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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 7.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 ist rechtmäßig. Der Kläger ist nicht nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig.
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1. Zutreffend hat der Kläger die Anfechtungsklage mit einer Klage auf Feststellung, dass seit dem 13.2.2006 Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht, verbunden
(vgl Urteil des Senats vom 3.6.2009, B 12 AL 1/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen)
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2. Der Kläger ist nicht aufgrund einer hier allein in Betracht kommenden freiwilligen Weiterversicherung nach § 28a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III
(eingefügt mit Wirkung zum
1.2.2006 durch Art 1 Nr 20 und Art 124 Abs 4 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003,
BGBl I 2848)
nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig. Nach dieser Vorschrift können Selbstständige auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis begründen, wenn sie eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben. Neben einem fristgerechten Antrag iS von § 28a Abs 2 Satz 2 SGB III und § 434j Abs 2 SGB III setzt die Weiterversicherung nach § 28a Abs 1 Satz 2 SGB III voraus, dass der Selbstständige innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit mindestens 12 Monate sowie unmittelbar vor Aufnahme der zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigenden Tätigkeit in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts des SGB III gestanden, eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder
(in der seit 1.7.2008 geltenden Fassung des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.5.2008, BGBl I 874)
eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte, ein Versicherungspflichtverhältnis oder einen Leistungsbezug unterbrechende Beschäftigung ausgeübt hat (Nr 1 und Nr 2) und dass eine anderweitige Versicherungspflicht nicht besteht (Nr 3). § 28a Abs 2 Satz 1 und 2 SGB III und § 434j Abs 2 SGB III treffen Regelungen zum Beginn der Versicherungspflicht sowie zur Frist, innerhalb der der Antrag gestellt werden muss
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a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger in seiner Tätigkeit als Vorstand einer AG allerdings nicht bereits nach § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III versicherungsfrei und von der Versicherungspflicht auf Antrag ausgeschlossen. Denn § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III ordnet allein die Versicherungsfreiheit von abhängig beschäftigten Vorständen einer AG an. Zwar geht das Gesetz von einer regelmäßig vorliegenden abhängigen Beschäftigung aus
(Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 19.6.2001, B 12 KR 44/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f)
. Vorliegend hat das LSG jedoch zutreffend entschieden, dass der Kläger spätestens mit Übernahme aller Anteile an der A. AG in seiner Tätigkeit als alleiniger Vorstand dieser AG im Antragszeitpunkt selbstständig und nicht abhängig beschäftigt war.
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b) Eine Versicherungspflicht des Klägers auf Antrag ist dennoch nicht eingetreten, weil nach § 28a Abs 2 Satz 4 SGB III die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit auf die Antragspflichtversicherung entsprechend anzuwenden sind. Diese entsprechende Anwendung bedeutet, dass eine selbstständige Tätigkeit nicht versichert sein kann, wenn diese Tätigkeit - ausgeübt in abhängiger Beschäftigung - nach §§ 27, 28 SGB III versicherungsfrei wäre.
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aa) Nach § 28a Abs 2 Satz 4 SGB III
(§ 28a Abs 2 Satz 3 SGB III
in der seit 1.7.2008 geltenden Fassung durch Art 4 Nr 2 Buchst b des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.5.2008, BGBl I 874)
gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts über die Versicherungsfreiheit für Versicherungspflichtverhältnisse auf Antrag entsprechend. Dies verweist im Ersten Abschnitt des Zweiten Kapitels des SGB III auf die §§ 27, 28 SGB III
(vgl Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 28a RdNr 8, 11)
, die die Versicherungsfreiheit in bestimmten, grundsätzlich versicherungspflichtigen Beschäftigungen anordnen
(vgl Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 27 RdNr 2)
. "Entsprechend" zeigt dabei an, dass die hierdurch in Bezug genommenen §§ 27, 28 SGB III ihrem Regelungsgehalt nach auf den nach § 28a Abs 1 SGB III grundsätzlich antragsberechtigten Personenkreis auch dann anzuwenden sein sollen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 27, 28 SGB III nicht vollständig erfüllt sind, zB weil es sich nicht um eine Beschäftigung handelt. Dies gilt etwa für die Ausübung einer Tätigkeit während des Studiums, wenn eine Beschäftigung vergleichbaren Umfangs wegen des sogenannten Werkstudentenprivilegs
(§ 27 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III)
versicherungsfrei wäre, oder eine selbstständige Tätigkeit nach dem 65. Lebensjahr, weil auch eine abhängige Beschäftigung nach Erreichen des Alters für die Regelaltersrente versicherungsfrei ist
(§ 28 Abs 1 Nr 1 SGB III)
. Ebenso wie § 4 Abs 3a Satz 1 SGB VI für die Antragspflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung
(hierzu BR-Drucks 496/95 S 45)
stellt § 28a Abs 2 Satz 4 SGB III für die Antragspflichtversicherung nach dem Recht der Arbeitsförderung klar, dass die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit grundsätzlich nicht nur für die Versicherungspflichttatbestände gelten, bei denen die Versicherungspflicht ipso jure eintritt, sondern auch für Versicherungspflichttatbestände, bei denen die Versicherungspflicht auf Antrag eintritt.
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bb) Gleichzeitig bewirkt die in § 28a Abs 2 Satz 4 SGB III angeordnete entsprechende Anwendung der §§ 27, 28 SGB III für den Bereich der Antragspflichtversicherung bereits den Ausschluss von der Versicherungspflicht (auf Antrag) und nicht nur - wie die direkte Anwendung der §§ 27, 28 SGB III im Ersten Abschnitt des Zweiten Kapitels SGB III
(hierzu Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 27 RdNr 1 f)
- die Befreiung von den mit der Versicherungspflicht verbundenen Rechten und Pflichten. Denn im Unterschied zur Versicherungspflicht nach §§ 25, 26 SGB III tritt die Versicherungspflicht nach § 28a SGB III nicht von Gesetzes wegen, sondern erst auf Antrag ein. Damit bedarf es anders als im direkten Anwendungsbereich der §§ 27, 28 SGB III nicht der Befreiung von den Folgen einer bereits unabhängig vom Willen des Betroffenen bestehenden Versicherungspflicht. Vielmehr genügt es, die Versicherungspflicht durch Negation der Antragsberechtigung erst gar nicht entstehen zu lassen, um die bereits bestehende, dem Regelungszweck entsprechende Versicherungsfreiheit beizubehalten. Ein Interesse der nach § 28a Abs 1 Satz 1 SGB III grundsätzlich Antragsberechtigten, entsprechend der Konzeption der §§ 25 bis 28 SGB III zunächst zur Pflichtversicherung zugelassen, dann aber von deren Folgen befreit zu werden, ist nicht erkennbar.
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cc) Ein anderes Ergebnis ist auch nicht aus § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III herzuleiten, den die Revision in den Mittelpunkt ihrer Argumentation stellt. Danach gilt: "Voraussetzung der Versicherungspflicht auf Antrag ist, … dass Versicherungspflicht (§§ 26, 27) anderweitig nicht besteht". Entgegen dem Vorbringen des Klägers kann dem Wortlaut keineswegs eindeutig und jede andere Auslegung ausschließend entnommen werden, dass über den Verweis auf § 27 SGB III das Recht zur Antragspflichtversicherung auch auf den nach dieser Vorschrift versicherungsfreien Personenkreis, jedenfalls aber auf die Vorstände von AGen ausgedehnt werden sollte
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Vielmehr handelt es sich bereits nach dem Wortlaut des § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III um eine Ausschlussnorm, die im Sinne einer Subsidiaritätsklausel
(vgl Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 28a RdNr 7)
den Ausschluss des Rechts zur Antragspflichtversicherung beim Vorliegen anderweitiger Versicherungspflicht und gerade nicht die Erweiterung des Kreises der Antragsberechtigten zum Gegenstand hat.
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Entgegen der Interpretation des Klägers bezieht sich § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III auch nicht auf die zur Antragspflichtversicherung berechtigende Tätigkeit, sondern auf eine "anderweitige" Tätigkeit oder Beschäftigung, aufgrund derer keine Versicherungspflicht bestehen darf. Bezöge sich diese Vorschrift stattdessen auf die zur Antragspflichtversicherung berechtigende Tätigkeit, hätte sie keinen Anwendungsbereich. Denn die Tätigkeiten bzw Beschäftigungen der Fallgruppen des § 28a Abs 1 Satz 1 SGB III begründen gerade keine Versicherungspflicht nach anderen Vorschriften des SGB III, weshalb die Begründung von Versicherungspflicht auf Antrag überhaupt erst notwendig ist. Im Rahmen dieser Auslegung kommt dem zunächst schwer verständlichen
(vgl Timme in Hauck/Noftz, SGB III, § 28a RdNr 28)
Verweis auf §§ 26, 27 SGB III eine klarstellende Funktion zu: Er verdeutlicht, dass nicht nur die allgemeine Versicherungspflicht Beschäftigter nach § 24 Abs 1 Alt 1 SGB III iVm § 25 SGB III, sondern auch die sonstige Versicherungspflicht nach § 26 SGB III und auch eine Beschäftigung, die grundsätzlich Versicherungspflicht begründet, aber nach § 27 SGB III versicherungsfrei ist, die Antragspflichtversicherung ausschließt.
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dd) Der Ausschluss von selbstständigen Vorstandsmitgliedern einer deutschen AG von der Antragspflichtversicherung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Soweit der Kläger geltend macht, die dem Ausschluss von Vorständen von AGen von der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung zugrunde liegende Annahme des Gesetzgebers, wonach diese wirtschaftlich ausreichend abgesichert seien, sei empirisch nicht fundiert und spätestens seit der Gründung von kleineren AGen im Zuge der New Economy praktisch widerlegt, rügt er sinngemäß eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG. Durch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Art 2 Abs 1 GG ist jedoch geklärt, dass es im Spannungsverhältnis zwischen der (Vorsorge-)Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung weitgehend in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers liegt, ob er eine Pflichtversicherung begründen will und wen diese erfassen soll. Die Einbeziehung in die Versicherung darf nach Maßgabe einer typisierten Schutzbedürftigkeit ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse erfolgen
(vgl Urteil des Senats vom 15.7.2009, B 12 KR 14/08 R, mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 7 Nr 1 vorgesehen)
. Der Gesetzgeber darf dabei die Sozialversicherung primär an der Schutzbedürftigkeit der abhängig Beschäftigten ausrichten
(BVerfG, Beschluss vom 8.4.1987, 1 BvR 564/84 ua, BVerfGE 75, 78, 103 = SozR 2200 § 1246 Nr 142)
, ist aber dennoch im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums durch Art 3 Abs 1 GG bereits nicht gehalten, jede denkbare Form von Beschäftigung in den Schutz der Sozialversicherung einzubeziehen
(BVerfG, Urteil vom 1.7.1998, 2 BvR 441/90 ua, BVerfGE 98, 169)
. Erst recht ist er grundsätzlich nicht zu einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Gruppen nicht abhängig Beschäftigter - hier selbstständiger AG-Vorstände und anderer Selbstständiger - gezwungen.
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Im Rahmen einer solchen typisierenden Betrachtung der Schutzbedürftigkeit liegt der Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer AG nach § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III - wie bei der Vorgängernorm § 3 Abs 1a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) - die Erwägung zugrunde, dass bei Mitgliedern des Vorstandes einer AG wegen ihrer herausragenden und starken wirtschaftlichen Stellung Schutz und Sicherheit durch die Rentenversicherung - und die Arbeitslosenversicherung - entbehrlich erscheinen
(vgl BSG, Urteil vom 22.11.1973, 12/3 RK 20/71, BSGE 36, 258, 260 = SozR Nr 24 zu § 3 AVG, unter Hinweis auf das Urteil vom 18.9.1973, 12 RK 5/73, BSGE 36, 164, 167 = SozR Nr 23 zu § 3 AVG; zur Regelungsgeschichte Urteil vom
27.2.2008, B 12 KR 23/06 R, BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3 RdNr 21 mwN)
. Aufgrund dieser typisierenden Betrachtung stand es dem Gesetzgeber offen, das Recht zur Pflichtversicherung auf Antrag nach § 28a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III mit Hilfe der Erstreckungsklausel des § 28a Abs 2 Satz 4 SGB III auf Existenzgründer
(zu dieser Zielgruppe BT-Drucks 15/1515 S 78 zu Nr 20)
zu beschränken, die nicht über die mit der Stellung als Vorstandsmitglied einer AG typischerweise verbundene wirtschaftliche Absicherung verfügen oder aus einem anderen Grund im Falle einer Beschäftigung versicherungsfrei wären. Soweit der Gesetzgeber bisher auf die Entstehung finanzschwacher "kleiner" AGen nicht reagiert hat, kann sich der Senat vorliegend nicht davon überzeugen, dass der Gesetzgeber seiner Verpflichtung, das geltende Recht laufend im Auge zu behalten und zur Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes erforderlichenfalls den tatsächlichen Entwicklungen anzupassen
(vgl zB BVerfGE 90, 226, 238 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6; BSG, Urteil vom 19.6.2001, B 12 KR 44/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 18)
, nicht hinreichend nachgekommen ist.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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