Krankenkasse darf
Versicherten keine Prämien zahlen, wenn sie Leistungen in Anspruch
nehmen
Die beklagte Bundesrepublik Deutschland ist nicht
verpflichtet, eine Satzungsänderung der klagenden, bundesweit tätigen
Betriebskrankenkasse (BKK) zu genehmigen, die eine vom Umfang der in
Anspruch genommenen Leistungen abhängige Staffelung der Prämien für ihre
Versicherten vorsieht. Das hat der 1. Senat des Bundessozialgerichts
nach mündlicher Verhandlung am Dienstag, dem 22. Juni 2010 entscheiden.
Die Betriebskrankenkasse regelt in § 8a ihrer Satzung die
"Wahltarifprämienzahlung". Danach erhalten Mitglieder, die dort im
abgelaufenen Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine
Prämienzahlung, wenn sie und ihre mitversicherten Familienangehörigen
in diesem Kalenderjahr keine Leistungen in Anspruch genommen
haben. Die Inanspruchnahme von bestimmten Leistungen ist für die
Prämienzahlung unschädlich. Der Verwaltungsrat der
Betriebskrankenkasse beschloss im Jahr 2007, einen Nachtrag zur
Satzung einzufügen, wonach ärztliche oder zahnärztliche Behandlung mit
einer Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln im
Kalenderjahr die Prämienzahlung um 40 Euro mindert, zwei
entsprechende Verordnungen im Kalenderjahr die Prämie um 80 Euro
mindern und jede weitere Verordnung eine Prämienzahlung ausschließt. Das
Bundesversicherungsamt lehnte es als zuständige Aufsichtsbehörde ab, den
Satzungsnachtrag zu genehmigen. Zu Recht, wie nun das
Bundessozialgericht entschied, da die Staffelprämie gegen § 53 Abs 2 SGB V
verstößt. Das Gesetz bestimmt abschließend, dass nur die völlige
ganzjährige Nichtinanspruchnahme einschlägiger Leistungen zu
Prämienzahlungen berechtigt: Es gilt das "Alles oder Nichts-Prinzip". Es
waren keine Ausnahmen betroffen, deren Inanspruchnahme hierbei etwa aus
Gründen der Prävention, des Schutzes bei Schwanger- und Mutterschaft
oder aus Gründen des Minderjährigenschutzes "unberücksichtigt" zu
bleiben haben. Die Klägerin konnte auch keine Gleichbehandlung mit
anderen Krankenkassen hinsichtlich der Genehmigungspraxis einfordern.
Auf die europarechtlichen Wettbewerbsregeln für Unternehmen kann sie
sich schon im Ansatz nicht berufen, denn Krankenkassen sind auch heute
keine Unternehmen im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts. Ebenso
wenig gibt es einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.
Az.: B 1 A 1/09 R Daimler BKK ./.
Bundesrepublik Deutschland
Hinweis auf Rechtsvorschriften:
§ 53 Abs 1, 2 und 9 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Wahltarife
in der Fassung vom 26.3.2007 (BGBl I 378)
(1) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen,
dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der
Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt).
Die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen
vorzusehen.
(2) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für
Mitglieder, die im Kalenderjahr länger als drei Monate versichert
waren, eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre nach § 10
mitversicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu
Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. Die
Prämienzahlung darf ein Zwölftel der jeweils im Kalenderjahr
gezahlten Beiträge nicht überschreiten und wird innerhalb eines
Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied gezahlt. Die
im dritten und vierten Abschnitt genannten Leistungen mit Ausnahme
der Leistungen nach § 23 Abs 2 und den §§ 24 bis 24b sowie
Leistungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben, bleiben unberücksichtigt.
(9) Die Aufwendungen für jeden Wahltarif müssen aus
Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die durch diese
Maßnahmen erzielt werden, finanziert werden. Die Krankenkassen haben
regelmäßig, mindestens alle drei Jahre über diese Einsparungen
gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde Rechenschaft abzulegen.