Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 1. Senats vom 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R -
Medieninformation Nr. 28/12
Die Erhöhung der
"Mindestmenge" zu behandelnder Frühgeborener mit Geburtsgewicht unter
1250 Gramm von 14 auf 30 Geburten pro Jahr für Krankenhäuser ist nichtig
Zu Recht ist der
beklagte Gemeinsame Bundesausschuss davon ausgegangen, dass die
Behandlung Frühgeborener mit Geburtsgewicht unter 1250 Gramm eine
planbare Leistung darstellt, für die er verfassungskonform Mindestmengen
beschließen darf. Er durfte auch annehmen, dass die Qualität des
Behandlungsergebnisses Frühgeborener mit Geburtsgewicht unter 1250 Gramm
in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen in einer
Abteilung abhängig ist. Es handelt sich um hochkomplexe medizinische
Leistungen, bei denen die mit wissenschaftlichen Belegen untermauerte
Erwartung berechtigt ist, dass die Güte der Leistungserbringung
hinsichtlich der Mortalitätsrate in besonderem Maße auch von der
Erfahrung und Routine der mit der jeweiligen Versorgung betrauten
Krankenhauseinheit beeinflusst ist.
Der Beklagte
überschritt indes mit der Erhöhung der Mindestmenge seinen
Beurteilungsspielraum. Die neuere Studienlage rechtfertigt die
beschlossene Erhöhung der Mindestmenge nicht. Die Mortalitätsrate
Frühgeborener sinkt nicht linear mit steigender Zahl behandelter Kinder.
Vielmehr behandelten 56 % der Abteilungen mit einer jährlichen Fallzahl
von mindestens 30 die Frühgeborenen mit überdurchschnittlicher Qualität
risikoadjustierter Mortalität, aber auch immerhin 44 % der Abteilungen
mit einer Fallzahl von 14 bis 29 Frühgeborenen. Insoweit kommt bei der
umstrittenen Erhöhung der Mindestmenge in Betracht, dass in einzelnen
Regionen Deutschlands durch die Erhöhung der Mindestmenge die
Behandlungsqualität insgesamt sinkt. Der Beklagte hat diesbezüglich in
der angegriffenen Regelung keine Ausnahmetatbestände geschaffen, die
solche Folgen verhindern. Er ist auch nicht der Anregung gefolgt, durch
eine Begleitevaluation die Grundlagen für eine Veränderung der
Mindestmengenregelung zu vertiefen. Der Beklagte verfügt zur Beschaffung
und Auswertung der hierfür erforderlichen Daten inzwischen über ein
umfassendes Rechtsinstrumentarium. Nutzt er dies, kommt auf der Basis
spezifischerer Erkenntnisse eine Veränderung der Mindestmengenregelung
in Betracht, die eine Qualitätsverbesserung ohne Gefahr regionaler
Qualitätsminderung erwarten lässt.
Az.: B 1 KR 34/12 R
Klinikum Hildesheim GmbH ./. GBA
Hinweis auf Rechtsvorschriften:
Auszug aus § 137 Abs. 3 SGB V (idF durch
Art. 3 Nr. 7a Buchst. b KHRG v. 17.3.2009 BGBl I 534 mWv 25.3.2009):
(3) Der Gemeinsame Bundesausschuss fasst
für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle
Patienten auch Beschlüsse über …
2. einen Katalog planbarer Leistungen
nach den §§ 17 und 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, bei
denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von
der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen
für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und
Ausnahmetatbestände, ….
Wenn die nach Satz 1 Nr. 2 erforderliche
Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht
wird, dürfen entsprechende Leistungen nicht erbracht werden. Die für
die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde kann Leistungen aus
dem Katalog nach Satz 1 Nr. 2 bestimmen, bei denen die Anwendung von
Satz 2 die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der
Bevölkerung gefährden könnte; sie entscheidet auf Antrag des
Krankenhauses bei diesen Leistungen über die Nichtanwendung von Satz
2.