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| Die Revision ist zulässig und begründet. Die Urteile des LSG und des SG sind insofern zu ändern, als auf die Revision der Klägerin die angefochtenen Bescheide der Beklagten insgesamt aufzuheben sind. Die Klägerin haftet nicht für die unbezahlten Beitragsschulden der N-GmbH gegenüber der Beklagten, auch nicht wegen des als Haftungsgrund alleine noch umstrittenen Baus der Reihenhäuser. |
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| Ermächtigungsgrundlage für die in die Berufsfreiheit nach Art 12 Abs 1 Grundgesetz eingreifenden Beitragsforderungen der Beklagten gegenüber dem klagenden Unternehmen ist § 168 Abs 1 SGB VII. Danach hat der Unfallversicherungsträger den Beitragspflichtigen den von ihnen zu zahlenden Betrag schriftlich mitzuteilen. Diese "Mitteilung" ist keine bloße Bekanntgabe einer "kraft Gesetzes" bestehenden Zahlungspflicht, sondern ein an den Beitragspflichtigen gerichtetes (vollstreckbares) Zahlungsgebot, dessen Wirksamkeit ua von der Schriftform abhängt. |
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| Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Eingriffsermächtigung lagen aber nicht vor. Denn die Klägerin war nicht "beitragspflichtig" im Sinne der Vorschrift. Wer zum Kreis der "Beitragspflichtigen" iS von § 168 Abs 1 SGB VII gehört, ergibt sich aus § 150 SGB VII. Danach ist beitragspflichtig auch, wer bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages im Baugewerbe der Beitragshaftung nach § 28e Abs 3a bis 3f SGB IV unterliegt (§ 150 Abs 3 Satz 1 Alternative 2 SGB VII). Dies ergibt sich aus dem seit dem 1.10.2009 aufgrund des Gesetzes vom 15.7.2009 (BGBl I S 1939) bis heute geltenden Wortlaut der Vorschrift unmittelbar. Für die Zeit vorher seit dem 1.8.2002 folgt dies aus der Auslegung des § 150 Abs 3 Alternative 2 SGB VII aF aufgrund des Gesetzes vom 23.7.2002 (BGBl I S 2787) in der schon angeführten früheren Revisionsentscheidung des Senats vom 27.5.2008 - B 2 U 21/07 R - in dieser Sache, nach der auf den Haftungsanspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht nur der Absatz 3a, sondern auch die Absätze 3b bis 3f des § 28e SGB IV anzuwenden sind (BSG aaO RdNr 16 ff). |
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| Die Voraussetzungen für eine Haftung der Klägerin für die Beitragsschulden der N-GmbH gegenüber der Beklagten nach § 28e Abs 3a bis 3f SGB IV sind jedoch nicht erfüllt, sodass die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten rechtswidrig und aufzuheben sind. |
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| Eine solche Beitragshaftung tritt zwar grundsätzlich ein, wenn ein vom Bauherrn mit der Erstellung eines Bauwerks beauftragter Unternehmer des Baugewerbes, wie die Klägerin, einen anderen Unternehmer, hier die N-GmbH, mit der Erbringung von Bauleistungen für dieses Bauwerk beauftragt. Er haftet dann grundsätzlich wie ein selbstschuldnerischer Bürge für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Nachunternehmers (§ 28e Abs 3a SGB IV). |
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| Die Beitragshaftung für Nachunternehmer wird jedoch ua begrenzt durch einen geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen nach § 28e Abs 3d SGB IV von 500 000 Euro seit dem 1.8.2002 und von 275 000 Euro seit dem 1.10.2009 (aufgrund des Gesetzes vom 15.7.2009, BGBl I S 1939). Diese Wertgrenze von früher 500 000 Euro und heute 275 000 Euro wird jedoch hinsichtlich der allein noch umstrittenen drei Reihenhäuser nicht erreicht, weil diese entgegen der Auffassung des LSG nicht ein Bauwerk im Sinne der Vorschrift bilden, sodass die Frage einer Exkulpation der Klägerin dahingestellt bleiben kann. |
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| Die Erstellung der drei Reihenhäuser im Auftragswert von je 210 000 Euro hat das LSG als ein Bauwerk angesehen, auch wenn nur zwei von einem und das dritte von einem anderen Bauträger "in Auftrag gegeben" worden sind, weil die drei Reihenhäuser unter "funktionellen Gesichtspunkten" eine Einheit bildeten. Auch wenn jedes Haus für sich allein existieren könne und eigene Versorgungsleitungen usw habe, sei jedoch die Errichtung eines Hauses notwendig durch die des anderen bedingt gewesen, weil sie an einer Straße mit Gefälle liegen würden, zunächst mit dem am tiefsten gelegenen Haus angefangen und dann nach oben weitergearbeitet worden sei (LSG-Urteil S 12 f). |
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| Dem kann nicht gefolgt werden. Grundlage für die Auslegung der maßgeblichen und in den Gesetzesmaterialien (vgl BR-Drucks 1086/01, BT-Drucks 14/8221, 16/12596) nicht weiter erläuterten Wendung "geschätzter Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen" muss deren Wortlaut sein. Aus dem Begriff "Bauwerk" alleine ist wenig herleitbar, da unter einem Bauwerk das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten, das eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll, zu verstehen ist (vgl § 99 Abs 3 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) und je nach Bauausführung usw sowohl ein einzelnes Reihenhaus als auch mehrere ein Bauwerk darstellen können. Der Verweis auf § 3 Vergabeverordnung (VgV) hilft ebenfalls wenig weiter, da er vor allem die Maßstäbe für die Schätzung des Bauwerks beinhaltet. Die Formulierung "für ein Bauwerk in Auftrag gegeben" hat jedoch nicht nur den Begriff Bauwerk als Bezugspunkt, sondern geht auch von einem Auftrag und damit von einem Vertrag aus. Auch die VgV nimmt auf einen Auftrag von einem Auftraggeber Bezug, nicht aber mehrere, in Beziehung zueinanderstehende Aufträge mehrerer Auftraggeber. |
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| Nach dem gesetzlichen Konzept ist also auf die zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen abzustellen und nicht auf die tatsächlichen Abläufe und funktionellen Gesichtspunkte des oder der Bauwerke. Für die Frage, für welches vom Hauptunternehmer in Ausführung eines Dienst- oder (hier) Werkvertrages mit dem Bauherrn (Bauträger) zu erstellende Bauwerk Bauleistungen von Nachunternehmern erbracht wurden, kommt es auf den Inhalt des Werk- oder Dienstvertrages zwischen dem Bauherrn und dem Hauptunternehmer an. Was dieser dem Bauherrn nach dem jeweiligen Vertrag bauen muss, ist das Bauwerk, zu dessen Fertigstellung er die Nachunternehmen heranzieht. |
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| Nicht entscheidend ist grundsätzlich, ob der Hauptunternehmer nach dem Vertrag zB die Errichtung eines Hauses oder mehrerer Häuser schuldet. In beiden Fällen liegt nur "ein" von ihm auszuführender (Dienst- oder) Werkvertrag iS des § 150 Abs 3 Satz 1 Alternative 2 SGB VII vor, der auf "ein Bauwerk" iS des § 28e Abs 3d Satz 1 SGB IV gerichtet ist. Erreicht die (zu schätzende) Summe aller für ein solches Bauwerk an Nachunternehmer in Auftrag gegebenen Bauleistungen den Grenzwert oder überschreitet sie ihn, gilt grundsätzlich die Beitragshaftung. Dies schließt es nicht aus, dass zwei Auftraggeber zusammen handelnd einen Vertrag mit einem Bauunternehmen über die Erstellung von mehreren Reihenhäusern als ein Bauwerk, das dann ggf oberhalb der Wertgrenze liegt, abschließen. |
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| Vorliegend haftet die Klägerin nicht nach § 28e Abs 3a SGB IV für die Erfüllung der Beitragspflicht des eingeschalteten Subunternehmers N-GmbH wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Der Gesamtwert der von der Klägerin an die N-GmbH aller "für ein Bauwerk" in Auftrag gegebenen Bauleistungen erreicht nicht die damals geltende Wertgrenze von 500 000 Euro nach § 28e Abs 3d Satz 1 SGB IV aF. Nach den von keinem Beteiligten gerügten Feststellungen des LSG gab es für jedes der drei Reihenhäuser, für die die Beitragshaftung der Klägerin für die N-GmbH allein noch umstritten ist, einen eigenen Bauauftrag. Diese Aufträge sind von zwei verschiedenen Bauherren erteilt worden. Selbst wenn die Aufträge des Bauherrn, der zwei Reihenhäuser bestellt hat, als für ein Bauwerk erteilt angesehen werden, wird die Wertgrenze von 500 000 Euro nicht erreicht, wenn die Einzelwerte für diese zwei Reihenhäuser von jeweils 210 000 Euro zusammengerechnet werden. |
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| Anhaltspunkte dafür, der Wert der Häuser sei im Vertrag zu niedrig angegeben worden, lagen nicht vor. Da es drei Aufträge mit zwei unterschiedlichen Auftraggebern waren, lag auch keine Aufteilung vor, um die Anwendung der Vergabeverordnung zu umgehen. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertentscheidung folgt aus § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz. |
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