Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 6. Senats vom 15.3.2017 - B 6 KA 30/16 R -, Urteil des 6. Senats vom 15.3.2017 - B 6 KA 20/16 R -, Urteil des 6. Senats vom 15.3.2017 - B 6 KA 22/16 R -, Urteil des 6. Senats vom 15.3.2017 - B 6 KA 18/16 R -, Urteil des 6. Senats vom 15.3.2017 - B 6 KA 13/16 R -
Kassel, den 16. März 2017
Terminbericht Nr. 6/17
(zur Terminvorschau Nr. 6/17)
Der 6. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 15. März 2017.
In den Verfahren 1) bis 5) geht es um Streitfragen im Zusammenhang
mit der Zuordnung von Versorgungsaufträgen für Dialyseleistungen zu
einzelnen Ärzten oder zu Praxen, vor allem um die Möglichkeit von
Ärzten, die aus Berufsausübungsgemeinschaften ausscheiden,
Versorgungsaufträge an einen neuen Standort mitzunehmen oder in eine
neue Kooperation einzubringen. Der Senat hat in den Verfahren 1), 3) und
4) in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die
Praxisbezogenheit von Versorgungsaufträgen für Dialyseleistungen bereits
seit Inkrafttreten der Neufassung der sog Dialysevereinbarung im Jahr
2002 gilt. Ärzte, die bereits zuvor in der Dialyseversorgung tätig waren
und auf Grundlage von Übergangsbestimmungen eine Genehmigung nach neuem
Recht erhalten haben, sind in das neu strukturierte Versorgungssystem
integriert worden und können sich nicht darauf berufen, der
Versorgungsauftrag stehe ihnen persönlich zu und könne bei Ausscheiden
aus der Praxis mitgenommen werden. Allein dieses Verständnis wird dem
Konzept der Dialysevereinbarung gerecht, das unter anderem auf die
Qualitätssicherung durch Regulierung des Marktzugangs und den Schutz der
bestehenden Versorgungsstrukturen durch eine Begrenzung der
Versorgungsaufträge auf das Maß des wirtschaftlich Gebotenen abzielt.
Die Dialysevereinbarung ist unter Berücksichtigung der mit ihr
verfolgten wichtigen Gemeinwohlinteressen und der Besonderheiten der
Dialyseversorgung mit höherrangigem Recht vereinbar.
1)
Die Revision der klagenden nephrologischen BAG hat in dem Sinne
überwiegend Erfolg, dass der Senat die Urteile des LSG geändert und die
Berufung der Beigeladenen zu 1. und der Beklagten im Wesentlichen
zurückgewiesen hat.
Die Klägerin ist zur Anfechtung der
Genehmigungen, die die Beklagte der Beigeladenen zu 1. erteilt hat,
berechtigt und ihre Klage ist aufgrund der nicht hinreichenden
Auslastung ihrer Praxis auch im Übrigen begründet. Das SG hat die
angefochtenen Bescheide daher zu Recht aufgehoben. Aus Gründen der
unverzichtbaren Versorgungskontinuität modifiziert der Senat die
Aufhebung der angefochtenen Genehmigungen jedoch in der Weise, dass
diese erst mit Ablauf des 31.12.2017 wirksam wird, um den bisher bei der
Beigeladenen zu 1. jeweils in Behandlung befindlichen Patienten
hinreichend Zeit zu geben, sich ggf. auf ein neues Versorgungsangebot
einzustellen. Die weitergehenden Revisionen der Klägerin hat der Senat
zurückgewiesen.
SG für das Saarland
- S 2 KA 97/11 -
LSG für das Saarland
- L 3 KA 20/13 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 18/16 R -
2) Die Beteiligten
haben den Rechtsstreit nach Verkündung des Urteils in der 4. Sache
(B 6 KA 20/16 R) in der Weise übereinstimmend erledigt, dass sie sich
dem Ausgang dieses Verfahrens, einschließlich der Kosten und der
Gestaltung der Übergangsfrist, unterworfen haben.
SG für das
Saarland
- S 2 KA 22/12 -
LSG für das Saarland
- L 3 KA 21/13 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 19/16 R -
3) Die Revision des
Klägers hat keinen Erfolg. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass der
Kläger nicht berechtigt ist, seinen Versorgungsauftrag im Zuge des
geplanten Ausscheidens aus seiner bisherigen BAG an einen neuen
Vertragsarztsitz mitzunehmen.
SG Dortmund
- S 9 KA 122/12 -
LSG Nordrhein-Westfalen
- L 11 KA 84/14 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 13/16 R -
4) Die Revision der
klagenden nephrologischen BAG hat in dem Sinne überwiegend Erfolg, dass
der Senat die angefochtenen Urteile und Bescheide aufgehoben hat; der zu
2. klagende angestellte Arzt hat seine Revision zurückgenommen. Auch in
diesem Verfahren hat der Senat die Wirkungen der Aufhebung vorläufig bis
zum Ablauf des 31.12.2017 suspendiert, um zu vermeiden, dass das
Versorgungsangebot des beigeladenen Arztes übergangslos entfällt. Das
LSG und das SG haben zu Unrecht eine Anfechtungsbefugnis der Klägerin
verneint. Der Beigeladene zu 1. konnte den streitgegenständlichen
Versorgungsauftrag nach dem Ausscheiden aus der BAG nicht mitnehmen.
Aufgrund der nicht hinreichenden Auslastung der Klägerin war die dem
Beigeladenen zu 1. erteilte Genehmigung auch rechtswidrig.
SG
für das Saarland
- S 2 KA 12/12 -
LSG für das Saarland
- L 3 KA 1/13 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 20/16 R -
5) Die Beteiligten
haben den Rechtsstreit nach Verkündung des Urteils in der 1. Sache
(B 6 KA 18/16 R) in der Weise übereinstimmend erledigt, dass sie sich
dem Ausgang dieses Verfahrens, einschließlich der Kosten und der
Gestaltung der Übergangsfrist, unterworfen haben.
SG für das
Saarland
- S 2 KA 16/12 -
LSG für das Saarland
- L 3 KA 2/13 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 21/16 R -
6) Die Revision der
Klägerin hat keinen Erfolg. Die auf Vorschriften des Gesetzes gegen den
unlauteren Wettbewerb (UWG) gestützten Unterlassungs-, Auskunfts- und
Schadensersatzansprüche wegen des Betriebs der Nebenbetriebsstätte in N
durch den Beklagten stehen der Klägerin nicht zu. Die Rechtsprechung des
Senats zur Anwendung wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen auf das
Verhältnis von Leistungserbringern iSd SGB V untereinander bezog sich
auf besondere Fallgestaltungen, in denen effektiver Rechtsschutz anders
nicht zu gewährleisten war. Nachdem inzwischen eine gefestigte
Rechtsprechung zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gegen die
rechtswidrige Begünstigung konkurrierender Leistungserbringer besteht,
gibt es grundsätzlich keine Rechtfertigung mehr für die an sich
systemfremde Heranziehung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze in
Konstellationen, in denen Leistungserbringer gegenüber den zuständigen
Körperschaften bzw Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung Rechtsschutz
erreichen können. Hier hätte die Klägerin eine Klärung durch eine gegen
die zu 1. beigeladene KÄV gerichtete Feststellungsklage und ggfs auch im
Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b SGG erreichen können.
Soweit nach den in ständiger Rechtsprechung entwickelten
vertragsarztrechtlichen Grundsätzen kein Drittrechtsschutz gegenüber der
als rechtswidrig angesehenen Begünstigung eines Konkurrenten geltend
gemacht werden kann, kann ein abweichendes Ergebnis auch nicht über die
entsprechende Anwendung von Vorschriften des UWG erreicht werden. Nicht
die Vorschriften des UWG, sondern die vertragsarztrechtlichen
Bestimmungen sollen die Leistungserbringung im Geltungsbereich des SGB V
steuern.
Schadensersatzansprüche der Klägerin hätten hier im
Übrigen auch nach wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen nicht bestanden,
weil der Beklagte die Nebenbetriebsstätte nach Auskunft der für die
Genehmigung zuständigen KÄV betreiben durfte, sodass es jedenfalls an
dem erforderlichen Verschulden fehlt. Soweit die Klägerin
Unterlassungsansprüche geltend macht, besteht die Gefahr einer
Fortsetzung der Rechtsverletzung nicht mehr, nachdem der Senat am
heutigen Tag in dem Verfahren zum Az B 6 KA 20/16 R (s.o. 4.)
entschieden hat, dass der Versorgungsauftrag für den Hauptsitz der
Praxis nicht auf den Beklagten übergegangen ist und dass er in dieser
Praxis deshalb nach Ablauf einer Übergangsfrist (31.12.2017) keine
Dialyse als vertragsärztliche Leistung mehr erbringen und abrechnen
darf. Damit steht auch fest, dass die damit verbundene, hier
streitgegenständliche Nebenbetriebsstätte nach Ablauf der genannten
Frist nicht mehr betrieben werden darf.
SG
für das Saarland
- S 2 KA 132/11 -
LSG für das Saarland
- L 3 KA 2/16 WA -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 35/16 R -
7)
Die Revision der zu 1. klagenden BAG hat im Sinne der Aufhebung des
Berufungsurteils und der Zurückverweisung an das LSG Erfolg; der zu 2.
klagende angestellte Arzt hat seine Revision zurückgenommen.
Die
klagende BAG ist entgegen der Auffassung des LSG berechtigt, die dem zu
1. beigeladenen MVZ gewährte Verlängerung der Nebenbetriebsstätte in
Neunkirchen anzufechten. Nach den maßgeblichen Vorschriften des Abs 3
des Anhangs 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä hängt die Verlängerung einer
zunächst bedarfsunabhängig erteilten Genehmigung einer
Nebenbetriebsstätte für Dialyseleistungen um weitere 10 Jahre davon ab,
ob diese Nebenbetriebsstätte in der Versorgungsregion einer anderen
Praxis liegt oder nicht. Ist das nicht der Fall, ist die Genehmigung
ohne weitere Prüfung zu verlängern. Befindet sich die
Nebenbetriebsstätte in der Versorgungsregion einer anderen Praxis, kann
die Genehmigung nur verlängert werden, wenn die Zweigstelle "die
wohnortnahe Versorgung" der Versicherten mit den verschiedenen
Dialyseleistungen "gewährleistet". Das kann die KÄV nur unter
Berücksichtigung der Versorgungslage in der jeweiligen Region
beurteilen, und deshalb ist von einer Entscheidung der KÄV auch die
Praxis rechtlich betroffen, in deren Versorgungsregion die
Nebenbetriebsstätte gelegen ist. Das reicht für den (auch)
drittschützenden Charakter der Vorschrift und damit für eine
Anfechtungsberechtigung aus. Dass die anderen Voraussetzungen für eine
Drittanfechtung - übereinstimmende Leistungsangebot und tatsächliche
Konkurrenz - gegeben sind, steht außer Frage.
Der
Anfechtungsberechtigung der Klägerin steht nicht entgegen, dass die
Nebenbetriebsstätte des zu 1. beigeladenen MVZ schon länger betrieben
wird als die Hauptpraxis der Klägerin. Die Erteilung eines
Versorgungsauftrags für Dialyseleistungen an eine Praxis in einer bisher
nur über Zweigpraxen betreuten Versorgungsregion kann zur Folge haben,
dass der Bedarf für das Angebot der Nebenbetriebsstätte künftig
entfällt.
Das LSG wird nunmehr zu prüfen haben, ob die Praxis
der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt "hinreichend ausgelastet" war.
Nur wenn das nicht der Fall war, erweist sich die Verlängerung der
Genehmigung zu Gunsten des beigeladenen MVZ als rechtswidrig. Der
Auffassung der Klägerin, eine Verlängerung der Genehmigung um weitere 10
Jahre scheide schon deshalb aus, weil die Beigeladene den Standort der
Nebenbetriebsstätte innerhalb von N verlegt hat, folgt der Senat für die
hier zu beurteilende Fallgestaltung nicht.
SG für das Saarland
- S 2 KA 9/13 -
LSG für das Saarland
- L 3 KA 9/14 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 30/16 R -
8) Die Revision der
klagenden BAG hat aus den oben unter Nr 7 dargestellten Gründen Erfolg.
Die Klägerin ist berechtigt, die Verlängerung der Genehmigung der
Nebenbetriebstätte der Beigeladenen zu 1. anzufechten.
Die
Entscheidung der Beklagten hält einer gerichtlichen Prüfung nicht stand.
Sie hat - von ihrem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - eine Prüfung der
Versorgungslage in O nicht vorgenommen und die mit der
Nebenbetriebsstätte der Beigeladenen konkurrierenden Versorgungsangebote
ua der Klägerin mit ihrem Hauptstandort in Immenstadt, zu deren
Versorgungsregion auch O gehört, nicht in die Prüfung einbezogen. Bei
ihrer neuen Entscheidung über den Antrag der beigeladenen BAG auf
Verlängerung der Genehmigung um weitere 10 Jahre wird die Beklagte auch
das Angebot der Klägerin berücksichtigen müssen, die in O - also in
ihrer Versorgungsregion - schon betriebene nephrologische Zweigpraxis um
das Angebot von Dialyseleistungen zu erweitern.
Im Interesse der
Kontinuität der Patientenversorgung in der Nebenbetriebsstätte der
beigeladenen BAG in O lässt der Senat die Wirkung der Aufhebung der
dieser gewährten Verlängerung erst mit Ablauf des 31.12.2017 eintreten.
Ein weitergehender Schutz der wirtschaftlichen Interessen der zu 1.
beigeladenen BAG ist indessen nicht geboten. Diese musste sich 2012 auf
einen möglichen Wegfall der Genehmigung infolge einer veränderten
Versorgungslage einstellen und konnte spätestens seit der Anfechtung der
Verlängerung durch die Klägerin nicht mehr ohne weiteres mit einer
unveränderten Fortführung der Nebenbetriebsstätte bis 2022 rechnen.
SG München
- S 49 KA 352/13 -
Bayerisches LSG
- L 12 KA 108/14 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 22/16 R -