Siehe auch: Urteil des 14. Senats vom 29.4.2015 - B 14 AS 6/14 R -, Urteil des 4. Senats vom 17.2.2016 - B 4 AS 24/14 R -, Urteil des 4. Senats vom 17.2.2016 - B 4 AS 17/15 R -, Urteil des 4. Senats vom 17.2.2016 - B 4 AS 12/15 R -, Urteil des 4. Senats vom 17.2.2016 - B 4 AS 2/15 R -
Kassel, den 17. Februar 2016
Terminbericht Nr. 3/16
(zur Terminvorschau Nr. 3/16)
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 17. Februar 2016.
1) Die zulässige Revision ist im Sinne der
Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung begründet. Es mangelt an Feststellungen des LSG zur
Hilfebedürftigkeit der Kläger, insbesondere zur Höhe des Einkommens der
Klägerin aus ihren Gewerbebetrieben.
Das LSG ist vorliegend allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass
keine Saldierung von Einnahmen und Verlusten aus den beiden
Gewerbebetrieben zu erfolgen hat. Im SGB II ist ein sogenannter
horizontaler Verlustausgleich nicht erlaubt, also der Ausgleich von
Einnahmen und Ausgaben - die der Einkommensberechnung zugrunde zu legen
sind - innerhalb einer Einkommensart. Dies folgt aus Wortlaut,
Entstehungsgeschichte und dem systematischen Zusammenhang in dem der für
die Berechnung des Einkommens aus Gewerbebetrieb maßgebliche § 3
Alg II-V steht.
Ebenso wenig kann ein Gebot des horizontalen Verlustausgleichs aus § 5
Alg II-V abgeleitet werden. Zwar verbietet § 5 Alg II-V dem Wortlaut
nach den horizontalen Verlustausgleich nicht; von der Regelung
ausdrücklich erfasst wird allein der vertikale Verlustausgleich, dh der
Ausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten. Aus den
Verordnungsmaterialien ergibt sich, dass der Verordnungsgeber mit der
Einfügung des § 5 Alg II-V zum 1.1.2008 jedoch nicht nur den Ausschluss
des vertikalen Verlustausgleichs, sondern auch den Ausschluss des
horizontalen Verlustausgleichs (klarstellend) regeln wollte. Unabhängig
davon, ob ihm dies durch die gewählte Formulierung gelungen ist, ist im
Hinblick auf den Nachranggrundsatz auf ein Verbot des horizontalen
Verlustausgleichs im SGB II zu erkennen. Danach ist Einkommen zuvörderst
zur Sicherung des Lebensunterhalts und nicht zur Schuldentilgung
einzusetzen. Insoweit gilt es zu verhindern, dass mit öffentlichen
Mitteln eine Einkommensart erhalten wird, in der die Verluste
überwiegen; die unwirtschaftliche Tätigkeit ist zu beenden. Wird die
verlustreiche Tätigkeit gleichwohl fortgeführt, soll sie nicht mittelbar
über einen Abzug des Verlusts von den Einnahmen aus einer anderen
Tätigkeit finanziert werden.
SG Berlin - S 204 AS 10168/09 -
LSG
Berlin-Brandenburg - L 29 AS 1501/11 -
Bundessozialgericht - B 4 AS 17/15 R -
2) Die Revision
des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.
Die Kläger haben
keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II, weil sie einem Ausschluss hiervon unterliegen. Auf der
Grundlage der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für
Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG aus Dezember 2015 kann
dahinstehen, ob die Kläger zu 1 und 2 auch im streitigen Zeitraum -
entsprechend den Feststellungen und rechtlichen Wertungen des LSG -
weiterhin über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung als
Arbeitsuchende verfügten. Auch diejenigen Unionsbürger, die sich auf
keine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder
kein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG berufen können, sind
"erst-recht" von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II ausgeschlossen.
Der Senat konnte jedoch nicht abschließend entscheiden, weil als anderer
leistungspflichtiger Träger nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG der zuständige
Sozialhilfeträger in Betracht kommt, dessen Beiladung das LSG nach der
im Revisionsverfahren erfolgten Rüge der Kläger nachzuholen hat. Ein
Anspruch gegen diesen kann sich vorbehaltlich der vom LSG noch zu
prüfenden Voraussetzungen des Einzelfalls aus dem SGB XII ergeben (vgl
Terminberichte 54/15, 61/15 und 1/16). Hierzu fehlen noch Feststellungen
des LSG.
SG
Gelsenkirchen - S 31 AS 27/11 -
LSG
Nordrhein-Westfalen - L 6 AS 130/13
Bundessozialgericht - B 4 AS 24/14 R -
3) Die Revision
des Klägers war erfolglos. Er hat während der Besuchszeiten beim Vater
im Rahmen des Umgangs keinen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und
Heizung für die Mitnutzung der Wohnung des Vaters. Es mangelt hier
insoweit bereits an einem Bedarf des Klägers.
Ein anzuerkennender Wohnbedarf iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II besteht nur
bezogen auf den Lebensmittelpunkt. Der Lebensmittelpunkt eines Kindes
liegt in der Wohnung nur eines Elternteils, wenn sich das Kind
überwiegend bei diesem einen Elternteil aufhält. Eine Aufteilung des
Wohnbedarfs je nach dem Umfang des Aufenthalts bei dem einen oder
anderen Elternteil kommt nicht in Betracht. Besteht wegen der
Wahrnehmung des Umgangsrechts ein zusätzlicher Wohnraumbedarf des
umgangsberechtigten Elternteils, kann dieser im Rahmen der konkreten
Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizaufwendungen nach § 22 Abs 1 S 1
iVm S 3 SGB II zu berücksichtigen sein.
Vorliegend hatte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum seinen
Lebensmittelpunkt bei seiner Mutter, die ihn überwiegend betreute, nicht
aber bei seinem Vater. Der Bedarf durch die Aufwendungen für die vom
Kläger zusammen mit seiner Mutter bewohnte Wohnung wurde, ausgehend von
einer Bedarfsgemeinschaft des Klägers mit seiner Mutter, durch
Leistungen für Unterkunft und Heizung von dem Beklagten gedeckt.
SG Leipzig - S 25 AS 2636/09 -
Sächsisches LSG - L 2 AS 161/11
Bundessozialgericht - B 4 AS 2/15 R
4) und 5)
Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Zurückweisung zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet. Der Senat vermochte
nicht abschließend darüber zu befinden, ob der Kläger einen Anspruch auf
höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1.2. bis
31.7.2012 hat oder - wie vom Beklagten vorgebracht - die Leistungen in
Höhe der Aufwendungen für die bisherige Wohnung nach § 22 Abs 1 S 2 SGB
II zu deckeln waren.
Danach wird nur der bisherige Bedarf anerkannt, wenn sich die
angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht
erforderlichen Umzug erhöhen. Zwar ist hier eine Erhöhung durch den
Umzug erfolgt, der zudem nicht erforderlich iS des § 22 Abs 1 S 2 SGB II
war. Die aus dieser Vorschrift folgende Begrenzung der Leistungen für
Unterkunft ist jedoch nur dann rechtmäßig - insoweit schließt sich der
erkennende Senat dem 14. Senat in seiner Entscheidung vom 29.4.2015 an
(B 14 AS 6/14 R, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, SozR 4-4200 §
22 Nr 84) -, wenn zum Zeitpunkt des Umzugs zutreffend ermittelte
Angemessenheitsgrenzen für die Unterkunfts- und Heizkosten bestanden.
Hierzu mangelt es an Feststellungen des Berufungsgerichts.
Soweit das LSG die zuvor benannte Voraussetzung bejahen sollte, gilt,
dass die zukünftige Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht
statisch auf die Aufwendungen zum Zeitpunkt des Auszuges aus der zuvor
bewohnten Wohnung begrenzt ist. Es hat vielmehr eine Dynamisierung unter
Berücksichtigung der Veränderungen der Angemessenheitsgrenze seit dem
Vergleichszeitpunkt zu erfolgen. Diese Veränderungen sind, da nach einem
schlüssigen Konzept ermittelt, Maßstab für die Abbildung der realen
Dynamik auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraumes.
In dem Verfahren zu dem Aktenzeichen B 4 AS 13/15 R haben sich die
Beteiligten der Entscheidung in dem Rechtsstreit zu dem Aktenzeichen B 4
AS 12/15 R unterworfen.
SG Dessau-Roßlau - S 9 AS 915/13 -
LSG
Sachsen-Anhalt - L 4 AS 166/14 -
Bundessozialgericht - B 4 AS 13/15 R -
SG
Dessau-Roßlau - S 9 AS 1023/12 -
LSG
Sachsen-Anhalt - L 4 AS 777/13 -
Bundessozialgericht - B 4 AS 12/15 R -