| Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet, § 170 Abs 1 Satz 1 SGG. SG und LSG haben zu Recht die am 31.10.2007 erhobene Klage als unzulässig angesehen, weil die Klagefrist versäumt war. |
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| Gemäß § 87 Abs 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, beginnt die Frist nach § 87 Abs 2 SGG mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. Diese Frist hat die Klägerin mit der am 31.10.2007 erhobenen Klage nicht gewahrt. Der Widerspruchsbescheid war mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung iS des § 66 SGG versehen, die insbesondere auf den Inhalt des § 37 Abs 2 SGB X hinwies (vgl hierzu BSGE 79, 293 = SozR 3-1500 § 66 Nr 6). Er ist ihrem Bevollmächtigten am 29.9.2007, einem Samstag, bekanntgegeben. Begann die Monatsfrist des § 87 Abs 1 Satz 1 SGG damit am 29.9.2007, endete sie am Montag, dem 29.10.2007. |
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| Gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Der Widerspruchsbescheid wurde hier, wie auf der Rückseite des in der Akte der Beklagten befindlichen Exemplars vermerkt, am 26.9.2007 zur Post gegeben (zum Erfordernis eines solchen Vermerks in den Behördenakten vgl BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2, jeweils RdNr 15). Dass er dem Bevollmächtigten der Klägerin tatsächlich bereits am 28.9.2007 zugegangen ist, ist unerheblich. Nach der gesetzlichen Zugangsfiktion ist allein maßgeblich der dritte Tag nach der Aufgabe zur Post (vgl zu § 4 Verwaltungszustellungsgesetz <VwZG> BSGE 5, 53, 55). Der Tag, an dem der Brief zur Post gegeben wird, ist nach der gemäß § 26 Abs 1 SGB X für Fristen und Terminsbestimmungen geltenden Vorschrift des § 187 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch nicht mitzuzählen (vgl BSG aaO). Dritter Tag im Sinne der Zugangsfiktion des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X ist damit der 29.9.2007. |
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| Dem steht nicht entgegen, dass dieser Tag ein Samstag war. Die Fiktion der Bekanntgabe greift auch dann ein, wenn der für die Bekanntgabe maßgebende dritte Tag nach der Aufgabe zur Post auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt. Die Vorschrift des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X enthält keine Einschränkung dergestalt, dass die Frist erst mit dem Ablauf des nächsten Werktages endet, wenn das Ende der Frist auf einen Sonnabend fällt (vgl Engelmann in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 37 RdNr 12; Krasney in KassKomm, Stand Januar 2010, § 37 RdNr 6; Waschull in LPK-SGB X, 2. Aufl 2007, § 37 RdNr 11; Marschner in Pickel/ Marschner, SGB X, Stand Februar 2010, § 37 RdNr 23; für die Parallelvorschrift des § 41 Verwaltungsverfahrensgesetz <VwVfG> Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl 2008, § 41 RdNr 44; aA Recht in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Februar 2010, K § 37 RdNr 16; für § 41 VwVfG Ruffert in Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl 2010, § 41 RdNr 35 sowie U. Stelkens in Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 41 RdNr 133). Auch die Vorschriften des § 41 VwVfG, die als Vorbild diente (BT-Drucks 8/2034 S 33), und des § 17 Abs 2 VwZG (BGBl I 1952, 379), auf die wiederum bei Schaffung des VwVfG zurückgegriffen wurde (BT-Drucks VI/1173 S 49), enthalten keine Einschränkung der Bekanntgabe auf einen Werktag (anders etwa die Vorläufervorschrift von § 4 VwZG, § 1 der Postzustellungsverordnung vom 23.8.1943 <RGBl I S 527>; vgl BSGE 5, 53, 54, 55). |
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| Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus § 26 Abs 3 Satz 1 SGB X bzw § 64 Abs 3 SGG. Danach endet eine Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages, wenn das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X regelt aber keine Frist im Sinne dieser Vorschriften. Es wird kein Zeitraum bezeichnet, in dem ein bestimmtes Tätigwerden erforderlich ist. Ebenso wenig wird ein Zeitraum umschrieben, in dem die Rechtswirkung der Bekanntgabe eintritt, sondern der vermutete Tag der Bekanntgabe und damit ein genauer Zeitpunkt für den Eintritt einer Rechtswirkung markiert, der für den Lauf der Klagefrist maßgeblich ist (vgl bereits die Gesetzesbegründung zu § 31 VwVfG <Bekanntgabe des Verwaltungsakts> BT-Drucks VI/1173 S 49: "… Zeitpunkt bestimmt, in dem die Bekanntgabe als bewirkt gilt"; zu § 4 Abs 1 VwZG vgl BSG Urteil vom 9.12.2008 - B 8/9b SO 13/07 R; Loytved, Kann die Zustellung eines Widerspruchsbescheides mittels eingeschriebenen Briefes auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fallen?, SGb 1997, 253, 254). |
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| Auch eine analoge Anwendung des § 26 Abs 3 Satz 1 SGB X bzw § 64 Abs 3 SGG kommt nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einer Regelungslücke. Auch nach Sinn und Zweck besteht kein Bedürfnis für eine Ausweitung dieser Regelungen auf die Fälle des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X. Die Vorschrift dient ebenso wie § 4 Abs 1 VwZG dazu, das Verfahren der Bekanntgabe kostengünstig und einfach handhabbar zu gestalten. Im Interesse der Sparsamkeit und Vereinfachung sollen Ermittlungen über den genauen Tag der Bekanntgabe unterbleiben. Die Berechnung des Zustellungstages nach einem festen Maßstab entspricht am ehesten dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Verwaltungsvereinfachung (vgl BSGE 5, 53, 56). Die Verschiebung des Zustellungsdatums auf den nächsten Werktag, wenn der dritte Tag ein Sonnabend, Sonntag oder Feiertag ist, würde die Notwendigkeit der Überprüfung in jedem Fall durch die Behörde begründen (vgl Loytved aaO). Bei der strikten Berechnung des Zustellungstages fällt eine solche Überprüfung hingegen nur an, wenn der Adressat den Empfang überhaupt bestreitet oder den Zugang nach Ablauf des gesetzlich vermuteten Zustellungstages behauptet. |
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| Der Adressat eines Verwaltungsaktes wird auch nicht in unzumutbarer Weise belastet, wenn der vermutete Zugangstag ein Sonnabend, Sonntag oder Feiertag ist. Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass anders als bei der Frist im engeren Sinne im Fall der Bekanntgabe kein Tätigwerden eines Beteiligten erwartet wird. Der Verschiebung des Fristendes von einem Sonnabend, Sonntag oder Feiertag auf den nächsten Werktag liegt in erster Linie die Überlegung zugrunde, dass die Abgabe einer Erklärung bzw die Vornahme einer Handlung an diesen Tagen typischerweise Schwierigkeiten bereitet. Dem Adressaten eines Verwaltungsaktes wird durch die Zugangsfiktion aber nicht zugemutet, eine ihm obliegende Handlung an einem arbeitsfreien Tag zu bewirken (vgl Loytved aaO; zu § 41 VwVfG vgl OVG NW, NVwZ 2001, 1171, 1172). Für den Postlauf wurde ein relativ großzügiger Zeitraum angesetzt. Zu den Feiertagen Ostern, Pfingsten und Weihnachten mögen sich in Verbindung mit Wochenendtagen problematische Konstellationen ergeben können (vgl Recht aaO, K § 37 RdNr 16), diese sind jedoch hinreichend dadurch berücksichtigt, dass die Zugangsfiktion gemäß § 37 Abs 2 Satz 2 SGB X dann nicht gilt, wenn der Verwaltungsakt zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (vgl LSG Saarland, Urteil vom 27.4.2007 - L 7 R 52/06 -: Bekanntgabe am Karsamstag). Durch die Ausnahmeregelung ist sichergestellt, dass dem Adressaten keine Nachteile entstehen, wenn die Bekanntgabe entgegen der Fiktion tatsächlich erst später erfolgt, zumal im Zweifel die Behörde den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen hat. Es ist daher im Fall einer vermuteten Bekanntgabe an einem Sonnabend, Sonntag oder Feiertag auch keine Verkürzung der Handlungsfrist des Beteiligten zu besorgen. Das LSG hat insofern zu Recht darauf hingewiesen, dass der Fall der Klägerin vielmehr zeigt, dass die gesetzliche Vermutung infolge kürzerer Postlaufzeiten häufig zu einer Verlängerung der Frist im Vergleich zu anderen Zustellungsarten führt, weil ein tatsächlicher früherer Zugang nicht berücksichtigt wird (vgl BSGE 5, 53, 56; Loytved, aaO, 254; zu § 41 VwVfG OVG Nds, NVwZ-RR 2007, 78). |
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| Der Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des BFH zu § 122 Abs 2 Nr 1 AO ab (BFHE 203, 26 ff; seither stRspr; kritisch Jäger, jurisPR-SteuerR 12/2006 Anm 1), wonach jedenfalls eine entsprechende Anwendung von § 108 Abs 3 AO, der den Ablauf einer Frist auf den nächstfolgenden Werktag vorsieht, wenn das Ende einer Frist sonst auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, für geboten erachtet wird. Der BFH hat in seiner Entscheidung auf die von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Erschütterung der Zugangsvermutung abgestellt (vgl für das Sozialverwaltungsverfahren BSG SozR 4-2600 § 115 Nr 2 RdNr 20 ff; Engelmann aaO RdNr 13) sowie auf die besondere Situation im Steuerrecht mit der dort üblichen Vertretung durch Bevollmächtigte steuerberatender Berufe, die ihre Postfächer an Sonnabenden generell nicht leerten. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es den Zweck der Zugangsvermutung herangezogen, für das steuerrechtliche Massenverfahren eine wenig verwaltungsaufwändige, praktikable, möglichst rechtssichere und möglichst streitvermeidende Form der Bekanntgabe von Verwaltungsakten zu eröffnen. Es würden eine Reihe von Problemen vermieden, mit denen die Rechtsprechung wiederholt befasst worden sei und die für die Beteiligten sachlich nicht erforderliche Zugangsschranken für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes bildeten. Diese Argumentation ist auf das Sozialrecht bereits deshalb nicht übertragbar, weil dort jedenfalls eine Bevollmächtigung der Sozialleistungsempfänger - etwa durch Rechtsanwälte - schon im Verwaltungsverfahren nicht die Regel ist (vgl BSG Urteil vom 9.12.2008 - B 8/9b SO 13/07 R - RdNr 12). Dass insofern im Steuerrecht in weitaus größerem Umfang als im Sozialrecht Streitfragen mit spezifisch berufsrechtlicher Fragestellung auftauchen, zeigen die vom BFH in Bezug genommenen zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen zu diesem Thema, die sämtlich Fälle der Vertretung durch einen Bevollmächtigten betreffen (BFHE 203, 26, 31). |
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| Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist nach § 67 SGG kommt nicht in Betracht. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Ein etwaiger Rechtsirrtum ihres Bevollmächtigten ist ihr als Verschulden zuzurechnen. Selbst wenn einzelne Sozialversicherungsträger eine abweichende Praxis haben, durfte der Bevollmächtigte sich hierauf nicht verlassen. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. |
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