Kassel, den 1.
März 2011
Medieninformation Nr.
10/11
Festbeträge für Cholesterinsenker sind rechtmäßig
Ein Versicherter und zwei Arzneimittelhersteller stritten
jeweils gegen die Festbetragsfestsetzung für das cholesterinsenkende
Arzneimittel Sortis. Es enthält den noch unter Patentschutz stehenden
Wirkstoff Atorvastatin, ein Statin. Statine dienen insbesondere dazu, den
LDL-Cholesterin-Spiegel im Blut zu senken. Sie hemmen die Wirkung des
Schlüsselenzyms für die körpereigene Cholesterinproduktion
(HMG-CoA-Reduktase). Sortis wurde Ende 1996 als Arzneimittel unter anderem
zur Anwendung bei primärer und kombinierter Hypercholesterinämie zugelassen.
Hierfür sind auch die übrigen Arzneimittel zugelassen, die als Wirkstoff
ein Statin enthalten.
Der Gemeinsame Bundesausschuss fasste diese Arzneimittel 2004
in einer Festbetragsgruppe zusammen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen
setzten mit Wirkung vom 1. Januar 2005 einen Festbetrag von 62,55 Euro für
cholesterinsenkende Arzneimittel fest (Gruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer).
Sie senkten den Festbetrag in der Folgezeit mehrfach ab: Mit Wirkung vom
1. April 2006 auf 59,42 Euro; mit Wirkung vom 1. Juli 2006 auf 36,61 Euro
und nach Änderung der Vergleichsgrößen in der betroffenen Festbetragsgruppe
mit Wirkung vom 1. Juni 2008 auf 13,48 Euro. Klage und Berufung der
pharmazeutischen Unternehmen und des Versicherten, der sich auf Sortis
angewiesen sieht und ohne Begrenzung auf den Festbetrag hiermit versorgt
werden will, sind ohne Erfolg geblieben.
Der 1. Senat des
Bundessozialgerichts hat am 1. März 2011 entschieden, dass die Festbeträge
für Cholesterinsenker rechtmäßig sind. Keiner der Kläger kann die Aufhebung
der Festbeträge verlangen. Die Festbetragsgruppe war zu Recht ausgehend vom
Inhalt der arzneimittelrechtlichen Zulassung gebildet. Bestünde eine
Studienlage, die für die Gruppenbildung bedeutsame Therapiehinweise,
Verordnungseinschränkungen oder ‑ausschlüsse rechtfertigte, wäre zwar diese
maßgeblich, eine solche liegt aber für Statine nicht vor. Die fünf
betroffenen Statine sind pharmakologisch-therapeutisch vergleichbar. Die
gebildete Festbetragsgruppe gewährleistet, dass Therapiemöglichkeiten nicht
eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur
Verfügung stehen. Sortis ist im Vergleich zu anderen Arzneimitteln der
Gruppe nicht vorteilhafter. Seine Wirkungsweise ist im Rechtssinne nicht
neuartig. Eine therapeutische Verbesserung durch Sortis ist nicht belegt.
Die ermittelten Vergleichsgrößen und die festgesetzten Festbeträge stehen
mit Bundesrecht in Einklang.
Aktenzeichen:
B 1 KR 7/10 R 1. P. Pharma GmbH, 2. P.-D. GmbH ./.
Spitzenverband Bund der Krankenkassen,
8 Beigeladene
B 1 KR 10/10 R Z. ./. Spitzenverband Bund der Krankenkassen,
7 Beigeladene
B 1 KR 13/10 R 1. P. Pharma GmbH, 2. P.-D. GmbH ./.
Spitzenverband Bund der Krankenkassen,
8 Beigeladene
Hinweis
zur Rechtslage
§ 35 SGB V
idF des GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) lautet auszugsweise:
(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den
Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr. 6, für welche Gruppen von
Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden können. In den Gruppen
sollen Arzneimittel mit
1. denselben Wirkstoffen,
2. pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen,
insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen,
3. therapeutisch vergleichbarer Wirkung, insbesondere
Arzneimittelkombinationen,
zusammengefasst werden; unterschiedliche Bioverfügbarkeiten
wirkstoffgleicher Arzneimittel sind zu berücksichtigen, sofern sie für
die Therapie bedeutsam sind. Die nach Satz 2 Nr. 2 und 3 gebildeten
Gruppen müssen gewährleisten, dass Therapiemöglichkeiten nicht
eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen
zur Verfügung stehen; ausgenommen von diesen Gruppen sind Arzneimittel
mit patentgeschützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist und
die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer
Nebenwirkungen, bedeuten. Als neuartig gilt ein Wirkstoff, solange
derjenige Wirkstoff, der als erster dieser Gruppe in Verkehr gebracht
worden ist, unter Patentschutz steht. Der Gemeinsame Bundesausschuss
ermittelt auch die nach Absatz 3 notwendigen rechnerischen mittleren
Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichsgrößen.
(1a) Für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen kann abweichend
von Absatz 1 Satz 4 eine Gruppe nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 mit
mindestens drei Arzneimitteln gebildet und ein Festbetrag festgesetzt
werden, sofern die Gruppenbildung nur für Arzneimittel erfolgt, die
jeweils unter Patentschutz stehen. Ausgenommen von der Gruppenbildung
nach Satz 1 sind Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen, die
eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen,
bedeuten.
(2) Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft
und Praxis sowie der Arzneimittelhersteller und der Berufsvertretungen
der Apotheker ist vor der Entscheidung des Gemeinsamen
Bundesausschusses Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei der
Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen sind
auch Stellungnahmen von Sachverständigen dieser Therapierichtungen
einzuholen. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(3) Die Spitzenverbände der Krankenkassen setzen gemeinsam und
einheitlich den jeweiligen Festbetrag auf der Grundlage von
rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten
Vergleichsgrößen fest. Die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam
können einheitliche Festbeträge für Verbandmittel festsetzen. Für die
Stellungnahmen der Sachverständigen gilt Absatz 2 entsprechend.
(4) …
(5) Die Festbeträge sind so festzusetzen, dass sie im allgemeinen eine
ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität
gesicherte Versorgung gewährleisten. Sie haben
Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, sollen einen wirksamen
Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an möglichst
preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten; soweit wie möglich
ist eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl
sicherzustellen. Die Festbeträge sind mindestens einmal im Jahr zu
überprüfen; sie sind in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte
Marktlage anzupassen. Der Festbetrag für die Arzneimittel in einer
Festbetragsgruppe nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 soll den höchsten
Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem
niedrigsten Preis und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht
übersteigen. Bei der Berechnung nach Satz 4 sind hochpreisige Packungen
mit einem Anteil von weniger als 1 vom Hundert an den verordneten
Packungen in der Festbetragsgruppe nicht zu berücksichtigen. Für die
Zahl der Verordnungen sind die zum Zeitpunkt des Berechnungsstichtages
zuletzt verfügbaren Jahresdaten des Arzneimittelindexes der
gesetzlichen Krankenversicherung zu Grunde zu legen.
§ 35 SGB V
idF des AVWG vom 26.4.2006 (BGBl I 984) lautet auszugsweise (Änderungen
fett):
(1) …
Die nach Satz 2 Nr. 2 und 3 gebildeten Gruppen müssen gewährleisten,
dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch
notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen; ausgenommen
von diesen Gruppen sind Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen,
deren Wirkungsweise neuartig ist oder die eine therapeutische
Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten. Als
neuartig gilt ein Wirkstoff, solange derjenige Wirkstoff, der als erster
dieser Gruppe in Verkehr gebracht worden ist, unter Patentschutz steht.
Der Gemeinsame Bundesausschuss ermittelt auch die nach Absatz 3
notwendigen rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder
anderen geeigneten Vergleichsgrößen. Für die Vorbereitung der
Beschlüsse nach Satz 1 durch die Geschäftsstelle des Gemeinsamen
Bundesausschusses gilt § 106 Abs 4a Satz 3 und 7 entsprechend. Soweit
der Gemeinsame Bundesausschuss Dritte beauftragt, hat er zu
gewährleisten, dass diese ihre Bewertungsgrundsätze und die Begründung
für ihre Bewertungen einschließlich der verwendeten Daten offen legen.
Die Namen beauftragter Gutachter dürfen nicht genannt werden.
(1a) …
Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Arzneimittelkombinationen,
die Wirkstoffe enthalten, die in eine Festbetragsgruppe nach Absatz 1
oder 1a Satz 1 einbezogen sind oder die nicht neuartig sind.
(1b) Eine therapeutische Verbesserung nach
Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz und Absatz 1a Satz 2 liegt vor, wenn
das Arzneimittel einen therapierelevanten höheren Nutzen als andere
Arzneimittel dieser Wirkstoffgruppe hat und deshalb als zweckmäßige
Therapie regelmäßig oder auch für relevante Patientengruppen oder
Indikationsbereiche den anderen Arzneimitteln dieser Gruppe vorzuziehen
ist. Bewertungen nach Satz 1 erfolgen für gemeinsame Anwendungsgebiete
der Arzneimittel der Wirkstoffgruppe. Ein höherer Nutzen nach Satz 1
kann auch eine Verringerung der Häufigkeit oder des Schweregrads
therapierelevanter Nebenwirkungen sein. Der Nachweis einer
therapeutischen Verbesserung erfolgt aufgrund der Fachinformationen und
durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der
evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind
oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards
entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte
Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit
patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und
Lebensqualität, zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der Bewertung sind in
der Begründung zu dem Beschluss nach Absatz 1 Satz 1 fachlich und
methodisch aufzubereiten, sodass die tragenden Gründe des Beschlusses
nachvollziehbar sind. Vor der Entscheidung sind die Sachverständigen
nach Absatz 2 auch mündlich anzuhören. Vorbehaltlich einer abweichenden
Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses aus wichtigem Grund ist
die Begründung des Beschlusses bekannt zu machen, sobald die Vorlage
nach § 94 Abs 1 erfolgt, spätestens jedoch mit Bekanntgabe des
Beschlusses im Bundesanzeiger. Ein Arzneimittel, das von einer
Festbetragsgruppe freigestellt ist, weil es einen therapierelevanten
höheren Nutzen nur für einen Teil der Patienten oder Indikationsbereiche
des gemeinsamen Anwendungsgebietes nach Satz 1 hat, ist nur für diese
Anwendungen wirtschaftlich; das Nähere ist in den Richtlinien nach § 92
Abs 1 Satz 2 Nr. 6 zu regeln.
(5)
Die Festbeträge sind so festzusetzen, daß sie im
allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in
der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten. Sie haben
Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, sollen einen wirksamen
Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an möglichst
preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten; soweit wie möglich
ist eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl
sicherzustellen. Die Festbeträge sind mindestens einmal im Jahr
zu überprüfen; sie sind in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte
Marktlage anzupassen. Der Festbetrag für die
Arzneimittel in einer Festbetragsgruppe nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 sowie
erstmals zum 1. April 2006 auch nach den Nummern 2 und 3 soll den
höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem
niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht
übersteigen. Dabei müssen mindestens ein Fünftel aller Verordnungen und
mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sein;
zugleich darf die Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen
und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich sind, den Wert von
160 nicht überschreiten. Bei der Berechnung nach Satz 4 sind
hochpreisige Packungen mit einem Anteil von weniger als 1 vom Hundert an
den verordneten Packungen in der Festbetragsgruppe nicht zu
berücksichtigen. Für die Zahl der Verordnungen sind die zum Zeitpunkt
des Berechnungsstichtages zuletzt verfügbaren Jahresdaten des
Arzneimittelindexes der gesetzlichen Krankenversicherung zu Grunde zu
legen.
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