Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 3. Senats vom 25.2.2015 - B 3 P 6/13 R -, Urteil des 3. Senats vom 25.2.2015 - B 3 KR 13/13 R -, Urteil des 3. Senats vom 25.2.2015 - B 3 KS 5/13 R -, Urteil des 3. Senats vom 25.2.2015 - B 3 KR 11/14 R -, Urteil des 3. Senats vom 25.2.2015 - B 3 KR 10/14 R -
Kassel, den 25. Februar 2015
Terminbericht Nr. 6/15
(zur Terminvorschau Nr. 6/15)
Der 3. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 25. Februar 2015.
1) Die Revision des Klägers war erfolglos. Zu
Recht hat es die beklagte Krankenkasse abgelehnt, die Kosten für den
Erwerb des schwenkbaren Autositzes zu erstatten. Die verstorbene Ehefrau
hatte keinen Anspruch auf Versorgung mit einem entsprechenden
Hilfsmittel (§ 33 Abs 1 SGB V). Die Krankenkassen sind grundsätzlich
nicht dafür zuständig, Mobilitätsbedürfnisse eines behinderten Menschen
zu befriedigen, die über das Grundbedürfnis auf Mobilität in der Wohnung
und deren Nahbereich hinausgehen und vor allem der sozialen
Kontaktpflege dienen. Soweit der Autoschwenksitz der Ermöglichung von
Fahrten zu Ärzten und Therapeuten dienen sollte, muss sich die
Versicherte auf die wirtschaftlichere Möglichkeit des Krankentransports
(§ 60 SGB V) verweisen lassen. Auch die beigeladene Pflegekasse war
nicht leistungspflichtig. Die Transporte eines Pflegebedürftigen in die
Tagespflege sind durch den Gesetzgeber der teilstationären Pflege
zugeordnet (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI); dafür ist die Pflegeeinrichtung
bzw deren Fahrdienst zuständig. Ob die Versicherte lieber von ihrem
Ehemann ‑ dem Kläger ‑ als von den Mitarbeitern des Fahrdienstes
transportiert worden wäre, ist unerheblich. Leistungen nach § 40 SGB XI
zur ambulanten Pflege müssen nicht deshalb gewährt werden, weil der
Betroffene die vorhandenen, gesetzlich vorgesehenen Angebote im Rahmen
der von ihm in Anspruch genommenen teilstationären Pflege nicht nutzen
will. Wenn dabei Eigenbeteiligungen anfallen, beruht das darauf, dass
die Leistungen der Pflegeversicherung nicht den vollständigen Bedarf
decken, sondern der Höhe nach begrenzt sind. Dieser Umstand kann aber
keinen Anspruch auf ein Pflegehilfsmittel zu Transportzwecken auslösen,
für die gesetzlich ausdrücklich bereits ein Anspruch gegen die
Pflegeeinrichtung statuiert wurde. Auch aus den Vorschriften des SGB XII
über die Eingliederungshilfe, die die Beklagte im Rahmen des § 14 Abs 2
SGB IX zu berücksichtigen hatte, ergab sich kein Anspruch.
SG Münster ‑ S 9 KR 101/08 ‑
LSG
Nordrhein Westfalen ‑ L 16 KR 267/12 ‑
Bundessozialgericht ‑ B 3 KR 13/13 R ‑
2) Die Revision
der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Ein Anspruch auf Fortzahlung des
Pflegegeldes für einen sechs Wochen übersteigenden Aufenthalt in der
Türkei ergibt sich weder aus innerstaatlichem Recht noch aus Unions-
oder zwischenstaatlichem Recht.
Nach innerstaatlichem Recht ruht der Anspruch auf Pflegegeld, wenn sich
ein Versicherter länger als sechs Wochen im Ausland ‑ mit Ausnahme des
Gebietes der EU, der EWR oder der Schweiz ‑ aufhält. Die Klägerin kann
sich nicht darauf berufen, dass diesem Ruhen unionsrechtliche
Vorschriften entgegenstünden. Auf die Bestimmungen der Art 18 Abs 1 und
45 Abs 2 AEUV sowie auf die EU-Verordnung über die
Arbeitnehmerfreizügigkeit - VO (EG) Nr 883/2004 - kann sich die Klägerin
nicht berufen, weil sie nicht Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates
der EU ist, und bei einem Aufenthalt in der Türkei die Freizügigkeit
innerhalb der EU von vornherein nicht tangiert ist.
Drittstaatsangehörige können sich auf diese VO nur berufen, wenn sie
sich in einer Lage befinden, die Verbindungen zu mehr als einem
Mitgliedstaat aufweist. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da
die Klägerin ausschließlich Verbindungen zu einem einzigen Mitgliedstaat
hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem zwischen der EU und
der Republik Türkei geschlossenen Assoziierungsabkommen. Zwar können
nach Art 6 Abs 1 des auf dieser Grundlage ergangenen Beschlusses Nr 3/80
des Assoziationsrates bestimmte Sozialleistungen in die Türkei
exportiert werden, zu diesen zählt das Pflegegeld indes nicht.
Schließlich ermöglicht auch das 1964 geschlossene Deutsch-Türkische
Sozialversicherungsabkommen keinen Export des Pflegegeldes in die
Türkei. Leistungen der Pflegeversicherung sind nicht Gegenstand dieses
Abkommen. Eine dynamische Auslegung dahingehend, dass die in Art 2 des
Abkommens ausdrücklich aufgeführten "Rechtsvorschriften über die
Krankenversicherung" auch die Vorschriften über die Pflegeversicherung
erfassten, ist nicht möglich. Der damit bestehende Ausschluss des
Leistungsexport des Pflegegeldes in die Türkei verstößt nicht gegen
Art 14 Abs 1 GG.
SG
Augsburg - S 10 P 39/11 -
Bayerisches LSG - L 2 P 4/12 -
Bundessozialgericht - B 3 P 6/13 R -
3) Die Revision
der beklagten Krankenkasse hat Erfolg. Sie musste die Kosten der
häuslichen Krankenpflege während des Aufenthaltes des Versicherten in
der Einrichtung der Beigeladenen nicht übernehmen, sodass dem klagenden
Sozialhilfeträger kein Erstattungsanspruch zusteht.
Allerdings stimmt der Senat den vorinstanzlichen Gerichten dahin zu,
dass eine Einrichtung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII - wie
hier das von der Beigeladenen betriebene Heim für wohnungslose Männer -
ein "sonst geeigneter Ort" im Sinne des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V sein
kann, wenn die Einrichtung nicht selbst verpflichtet ist, die konkrete
Maßnahme zur medizinischen Behandlungspflege zu erbringen.
Nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V iVm den Regelungen HKP-Richtlinie besteht
der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten, an denen sich der
Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die Leistung aus
medizinisch pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort
notwendig ist. Einschränkungen ergeben sich für die Zeit des
Aufenthaltes in Einrichtungen nur, wenn nach den gesetzlichen
Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die
Einrichtung besteht (wie zB in Krankenhäusern,
Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher
Anspruch besteht, ist im Einzelfall zu prüfen. In dieser Auslegung ist
die HKP-Richtlinie gesetzeskonform und daher verbindlich.
Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nach den gesetzlichen
Bestimmungen grundsätzlich nur soweit verpflichtet, medizinische
Behandlungspflege zu erbringen, wie sie dazu aufgrund der von ihnen
vorzuhaltenden sächlichen und personellen Ausstattung in der Lage sind.
Die medizinische Behandlungspflege ist vorrangig Aufgabe der
gesetzlichen Krankenversicherung. Der Träger der Sozialhilfe hat daher
grundsätzlich nicht durch entsprechende Verträge dafür Sorge zu tragen,
dass diese Leistung durch Einrichtungen der Eingliederungshilfe erbracht
wird. Allerdings sind einfachste Maßnahmen der Krankenpflege, für die es
keiner besonderen Sachkunde oder Fertigkeiten bedarf, in der Regel
untrennbar mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den
Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung verbunden, weil sie
zu den Hilfen bei der Führung eines gesunden Lebens gehören, zu dem der
Aufenthalt in der Einrichtung den Betroffenen befähigen soll. In der
Regel - so auch in dem hier zu entscheidenden Fall - gehört die Hilfe
zur Gesundheitsvorsorge in diesem elementaren Sinne zum Leistungsangebot
der Einrichtung, wie es in den Verträgen nach § 75 Abs 3 SGB XII näher
beschrieben wird. Deshalb sind diese einfachsten Maßnahmen der
Krankenpflege, die für Versicherte, die in einem Haushalt leben, von
jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können,
regelmäßig von der Einrichtung selbst zu erfüllen. Eine Einrichtung, die
nach ihrem Profil ein niederschwelliges Leistungsangebot für obdachlose
Menschen vorhält und diesen Hilfen bei Störungen in körperlichen,
psychischen und sozialen Bereichen gewähren will, muss in der Lage sein,
die von ihr aufgenommenen Menschen auch mit der erforderlichen
Hilfestellung bei den notwendigen gesundheitlichen Maßnahmen zu
versorgen, wie das im Vertrag der hier betroffenen Einrichtung der
Beigeladenen ausdrücklich formuliert ist.
SG Hamburg - S 48 KR 18/10 -
LSG
Hamburg - L 1 KR 23/12 -
Bundessozialgericht - B 3 KR 10/14 R-
4) In dem
Parallelverfahren zu dem Verfahren B 3 KR 10/14 R war die Revision der
beklagten KK nur teilweise erfolgreich; teilweise war der Rechtsstreit
an das LSG zurückzuverweisen.
Zum Herrichten und Verabreichen von Medikamenten sowie zur Messung des
Blutdrucks bestand kein Anspruch auf häusliche Krankenpflege, da diese
Leistungen als einfachste Maßnahmen medizinischer Behandlungspflege von
der Einrichtung zu erbringen waren. Der Wechsel von Wundverbänden und
die Verabreichung von Injektionen war hingegen von dieser Einrichtung
der Eingliederungshilfe, die ausschließlich mit Fachpersonal aus den
Bereichen Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Pädagogik arbeitet, nicht
geschuldet. Diese Maßnahmen gehören nicht mehr zu den einfachsten
medizinischen Hilfestellungen und können nicht ohne weiteres von
Personen ohne medizinische Fachkenntnisse erbracht werden. Für den
Zeitraum, in welchem für den Versicherten häusliche Krankenpflege
lediglich zum Herrichten und Verabreichen von Medikamenten verordnet
war, war die Revision erfolgreich. Für den übrigen Zeitraum war der
Rechtsstreit zurückzuverweisen, weil die Rechnungen des Pflegedienstes
nicht hinreichend nach den einzelnen Verrichtungen aufgeschlüsselt sind.
SG Hamburg - S 6 KR 1214/09 -
LSG
Hamburg - L 1 KR 24/12 -
Bundessozialgericht - B 3 KR 11/14 R -
5) Der Senat hat
die Revision des Klägers zurückgewiesen. Dabei ging es zuletzt nur noch
um die Feststellung, ob der Kläger grundsätzlich verpflichtet ist, auf
die selbstständigen Designern gezahlten Honorare Künstlersozialabgabe
(KSA) zu entrichten. Das hat der Senat bejaht. Der Kläger erteilt, um
seine Aufträge erfüllen zu können, nicht nur gelegentlich Aufträge an
selbstständige Künstler, die ihm Komponenten zu den Produkten liefern,
die er nach einer eigenständigen Weiterbearbeitung seinen Auftraggebern
übermittelt. Der Einwand, auf diese Weise komme es zur Doppeleinziehung
von KSA bei ihm und bei seinen Auftraggebern, greift nicht durch. Der
Kläger ist sowohl selbstständiger Künstler als auch Auftraggeber
künstlerischer Werke, weil und soweit er diese Werke als Vorstufe für
das Werk benötigt, das er seinem Auftraggeber schuldet. Eine im Gesetz
nicht vorgesehene Doppelerhebung würde voraussetzen, dass der Kläger ein
von ihm bei einem Künstler bestelltes Werk ohne eigene künstlerische
Bearbeitung an seinen Auftraggeber weitergibt. Dann muss dieser auf das
an den Kläger gezahlte Entgelt aber keine KSA entrichten, weil die
Veräußerung von Kunst im Sinne des reinen Handels nicht abgabepflichtig
ist. Wenn für die Erstellung eines Werkes auf zwei Produktionsstufen
jeweils selbstständige Künstler künstlerisch und nicht nur kaufmännisch
tätig werden, kann und muss für die auf beiden Stufen anfallenden
Entgelte KSA abgeführt werden.
Zur Höhe der für die Jahre 2003 - 2007 zu entrichtenden KSA haben sich
die Beteiligten auf eine Neubescheidung verständigt. Es muss ermittelt
werden, inwieweit die vom Kläger an die unterbeauftragten Personen
entrichteten Vergütungen "für künstlerische Werke oder Leistungen"
gezahlt worden sind. Technische oder auch gestalterische Vorleistungen,
auf die dann die eigentliche künstlerische Leistung des Klägers erst
aufsetzt, sind nicht abgabepflichtig. Die von den unterbeauftragten
Personen erstellten Komponenten müssen selbst als künstlerische Werke zu
qualifizieren sein; das ist insbesondere nicht der Fall, wenn die
Komponenten ohne eine designerische Weiterbearbeitung nicht verwendbar
sind.
SG Würzburg ‑ S 2 KR 72/09 ‑
Bayerisches LSG ‑ L 4 KR 269/10 ‑
Bundessozialgericht ‑ B 3 KS 5/13 R ‑