Bundespräsident Gauck, das Versprechen der
Solidarität, wie es in der institutionalisierten Antwort in Form der
historisch gewachsenen Sozialversicherungen ‑ gegen die Wechselfälle des
Lebens wie Alter, Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit ‑ zum Ausdruck
komme, habe eine hohe Bedeutung für das politische Selbstverständnis der
Bundesrepublik. Aus dem im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsprinzip
als Gestaltungsauftrag lasse sich soziale Fürsorge, die Schaffung
sozialer Sicherungssysteme und die Herstellung von Chancengleichheit
ableiten, weil "sozial" im Grundgesetz nicht als eine Tugend verstanden
werde, als Barmherzigkeit oder Kann-Bestimmung, sondern verbindlich im
Normenkatalog Platz gefunden habe. In der Weiterentwicklung des
freiheitlichen Sozialstaats müsse die Balance von Fördern und Fordern,
die Verbindung von aktivierendem und vorsorgendem Staat, die Abfederung
sozialer Härten, aber auch die Ermächtigung zu einem Leben aus eigener
Kraft gelingen. Gerade im Lichte des Tempos und der Komplexität der
Rechtsänderungen im Sozialrecht, das längst nicht mehr nur national
gestaltet werde, sowie den von der Sozialgerichtsbarkeit seit 2005 mit
den neuen fallzahlreichen Gebieten SGB II und SGB XII, umgangssprachlich
auch als Hartz-IV-Gesetze bekannt, bewältigten Zuwächsen habe sich die
Sozialgerichtsbarkeit als konstitutiver und hoch spezialisierter Teil
des Sozialstaats und als eigenständige Gerichtsbarkeit bewährt. Der
Bundespräsident sprach seine große Anerkennung für die von den
Richterinnen und Richtern am Bundessozialgericht und ihren Kolleginnen
und Kollegen der Vorinstanzen geleistete Arbeit aus.
Im
Anschluss an den Festvortrag überreichten die Herausgeber Präsident des
Bundessozialgerichts Peter Masuch, Prof. Dr.
Wolfgang Spellbrink, Richter am Bundessozialgericht,
Prof. Dr. Ulrich Becker, Max-Planck-Institut für Sozialrecht
und Sozialpolitik und Prof. Dr. Stephan Leibfried,
Universität Bremen, dem Bundespräsidenten Joachim Gauck die Denkschrift
zum 60jährigen Jubiläum des Bundessozialgerichts.
Die
Veranstaltung wurde mit Abschlussworten der Parlamentarischen
Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales
Gabriele Lösekrug-Möller beendet. Sie betonte dabei,
dass das Bundessozialgericht der Politik seit 60 Jahren wichtige Impulse
und Denkanstöße gebe und damit dazu beitrage, auf Veränderungen im
Arbeitsleben, im sozialen Miteinander, in Wirtschaft und Gesellschaft
punktgenau zu reagieren. Dafür sprach sie den hauptamtlichen und
ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern Dank und Anerkennung aus.