Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 11. Senats vom 6.12.2012 - B 11 AL 15/11 R -, Urteil des 4. Senats vom 2.4.2014 - B 4 AS 27/13 R -, Urteil des 4. Senats vom 2.4.2014 - B 4 AS 29/13 R -, Urteil des 14. Senats vom 14.2.2013 - B 14 AS 195/11 R -, Urteil des 4. Senats vom 2.4.2014 - B 4 AS 26/13 R -, Urteil des 14. Senats vom 22.8.2013 - B 14 AS 75/12 R -
Kassel, den 2. April 2014
Terminbericht Nr. 12/14
(zur Terminvorschau Nr. 12/14)
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 2. April 2014.
1) Die Revisionen der Kläger waren erfolglos.
Sie haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts vor dem 9.2.2009. Es mangelt insoweit an einem Antrag
auf Alg II/Sozialgeld. Weder haben sie einen derartigen Antrag vor
diesem Zeitpunkt bei dem Beklagten gestellt, noch umfasste der bei der
Arbeitsagentur am 22.12.2008 gestellte Antrag des Klägers zu 1 auf
Arbeitslosengeld nach dem SGB III zugleich einen solchen der
Bedarfsgemeinschaft auf Leistungen nach dem SGB II. Nach der für den
Senat bindenden Auslegung dieses Antrags durch das LSG war er im
konkreten Fall ausschließlich auf das Arbeitslosengeld nach dem SGB III
gerichtet. Auch vermochte sich der erkennende Senat nicht der
Rechtsauffassung der Kläger anzuschließen, dass unter genereller
Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes ein Arbeitslosengeldantrag
nach dem SGB III immer auch einen solchen auf die Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II umfasse. Arbeitslosengeld
und Alg II/Sozialgeld unterscheiden sich im Hinblick auf
Anspruchsvoraussetzungen, Leistungssystem und -verantwortung
grundlegend.
Ebenso
wenig bewirkt der am 9.2.2009 bei dem Beklagten gestellte Antrag auf
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ‑ als
nachgeholter Antrag iS des § 28 SGB X ‑ eine Rückwirkung des
Antragszeitpunkts auf den 1.1.2009. Die hier vorliegende
Fallkonstellation, in der die andere Sozialleistung ‑ das
Arbeitslosengeld nach dem SGB III ‑ nicht versagt worden ist, sondern
bewilligt wurde und "nur" nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt der
Bedarfsgemeinschaft sicherzustellen, unterfällt dieser Regelung nicht.
Nach den
Feststellungen des LSG können die Kläger ihr Begehren auch nicht auf den
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Die Arbeitsagentur hat
nicht gegen die ihr obliegende Beratungspflicht iS der §§ 14, 15 SGB I
verstoßen.
SG
Lüneburg
- S 40 AS 1202/09 -
LSG
Niedersachsen-Bremen - L 13 AS 200/11 -
Bundessozialgericht
- B 4 AS 29/13 R -
2) Auf die Revision
des Beklagten wurde das LSG-Urteil aufgehoben und das Urteil des SG
unter Klageabweisung im Übrigen insoweit geändert, als der Beklagte
unter Berücksichtigung der angefochtenen Kostenfestsetzung weitere
Aufwendungen für die Widerspruchsverfahren iHv 28,56 Euro zu erstatten
hat. Der Kläger und seine Lebensgefährtin können höhere
Rechtsanwaltskosten beanspruchen, jedoch nicht in der von den
Vorinstanzen zugesprochenen Höhe, weil es sich bei den
Widerspruchsverfahren gegen die Aufhebung und Erstattung der
SGB II-Leistungen für den Monat Mai 2008 um "dieselbe Angelegenheit" im
gebührenrechtlichen Sinne des § 7 Abs 1 RVG sowie des § 15 Abs 2 S 1 RVG
aF mit einer Erhöhungsgebühr nach Nr 1008 VV RVG handelt.
Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate
des BSG haben bereits in früheren Entscheidungen darauf hingewiesen,
dass es sich auch bei den hier geltend gemachten Individualansprüchen
nach dem SGB II um "dieselbe Angelegenheit" iS des RVG handeln kann.
Dies gilt auch dann, wenn mehrere Aufträge verschiedener Auftraggeber
verschiedene Ansprüche und insoweit getrennte Prüfaufgaben beinhalten.
Unter Berücksichtigung der maßgebenden Umstände des Einzelfalls ist der
Senat von "derselben Angelegenheit" ausgegangen, weil die
Widerspruchsverfahren auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt, nämlich
der zeitgleichen Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhaltes für sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
aus dem alleinigen "Rechtswidrigkeitsgrund" des Bezugs von Krankengeld
beruhen und zudem bei der Aufhebung der Bewilligung wegen der Erzielung
von Einkommen keine Prüfung von subjektiven Aufhebungsvoraussetzungen,
etwa der Verletzung von Mitwirkungspflichten, erforderlich ist.
SG Dresden
- S 23 AS 3707/09 -
Sächsisches LSG
- L 3 AS 1118/11 -
Bundessozialgericht
- B 4 AS 27/13 R -
3) Auf die Revision
des Beklagten ist das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung gegen
den Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen worden. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf ergänzende Leistungen für Unterkunft und Heizung als
Zuschuss oder Darlehen gegen den Beklagten oder den beigeladenen
Sozialhilfeträger im streitigen Zeitraum.
Er war als Studierender an einer Hochschule von Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II ausgeschlossen. Auch
§ 22 Abs 7 SGB II aF scheidet als Anspruchsgrundlage für sein Begehren
aus. Der Kläger erfüllt bereits die persönlichen Voraussetzungen der
Vorschrift nicht.
Dem
Kläger steht schließlich auch kein Leistungsanspruch gegen den Beklagten
auf Grundlage der Eingliederungsvereinbarung zu. Die getroffenen
Regelungen sind unabhängig von der Einordnung der Rechtsqualität der
Eingliederungsvereinbarung nichtig. Soweit die
Eingliederungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu
bewerten sein sollte ‑ wozu der Senat in Fortsetzung der Rechtsprechung
von 11. und 14. Senat des BSG neigt (vgl BSG Urteil vom 6.12.2012
- B 11 AL 15/11 R - BSGE 112, 241 = SozR 4-1300 § 59 Nr 1, RdNr 20; BSG
Urteil vom 4.2.2013 - B 14 AS 195/11 R - SozR 4-4200 § 15 Nr 2, RdNr 18,
BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 75/12 R - zur Veröffentlichung in
SozR und BSGE vorgesehen, juris RdNr 19) ‑, folgt dies aus dem
Vertragsformverbot des § 53 Abs 1 S 1 Halbs 2 SGB X Mit einer
Eingliederungsvereinbarung dürfen nach § 15 Abs 1 SGB II nur
Eingliederungsleistungen, nicht jedoch Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts geregelt werden. Selbst wenn man die
Eingliederungsvereinbarung nicht als öffentlich-rechtlichen Vertrag
bewerten wollte, ergäbe sich das selbe Ergebnis. Erblickte man in ihr
einen Verwaltungsakt in der Gestalt einer Zusicherung nach § 34 SGB X,
wäre diese nach § 40 SGB X ebenfalls nichtig. Die bei Vorliegen der
gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen unbedingte Gewährung von
existenzsichernden Leistungen ist hier von der unzulässigen Erbringung
einer Gegenleistung ‑ der Absolvierung eines Studiums und dessen
Abschluss ‑ abhängig gemacht worden.
Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Gewährung der ungedeckten
Leistungen für Unterkunft und Heizung als Darlehensleistung gemäß § 22
Abs 1 S 1 iVm § 7 Abs 5 S 2 SGB II gegen den Beklagten zu. Insoweit
mangelt es bereits ‑ für den BAföG im Höchstsatz beziehenden Kläger ‑ an
einem besonderen Härtefall.
Ein Anspruch gegen die Beigeladene scheitert daran, dass der beklagte
Grundsicherungsträger nach § 44a Abs 1 S 3 SGB II aF für die
Leistungserbringung bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle
zuständig war und im Übrigen auch keine Härtegründe iS des § 22 Abs 1
S 2 SGB XII vorlagen.
SG Hamburg
- S 44 AS 828/09 -
LSG
Hamburg
- L 4 AS 240/10 -
Bundessozialgericht
- B 4 AS 26/13 R -