Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 2. Senats vom 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R -, Urteil des 2. Senats vom 19.12.2013 - B 2 U 1/13 R -, Urteil des 2. Senats vom 19.12.2013 - B 2 U 14/12 R -, Urteil des 2. Senats vom 19.12.2013 - B 2 U 5/13 R -
Kassel, den 9. Dezember 2013
Terminvorschau Nr. 63/13
Der für Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung zuständige 2. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 19. Dezember 2013 im Elisabeth-Selbert-Saal über fünf Revisionen nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden.
1) 10.00 Uhr - B 2 U 17/12 R -
P.E.E. ./. BG Handel und Warendistribution
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte
Anspruch auf Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) von 25 vH statt bisher 20 vH hat.
Der Kläger erlitt 1993 einen Arbeitsunfall, als ihm bei Ladearbeiten
eine Kartonecke gegen das rechte Auge prallte. Dies führte zu einer
Einschränkung der Sehschärfe auf dem betroffenen Auge, die im Juni 1996
rechts 0,063 (nach Korrektur 0,16) und links 1,0 betrug. Die Beklagte
bewilligte deshalb Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 vH.
Im Juni 2002 machte
der Kläger eine Verschlechterung der Unfallfolgen geltend. Die
augenärztliche Begutachtung ergab, dass das rechte Auge inzwischen
funktionell erblindet war, die MdE betrage nunmehr 25 vH. Die Beklagte
lehnte in dem Bescheid vom 12.9.2002 die Gewährung höherer
Verletztenrente ab, weil eine wesentliche Änderung iS des § 73 Abs 3
SGB VII nicht eingetreten sei. Nach dieser Norm sei erforderlich, dass
sich die MdE um mehr als 5 vH geändert habe.
Im Dezember 2007 beantragte der Kläger, den "Anspruch auf Rente …
hinsichtlich der Herabsetzung der Sehschärfe des rechten Auges ab dem
23.8.2002 zu erhöhen". Die Beklagte verstand dies als Antrag auf
Rücknahme des Bescheids vom 12.9.2002 und lehnte diesen ab. Die
Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheids vom 12.9.2002 lägen
nicht vor, weil dieser nicht rechtswidrig gewesen sei. Die dagegen zum
SG erhobene Klage hatte Erfolg. Das SG verurteilte die Beklagte, dem
Kläger ab 1.1.2003 Verletztenrente nach einer MdE von 25 vH zu zahlen.
Es liege eine Gerechtigkeitslücke und eine Verletzung des
Gleichheitssatzes vor, wenn der Unfallverletzte, bei dem zunächst eine
MdE von 20 vH festzusetzen war und der erst später erblinde, nicht in
den Genuss einer Rente nach einer MdE von 25 vH kommen könne. Auf die
Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die
Klagen abgewiesen. Mit dem Eintritt der Erblindung des rechten Auges sei
keine wesentliche Änderung der MdE im Rechtssinne eingetreten. Hierfür
sei nach § 73 Abs 3 SGB VII eine Änderung um mehr als 5 vH
erforderlich. Der Kläger werde dadurch nicht gleichheitswidrig
benachteiligt.
Der
Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Es liege eine
"offensichtliche" Gerechtigkeitslücke vor, wenn er keine Rente nach
einer MdE von 25 vH erhalte. Anspruch auf höhere Rente bestehe auch
aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.
SG Kassel
- S 2 U 47/08 -
Hessisches
LSG
- L 3 U 51/12 -
2) 11.00
Uhr - B 2 U 14/12 R - A.F.
./. Verwaltungs-BG
Der Kläger begehrt die Anerkennung seines in Kasachstan erlittenen
Unfalls als Arbeitsunfall.
Der Kläger schloss im November 2007 mit der E. D. GmbH einen
Arbeitsvertrag als Montageleiter auf einer Baustelle in Kasachstan, der
mit dem Abschluss dieser Baustelle enden sollte. Nach einer Anfrage der
Personalreferentin der Arbeitgeberin des Klägers übersandte die Beklagte
der Arbeitgeberin einen Aufsatz "Versicherungsschutz bei Tätigkeiten im
Ausland". Form und Inhalt der Anfrage der Arbeitgeberin sowie die
Aussagen der Mitarbeiter der Beklagten sind nicht geklärt. Der Kläger
selbst hatte keinen Kontakt zur Beklagten. Die Arbeitgeberin stellte
keinen Antrag auf Aufnahme in die freiwillige
Auslandsunfallversicherung.
Am 2.12.2009 knickte der Kläger in Kasachstan bei einem in der Absicht,
die Baustelle aufzusuchen, zurückgelegten Weg mit dem Fuß auf einem mit
Schnee bedeckten Weg um und zog sich eine Sprunggelenksfraktur zu. Er
wurde zunächst in Kasachstan und ab 14.12.2009 in Deutschland zu Lasten
der Beklagten behandelt.
Die Beklagte lehnte "die Gewährung von Entschädigungsleistungen"
aufgrund des Unfalls vom 2.12.2009 ab. Der Kläger gehöre nicht zum Kreis
der versicherten Personen. Die Voraussetzungen einer Ausstrahlung nach
§ 4 SGB IV seien nicht erfüllt. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.
Der Kläger rügt mit der
Revision, das LSG habe einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch
annehmen müssen. Seine Arbeitgeberin sei bei seiner Einstellung mit der
schwierigen Materie des Unfallversicherungsschutzes im Ausland nicht
vertraut gewesen und habe sich deshalb an die Beklagte gewandt. Diese
habe seine Arbeitgeberin telefonisch dahingehend beraten, dass er
während der Tätigkeit in Kasachstan versichert sei. Im Vertrauen darauf
habe seine Arbeitgeberin davon abgesehen, eine
Auslandsunfallversicherung abzuschließen. Zwar sei nicht er selbst
(unrichtig) beraten worden, es komme aber der Arbeitgeberin zu, zu
seinen Gunsten den Auslandsversicherungsschutz zu beantragen und sich
insoweit für ihn beraten zu lassen.
SG Speyer
- S 12 U 146/10 -
LSG
Rheinland-Pfalz
- L 2 U 337/10 -
3) 12.00 Uhr
- B 2 U 23/12 R - M.S.-A. ./.
Unfallkasse Nord
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe einer Verletztenrente streitig.
Die 1954 geborene
Klägerin erlitt 1986 als Studentin der Fachhochschule (FH) Hamburg im
Studiengang Bioingenieurwesen einen Wegeunfall. Wegen der Folgen dieses
Unfalls stellte die Beklagte für die Zeit ab 1.6.1988 eine
Verletztenrente auf Dauer nach einer MdE von 30 vH und einem
Jahresarbeitsverdienst (JAV) von 21.290,12 DM fest. Am 7.2.1992 wurde
der Klägerin der Grad einer Diplom-Ingenieurin (FH) im Studiengang
Technische Informatik verliehen. Das von ihr angestrebte Berufsziel
einer Ingenieurin für Medizintechnik hatte sie nicht erreicht. Daraufhin
setzte die Beklagte durch Bescheid vom 30.10.2001 die Verletztenrente
mit Wirkung ab 1.9.1990 nach einem JAV von 33.214,27 DM neu fest. Auf
den hiergegen verspätet eingelegten Widerspruch lehnte die Beklagte es
ab, die Verletztenrente nach § 44 SGB X auf der Grundlage eines höheren
JAV neu festzustellen (Bescheid vom 17.4.2002; Widerspruchsbescheid vom
16.5.2003).
Das SG
hat die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufgehoben und die
Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 30.10.2001 abzuändern sowie die
Verletztenrente nach einem JAV von 43.454,16 DM ab 1.10.1988 neu
festzustellen. Soweit ein darüber hinausgehender JAV von 57.024 DM
bereits für die Zeit ab 1.4.1988 geltend gemacht worden war, hat es die
Klage abgewiesen. Das LSG hat das Urteil des SG dahingehend abgeändert,
dass der Verletztenrente ab 1.10.1988 ein JAV von 49.123,20 DM zugrunde
zu legen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Höhe des JAV richte
sich nach den zum 1.1.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des § 90
Abs 1 iVm § 214 Abs 2 Satz 1 SGB VII, weil über die begehrte
Neufestsetzung noch nicht beendend entschieden worden sei. Danach sei
der JAV auf der Grundlage des für Personen gleicher Ausbildung und
gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehenen Arbeitsentgelts von dem
Zeitpunkt an neu festzusetzen, in dem die Ausbildung ohne den
Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Die Klägerin
hätte ihre Berufsausbildung nach der Entscheidung des SG voraussichtlich
am 30.9.1988 abgeschlossen, so dass eine Neufestsetzung des JAV ab
1.10.1988 in Betracht komme. Für die von ihr angestrebte Tätigkeit einer
Ingenieurin für Medizintechnik sei der zu diesem Stichtag für die
Metallindustrie in Hamburg geltende Tarifvertrag maßgebend, weil die
Medizintechnik produzierenden Unternehmen überwiegend zur
Tarifgemeinschaft Metall gehörten. Entscheidend sei nicht der berufs-,
sondern der branchenspezifische Tarifvertrag. Zudem sei auf den Ort der
Ausbildungsstätte abzustellen. Für einen bundesweiten
Günstigkeitsvergleich sei im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des § 90
Abs 1 SGB VII kein Raum. Der Metalltarifvertrag sehe für Personen
gleicher Ausbildung und gleichen Alters wie die Klägerin einen JAV von
49.123,20 DM vor. Wegen der vorgesehenen tariflichen Entlohnung komme es
auf ein evtl günstigeres ortsübliches Arbeitsentgelt nicht an.
Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung
des § 214 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Neufestsetzung des JAV bestimme sich
nicht nach § 90 Abs 1 SGB VII, sondern nach § 573 Abs 1 RVO.
Systematisch konsequent sei die Auslegung der Übergangsregelung nur
dann, wenn neues Recht für alte Versicherungsfälle gelte, soweit die
Tatbestandsvoraussetzungen erstmals nach dem Inkrafttreten des neuen
Rechts erfüllt würden. Nach der Rechtsprechung des BSG bestimme die
günstigste Entlohnung die Neufestsetzung. Die an Ingenieure für
Medizintechnik gezahlten Anfangsgehälter dürften deutlich über den
günstigsten Tarifen gelegen haben.
SG Berlin
- S 69 U 343/03 -
LSG
Berlin-Brandenburg
- L 2 U 212/06 -
4) 13.00 Uhr - B
2 U 5/13 R - Dr. T.M.
./.Unfallkasse Rheinland-Pfalz
Die Beteiligten
streiten über die Höhe des JAV als Grundlage für die Berechnung der
Verletztenrente der Klägerin.
Die 1974 geborene Klägerin erlitt 1996 als Studentin der Universität K.
einen Sportunfall, bei dem sie sich eine Verletzung des rechten
Kniegelenks zuzog. Die Beklagte bewilligte der Klägerin aufgrund des
Arbeitsunfalls nach einem Teilanerkenntnis in einem späteren SG-Prozess
eine Verletztenrente ab dem 18.04.2005 nach einer MdE in Höhe von 20 vH.
Hierbei legte sie den Mindestjahresarbeitsverdienst in Höhe von
16.576,22 € als JAV zugrunde (Bescheid vom 20.01.2006). Anschließend bat
die Beklagte die Klägerin zwecks Überprüfung des JAVs nach Abschluss der
Schul- bzw Berufsausbildung um eine chronologische Aufstellung des
bisherigen schulischen und beruflichen Werdeganges. Mit Bescheid vom
10.02.2009 nahm die Beklagte dann die erste Bewilligung teilweise zurück
und berechnete die Rente rückwirkend ab 18.4.2005 nach einem JAV von
28.609,17 € neu. Sofern keine tariflichen Regelungen bestünden, sei nach
§ 90 Abs 2 SGB VII das Arbeitsentgelt maßgeblich, das für derartige
Tätigkeiten am Beschäftigungsort gezahlt werde. Die Berechnung des JAV
sei auf der Grundlage einer Eingruppierung in die Vergütungsgruppe Vb
B/L des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) erfolgt, der Widerspruch
blieb erfolglos. Die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen habe
die Ansicht vertreten, dass die Einstellungsvoraussetzungen für den
höheren Dienst nicht erfüllt seien. Der von der Klägerin in Schottland
erreichte Universitätsabschluss des Masters of Science nach sieben
Semestern rechtfertige lediglich eine Einstellung in den gehobenen
Dienst. Die anschließende Promotion stelle eine eigenständige
Qualifikation dar, die unberücksichtigt zu bleiben habe.
Das SG hat die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide verurteilt, den
JAV der Klägerin aufgrund einer Eingruppierung in den höheren Dienst neu
festzusetzen. Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass die Beklagte höhere Verletztenrente unter
Zugrundelegung eines JAV nach BAT IIa zu gewähren habe. Zutreffend habe
die Beklagte § 90 Abs 2 SGB VII iVm § 214 Abs 2 Satz 1 SGB VII als
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung des JAV herangezogen. Der
Neuberechnung des JAV der Klägerin sei vorliegend das Arbeitsentgelt
zugrunde zu legen, das für Personen ihres Alters und ihrer Ausbildung
durch den im maßgebenden Zeitpunkt, April 1996, geltenden BAT in
Vergütungsgruppe BAT IIa vorgesehen gewesen sei. Die Eingruppierung
richte sich gemäß § 22 Abs 1 S 1 BAT nach den Tätigkeitsmerkmalen der
Vergütungsordnung (Anlagen 1a und 1b). Im Fall der Klägerin sei von
einer abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulausbildung auszugehen.
Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin zunächst ein
Diplom-Studium an einer deutschen technischen Hochschule mit einer
Regelstudienzeit von mehr als sieben Semestern aufgenommen habe, dessen
erfolgreicher Abschluss ‑ unabhängig von der Anzahl der tatsächlich
studierten Semester ‑ ihr die Einstellung in den höheren Dienst bzw in
Vergütungsgruppe BATIIa ermöglicht hätte. Auch wenn die Klägerin keinen
Abschluss als Diplom-Mathematikerin an einer deutschen Universität
erlangt habe, sei ihre Ausbildung an der Universität K. vom
Wintersemester 1993/1994 bis einschließlich Sommersemester 1996 sowie
ihr Studium an der Universität S. in Schottland im Wintersemester
1996/1997 sowie im Sommersemester 1997, das sie mit dem Master of
Science abschloss, so zu bewerten, als habe sie an einer deutschen
Universität ein Diplom in Mathematik erreicht. Die Klägerin habe acht
Semester vollwertig studiert. Im Übrigen habe sie anschließend
promoviert und arbeite jetzt als Gymnasiallehrerin im höheren Dienst.
Der Anspruch der Klägerin auf höhere Verletztenrente sei hinsichtlich
des JAV an § 90 Abs 2 SGB VII, nicht an § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII zu
messen. § 90 Abs 2 SGB VII baue nicht auf der Vorschrift des § 90 Abs 1
Satz 1 SGB VII auf, so dass zunächst die Tatbestandsvoraussetzungen des
§ 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII erfüllt sein müssten, um den Anwendungsbereich
des § 90 Abs 2 SGB VII zu eröffnen. Voraussetzung für die Neufestsetzung
nach § 90 Abs 2 SGB VII sei lediglich, dass der Versicherte bei Eintritt
des Versicherungsfalls das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt
habe.
Mit ihrer
Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 90 Abs 2 SGB VII. Bei
der Klägerin liege keine abgeschlossene wissenschaftliche Ausbildung
vor, die eine Einstellung in den höheren Dienst bzw eine Eingruppierung
nach BAT IIa rechtfertige. Die Einschätzungen des LSG hierzu seien
lebensfremd und gingen an der akademischen Wirklichkeit vorbei. Das BSG
habe am 18.09.2012 ‑ allerdings nur zu § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII ‑
entschieden, dass eine höhere Verletztenrente dann nicht in Betracht
komme, wenn die Ausbildung planmäßig und ohne Verzögerung beendet worden
sei. Dies müsse auch für § 90 Abs 2 SGB VII gelten, denn § 90 Abs 2
SGB VII baue auf § 90 Abs 1 SGB VII auf.
SG Speyer
- S 12 U 266/09 -
LSG
Rheinland-Pfalz
- L 2 U 40/11 -
5) 14.00 Uhr
- B 2 U 1/13 R - S.K.
./. Unfallkasse Post und Telekom
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der im Anschluss an eine
vorläufige Entschädigung zu zahlenden Verletztenrente streitig.
Die Klägerin erlitt am 15.7.1999 bei ihrer versicherten Tätigkeit als
Postzustellerin einen Autounfall. Bis zum 29.10.2001 erhielt sie
Verletztengeld. Im Bescheid vom 20.12.2001 stellte die Beklagte
Gesundheitsschäden als Folgen des Arbeitsunfalles fest und gewährte als
vorläufige Entschädigung ab 30.10.2001 eine Verletztenrente nach einer
MdE von 70 vH. Nach Einholung von Gutachten entschied die Beklagte in
einem der Klägerin am 12.7.2002 zugegangenen Bescheid vom 11.7.2002,
dass anstelle der als vorläufige Entschädigung gezahlten Rente ab
1.8.2002 eine Rente auf unbestimmte Zeit lediglich nach einer MdE von
35 vH gezahlt werde. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend,
es sei eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes eingetreten.
Weiterhin sei die bislang als vorläufige Entschädigung gewährte Rente
nunmehr als Dauerrente nach einer MdE von 70 vH weiter zu gewähren, weil
nicht binnen drei Jahren nach dem Unfallereignis, sondern erst zum
1.8.2002 die erstmalige Feststellung der Rente erfolgt sei. Der
Widerspruch blieb ohne Erfolg.
Das SG hat die Klage gegen diese Bescheide der Beklagten sowie gegen
eine die Anerkennung weiterer Unfallfolgen betreffende Entscheidung der
Beklagten vom 25.5.2007 und auf Zahlung einer Verletztenrente ab
1.8.2002 nach einer MdE von 70 vH sowie ab 1.1.2007 nach einer MdE von
80 vH abgewiesen. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, ohne Bindung an
die bisher zugrunde gelegte Höhe der MdE die Verletztenrente nach einer
niedrigeren MdE ab 1.8.2002 festzusetzen, weil der Bescheid der Klägerin
innerhalb der Frist von drei Jahren bekannt gegeben worden sei und die
unfallbedingte MdE nur noch 30 vH betrage. Das LSG hat auf die Berufung
der Klägerin das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten vom
11.7.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben, weil
zwar innerhalb von drei Jahren nach dem Unfallzeitpunkt der angefochtene
Bescheid der Klägerin zugegangen sei. Die materielle Wirksamkeit dieses
Bescheids sei jedoch erst nach dem Drei-Jahres-Zeitraum mit Beginn der
Verletztenrente nach einer MdE von 35 vH zum 1.8.2002 eingetreten. Es
sei für den Zeitraum nach § 62 Abs 2 SGB VII auf die materielle
Wirksamkeit abzustellen. Die Verletztenrente sei daher als Dauerrente
nach einer MdE von 70 vH weiterzuzahlen. Eine wesentliche Änderung der
Unfallfolgen, die zu einer abweichenden Rentenfestsetzung hätten
berechtigen können, sei nach den vorliegenden Beweisergebnissen nicht
feststellbar.
Mit der
vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 62
Abs 2 SGB VII. Innerhalb der Frist von drei Jahren sei der angefochtene
Bescheid der Klägerin bekanntgegeben und damit wirksam geworden. Auf
diesen Zeitpunkt sei abzustellen, so dass die Feststellung der
Verletztenrente auf Dauer ohne Bindung an die bisher zugrunde gelegte
MdE habe erfolgen dürfen. Die MdE habe nach den eingeholten Gutachten
35 vH betragen.
SG
Halle
- S 15 U 38/03 -
LSG
Sachsen-Anhalt
- L 6 U 32/10 -