Siehe auch: Urteil des 6. Senats vom 15.7.2015 - B 6 KA 30/14 R -, Urteil des 6. Senats vom 15.7.2015 - B 6 KA 26/14 R -, Urteil des 6. Senats vom 15.7.2015 - B 6 KA 29/14 R -, Urteil des 6. Senats vom 15.7.2015 - B 6 KA 31/14 R -, Urteil des 6. Senats vom 15.7.2015 - B 6 KA 28/14 R -, Urteil des 6. Senats vom 15.7.2015 - B 6 KA 32/14 R -
Kassel, den 16. Juli 2015
Terminbericht Nr. 29/15
(zur Terminvorschau Nr. 29/15)
Der 6. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 15. Juli 2015.
1) Die Revision des Klägers war teilweise
erfolgreich.
Das LSG
hat im Ergebnis zu Recht die vom beklagten Beschwerdeausschuss
festgesetzte Regressforderung als eine gegen den Kläger selbst zu
richtende Neuforderung angesehen. Eine Regressforderung wegen
Überschreitung des Richtgrößenvolumens in einer Zeit nach der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens ist keine Masseverbindlichkeit iS des § 55 Abs 1
Nr 1 InsO. Die erste Alternative der Norm ist nicht erfüllt, weil der
Regress nicht durch Handlungen des Insolvenzverwalters ausgelöst worden
ist. Für die Verordnung von Arzneimitteln ist auch in einer
wirtschaftlich vom Insolvenzverwalter geführten Praxis allein der
Vertragsarzt verantwortlich. Die Regressforderung ist auch nicht gemäß
§ 55 Abs 1 Satz 1 2. Alt InsO in "anderer Weise" durch die Verwaltung
der Insolvenzmasse begründet worden. Anders als Steuern,
Sozialversicherungsbeiträge für Beschäftigte der Praxis in der Insolvenz
und Beiträge zur Altersvorsorge, die jeder Arzt abführen muss, ist ein
Arzt bei Fortführung einer Praxis unter Aufsicht des Insolvenzverwalters
nicht zwangsläufig Regressen ausgesetzt. Der Regress beruht allein
darauf, dass der Kläger bei der Verordnung von Arzneimitteln die
Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht hinreichend beachtet hat.
Der angefochtene
Bescheid ist aber insoweit rechtswidrig, als dem Kläger vor der
Festsetzung des Regresses keine Vereinbarung nach § 106 Abs 5a Satz 4
SGB V angeboten wurde. Die in dieser Vorschrift normierte
Hinwirkungspflicht trifft auch den beklagten Beschwerdeausschuss. Dem
Arzt muss vor Festsetzung eines Regresses die Möglichkeit gegeben
werden, auf die Durchführung eines Verfahrens unter Inkaufnahme eines
geminderten Erstattungsbetrages zu verzichten. Ist dieses Angebot
unterblieben und ist der Regressbescheid noch nicht bestandskräftig,
muss der Beschwerdeausschuss im gerichtlichen Verfahren auf eine
Vereinbarung nach § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V hinwirken. In dem hier
gegebenen Sonderfall, dass im Revisionsverfahren feststeht, dass die
Regressfestsetzung nicht zu beanstanden ist, der Beklagte also keine
Anlass mehr hat, den Erstattungsbetrag zu mindern, kommt ein derartiges
Vorgehen nicht mehr in Betracht. In dieser Sonderkonstellation ist der
Erstattungsbetrag um die maximal möglich Quote von 20% zu mindern. Der
Kläger wird damit so gestellt, als hätte er von einem entsprechenden
Angebot der Prüfgremien Gebrauch gemacht. Auf diese Weise bleibt die
Verletzung der Hinwirkungspflicht nicht folgenlos.
Mit seinen weiteren Einwänden gegen den Bescheid ‑ die unzureichende
Gliederung der Richtgrößen nach dem Alter der Patienten und
unzureichende Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten ‑ konnte der
Kläger nicht durchdringen.
SG Düsseldorf - S 33 KA 41/08 -
LSG
Nordrhein-Westfalen - L 11 KA 16/12 -
Bundessozialgericht - B 6 KA 30/14 R -
2) Die Revision
der beigeladenen KÄV war erfolglos.
Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen, unter denen
die Punktzahlobergrenzen für Jobsharing-Praxen neu festzusetzen sind,
nicht vorlagen. Die für alle Praxen gleichlautend gestellten Anträge der
KÄV auf Neufestsetzung im Hinblick auf die Neuordnung der
vertragsärztlichen Vergütung genügten den Anforderungen an eine wirksame
Antragstellung nicht. Es fehlte an der erforderlichen Konkretisierung
der Auswirkungen der Veränderung der für die Obergrenze maßgeblichen
Faktoren auf die konkrete Praxis. Die ab dem 1.1.2009 vorgesehene
Vergütung nach Regelleistungsvolumina führte auch nicht zwangsläufig zu
Veränderungen der Jobsharing-Obergrenzen. RLV und Jobsharing-Obergrenzen
haben vielmehr unterschiedliche Zielsetzungen und Auswirkungen.
SG Münster - S 2 KA 34/11 -
LSG
Nordrhein-Westfalen - L 11 KA 70/13 -
Bundessozialgericht - B 6 KA 26/14 R -
3) und 4) (= Nr. 3 und Nr. 5 der
Terminvorschau Nr. 29/15)
In den Verfahren B 6 KA 29/14 R und B 6 KA 32/14 R haben die Revisionen
der Klägerin bzw des Klägers Erfolg gehabt.
Entgegen der Auffassung des LSG durften diese ihre Klagen auf die
Anfechtung der den beigeladenen Kinder- und
Jugendlichen-Psychotherapeuten erteilten Zulassungen beschränken. Bei
einer "Massenzulassung" - der Zusammenfassung einer Vielzahl von
positiven und negativen Auswahlentscheidungen in einem Bescheid - steht
es unterlegenen Bewerbern frei, in Bezug auf welche erfolgreichen
Mitbewerber sie die Auswahlentscheidung des Berufungsausschusses zur
gerichtlichen Überprüfung stellen wollen. Der nicht berücksichtigte
Bewerber kann im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes
nicht gehalten sein, Auswahlentscheidungen anzufechten, die er selbst
für richtig oder zumindest für unangreifbar hält, nur um die Überprüfung
solcher Entscheidungen zu erreichen, die er für verfehlt hält. Auch ist
das mit einer Anfechtung aller positiven Entscheidungen verbundene
Kostenrisiko nicht tragbar.
In der Sache ist die Auswahlentscheidung des Beklagten fehlerhaft, weil
dieser den Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten nicht generell den
Vorrang vor Psychologischen Psychotherapeuten mit einer entsprechenden
Zusatzausbildung einräumen durfte. Beide Gruppen von Leistungserbringern
sind für die psychotherapeutische Versorgung von Kindern und
Jugendlichen gleichermaßen qualifiziert. Auch Rahmen einer
"Massenzulassung" hätte der Berufungsausschuss seiner Entscheidung
jedenfalls ein feineres Raster zugrunde legen müssen.
SG Berlin - S 71 KA 32/11 -
LSG
Berlin-Brandenburg - L 7 KA 28/13 -
Bundessozialgericht - B 6 KA 29/14 R -
SG
Berlin - S 83 KA 29/11 -
LSG
Berlin-Brandenburg - L 7 KA 40/12 -
Bundessozialgericht - B 6 KA 32/14 R -
5) (= Nr. 4 der
Terminvorschau Nr. 29/15)
In diesem Verfahren ist die Revision der Klägerin ohne Erfolg geblieben.
Ihre Klage ist durch den Verzicht der beigeladenen Kinder- und
Jugendlichen-Psychotherapeutin auf die Zulassung unzulässig geworden.
Diese Zulassung, auf deren Anfechtung sich die Klägerin zulässigerweise
beschränkt hat, kann sie nicht mehr anfechten.
SG Berlin - S 71 KA 31/11 -
LSG
Berlin-Brandenburg - L 7 KA 16/13 -
Bundessozialgericht - B 6 KA 31/14 R -
6) Die Revision
der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Der Honorarverteilungsvertrag der Beklagten genügte im streitbefangenen
Quartal noch den Anforderungen an ein mit den ab 1.4.2005 geltenden
Regelleistungsvolumina (RLV) vergleichbares fortführungsfähiges
Steuerungsinstrument. Sie trug den beiden zentralen Aspekten der ab dem
Quartal II/2005 gesetzlich vorgeschriebenen Vergütung der
vertragsärztlichen Leistungen Rechnung. Die Vergütung beruhte im
Grundsatz auf arztgruppenspezifischen Durchschnittswerten, also nicht
auf einem an praxisindividuellen Grenzwerten orientierten
Individualbudget. Dieser Durchschnittswert wurde zur Bildung des
Individualvolumens mit den Anpassungsfaktoren Leistungsbedarf oder
Fallzahl zwar modifiziert, aber nicht weitgehend ausgehöhlt. Es wurde
vielmehr bestimmten praxisindividuellen Umständen typisierend Rechnung
getragen, ohne dass die prinzipielle Ausrichtung am
arztgruppenspezifischen Durchschnitt aufgegeben wurde. Sichergestellt
war nach dem HVV ein fester Punktwert für den Leistungsbedarf im
Individualvolumen und abgestaffelte Punktwerte im Restvolumen. Auch dies
entsprach der Systematik der RLV.
SG für das Saarland - S 2 KA 118/07 -
LSG für
das Saarland - L 3 KA 5/11 -
Bundessozialgericht - B 6 KA 28/14 R -