Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 12. Senats vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R -, Urteil des 12. Senats vom 30.4.2013 - B 12 R 13/11 R -, Urteil des 12. Senats vom 30.4.2013 - B 12 R 12/11 R -, Urteil des 12. Senats vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R -
Kassel, den 30. April 2013
Terminbericht Nr. 19/13
zur Terminvorschau Nr. 19/13
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 30. April 2013.
1) Die Revisionen der beklagten Krankenkasse
(Einzugsstelle) und der Beigeladenen zu 4. (DRV Bund) waren erfolgreich.
Die Klage musste in vollem Umfang abgewiesen werden, weil der Kläger
auch in der (noch) streitigen Zeit ab 24.6.2001 in seiner Tätigkeit für
die Beigeladene zu 3. ‑ seine Mutter ‑ in allen Zweigen der
Sozialversicherung als Beschäftigter versicherungspflichtig war. Das LSG
hat die für die Beurteilung der Versicherungspflicht nach § 7 Abs 1
SGB IV iVm den Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige für
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, geltenden Maßstäbe
(zuletzt zB BSG Urteil vom 29.8.2012 ‑ B 12 KR 25/10 R ‑ zur
Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) zwar im Ausgangspunkt
zutreffend herangezogen. Danach richtet es sich nach dem Gesamtbild der
Arbeitsleistung, ob im Einzelfall eine Beschäftigung vorliegt, bei der
der Betroffene in einen fremden Betrieb eingegliedert ist und den
Weisungsrechten eines Arbeitgebers unterliegt, oder ob er ‑ geprägt
durch im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und ein eigenes
Unternehmerrisiko ‑ selbstständig tätig ist. Zu den dabei zu würdigenden
Umständen gehört auch die den Beteiligten zustehende Rechtsmacht,
unabhängig davon, ob von dieser Gebrauch gemacht wurde. Die Gewichtung
des LSG und seine Bewertung der Umstände im Rahmen einer Gesamtabwägung
mit dem daraus gezogenen Schluss auf eine Selbstständigkeit des Klägers
ab dem og Zeitpunkt kann vor diesem Hintergrund revisionsrechtlich
keinen Bestand haben: Es gab hier einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit
typischen Arbeitnehmerrechten und ‑pflichten, der auch
sozialversicherungs- und steuerrechtlich tatsächlich entsprechend
umgesetzt wurde. Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene
zu 3., die nach den Feststellungen des LSG durchgängig alleinige
Geschäftsinhaberin blieb, und war in die von ihr allgemein vorgegebene
Arbeitsorganisation weiter eingebunden. Die verwandtschaftliche
Beziehung änderte daran grundsätzlich nichts, weil es sich weder um
bloße familienhafte Mithilfe handelte noch um das Einrücken in die
Stellung eines Mitunternehmers. Die Beurteilung einer Erwerbstätigkeit,
die im Einzelunternehmen eines Familienangehörigen ausgeübt wird, der
als natürliche Person Geschäftsinhaber und mit seinem ganzen Vermögen
dessen Haftungsobjekt ist, unterscheidet sich insoweit rechtlich gesehen
nicht wesentlich von der Erwerbstätigkeit in einer Familiengesellschaft,
zB in der Rechtsform einer GmbH, deren Kapital in Form von
Gesellschaftsanteilen von Familienangehörigen gehalten wird. Auch die
weiteren vom LSG herangezogenen Indizien (Antrag auf Prüfung des
sozialversicherungsrechtlichen Status; einmalige Begleichung einer
Warenrechnung; Abkoppelung von der tariflichen Lohnentwicklung;
Warenfachkenntnisse) tragen vor diesem Hintergrund nicht die
Schlussfolgerung, der Kläger sei allein aufgrund einer "faktischen
Machtposition" trotz fehlender relevanter Änderung der rechtlichen
Rahmenbedingungen sozialversicherungsrechtlich in die Stellung eines
(Mit-)Geschäftsinhabers und Unternehmers eingerückt.
SG Leipzig
- S 8 KR 350/05 -
Sächsisches LSG
- L 1 KR 13/07 -
Bundessozialgericht
- B 12 KR 19/11 R -
2)
Die Sprungrevision der Beklagten führte zur Aufhebung des SG-Urteils und
zur Abweisung der Klage. Zu Unrecht hat das SG festgestellt, dass die
Klägerin berechtigt ist, vier freiwillige Beiträge zur
Rentenversicherung ihrer verstorbenen Mutter zu zahlen. Gegenstand des
Revisionsverfahrens war allein die Frage, ob die Klägerin berechtigt
ist, freiwillige Rentenversicherungsbeiträge innerhalb noch laufender
Entrichtungsfrist des § 197 Abs 2 SGB VI wirksam zu zahlen. Da es für
die Zahlung freiwilliger Rentenversicherungsbeiträge keines besonderen
Antrages und Zulassungsverwaltungsaktes bedarf, ist sachgerechte
Klageart die Feststellungsklage. Nicht dagegen ist über die Berechtigung
der Klägerin zu entscheiden, freiwillige Beiträge ausnahmsweise wegen
besonderer Härte auf der Grundlage der Härtefallregelung des § 197 Abs 3
SGB VI nachzuzahlen; dazu bedarf es zunächst eines vorgeschalteten
besonderen Verwaltungsverfahrens, das bisher nicht durchgeführt wurde.
‑ Die Klägerin ist nicht als Sonderrechtsnachfolgerin ihrer verstorbenen
Mutter in ein Beitragszahlungsrecht eingerückt, und kann daher nicht
durch die nachträgliche Erfüllung der Wartezeit für sich einen Übergang
von hier im Raum stehenden Rentenleistungen für die Zeit von November
1998 bis Januar 2007 realisieren. Daran fehlt es bereits, weil schon
ihre Mutter zuletzt kein Recht mehr hatte, für zurückliegende Zeiträume
bis zum Eintritt des Versicherungsfalls für eine Regelaltersrente am
24.10.1998 Beiträge zu entrichten. Die Beklagte musste solche Beiträge
nicht nach § 197 Abs 2 SGB VI als wirksame Beiträge entgegennehmen und
für die Wartezeit berücksichtigen. Die Frist zur Entrichtung wirksamer
freiwilliger Beiträge nach § 197 Abs 2 SGB VI war nämlich bereits
abgelaufen, als die Mutter sich im Mai 2003 mit dem Begehren an die
Beklagte wandte, ihr "die freiwillige Weiterversicherung nach § 7
SGB VI" zu ermöglichen. Gemäß § 197 Abs 2 SGB VI sind freiwillige
Beiträge nur dann wirksam, wenn sie bis zum 31.3. des Jahres gezahlt
werden, das dem Jahr folgt, für das die Beiträge gelten sollen. Die
Entrichtungsfrist für die Zahlung von Beiträgen für das Jahr 1998 ist
mithin seit 1.4.1999 abgelaufen. Das Verstreichen dieser
Entrichtungsfrist war nicht nach § 198 S 1 SGB VI durch ein
"Beitragsverfahren" oder ein "Verfahren über einen Rentenanspruch"
unterbrochen. Denn ein solches Verfahren wurde auch erst frühestens mit
der tatsächlichen Antragstellung im Mai 2003 anhängig gemacht. Etwas
anderes folgt nicht daraus, dass die verstorbene Mutter zum
Personenkreis der Berechtigten nach dem ZRBG gehörte. Nach § 3 Abs 1 S 1
ZRBG gilt ein von Verfolgten, die in einem Ghetto Beschäftigungszeiten
zurückgelegt haben, bis zum 30.6.2003 gestellter Rentenantrag zwar
(fiktiv) als bereits am 18.6.1997 gestellt. Die Auslegung dieser
Regelung ergibt jedoch, dass diese Fiktion für die vorliegend zu
beantwortende (verwaltungs)verfahrensrechtliche Frage aus dem
Beitragsrecht im Kontext des § 198 S 1 SGB VI keine rechtliche Bedeutung
hat. Modifiziert wird durch § 3 Abs 1 S 1 ZRBG allein der Zeitpunkt der
Antragstellung als eines von mehreren Tatbestandsmerkmalen, die nach
§ 99 Abs 1 SGB VI im Leistungsrecht für den Beginn der Altersrente
erfüllt sein müssen. Ähnlich haben der 5. und der 13. Senat des BSG die
Regelung im Verhältnis zu § 44 Abs 4 SGB X nur in einem engen
bereichsbezogenen Sinn ausgelegt (BSG SozR 4‑5075 § 3 Nr 1; BSGE 110, 97
= SozR 4‑5075 § 3 Nr 2). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der
Gesetzesbegründung zum ZRBG (BT‑Drucks 14/8583 S 1). Das ZRBG
modifiziert nicht die allgemeinen rentenrechtlichen Voraussetzungen
einer Rentengewährung, also etwa das Erfordernis der Erfüllung der
Wartezeit von mindestens 60 Monaten und die allgemeinen
beitragsrechtlichen Regelungen über die Möglichkeit, zur Erfüllung der
Wartezeit freiwillige Beiträge in laufender Frist zu entrichten. Da die
verstorbene Mutter der Klägerin zuletzt kein entsprechendes
Beitragszahlungsrecht mehr hatte, konnte ein solches auch nicht auf die
Klägerin übergehen. Darüber hinaus ist im ZRBG auch nicht geregelt, dass
zu Gunsten von Sonderrechtsnachfolgern von ZRBG-Berechtigten von den
allgemeinen Regelungen über die Sonderrechtsnachfolge gemäß § 56 Abs 1
S 1 SGB I abgesehen werden kann. Danach gehen auf Sonderrechtsnachfolger
nur "fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen" über. Solche
fälligen Leistungen waren zum Zeitpunkt des Todes der Mutter der
Klägerin noch nicht entstanden, schon weil bis zu diesem Zeitpunkt keine
zu einer Rentenzahlung führenden freiwilligen Beiträge tatsächlich
gezahlt worden waren. Die von der Klägerin gewünschte "Rückbeziehung"
des (verwaltungs)verfahrensrechtlichen Beginns von Rentenverfahren mit
Bezug zum ZRBG auf den 18.6.1997 im Kontext des § 198 S 1 SGB VI lässt
sich im Wege richterlicher Rechtsfortbildung nicht erreichen. Vielmehr
wäre zur vorliegenden Problematik der Gesetzgeber aufgerufen,
Neuregelungen herbeizuführen.
SG Düsseldorf
- S 26 R 1970/10 WA -
Bundessozialgericht
- B 12 R 12/11 R -
3) In dieser
Sache hat die beklagte Bundesagentur für Arbeit ihre Revision kurz vor
dem Termin zurückgenommen.
SG Stuttgart
- S 12 AL 7402/09 -
LSG
Baden-Württemberg
- L 13 AL 1008/10 -
Bundessozialgericht
- B 12 AL 1/11 R -
Urteile, die ohne mündliche Verhandlung ergehen, werden nicht in der
Sitzung verkündet. Sofern die Ergebnisse von allgemeinem Interesse sind,
erscheint ein Nachtrag zum Terminbericht nach Zustellung der Urteile an
die Beteiligten.
Kassel, den 19. November 2013
Nachtrag
zum
Terminbericht Nr. 19/13
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts berichtet nach Zustellung
des Urteils an die Beteiligten über das in der Sitzung vom 30. April
2013 ohne mündliche Verhandlung entschiedene Verfahren.
Der
Senat hat auf die Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers das
klageabweisende SG-Urteil wieder hergestellt. Die ursprüngliche
Gewährung eines Zuschusses durch die Beklagte zu den Aufwendungen des
Klägers für seine Krankenversicherung, die er vertraglich bei einem in
der Schweiz ansässigen und dortiger (also nicht deutscher)
Versicherungsaufsicht unterliegenden Unternehmen begründet hatte, war
rechtswidrig. Der eindeutige Wortlaut des ‑ einschlägigen ‑ § 106 Abs 1
S 1 SGB VI widerspricht nicht dem zwischen der EU und der Schweiz
bestehenden Freizügigkeits-Abk, weil die Arbeitnehmer-Freizügigkeit bei
einem in Deutschland wohnenden deutschen Bezieher einer Rente aus der
deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ‑ wie dem Kläger ‑ nicht
betroffen ist. Das Freizügigkeits-Abk räumt dagegen
Dienstleistungsfreiheit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei nur
für maximal 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr ein. Alle Voraussetzungen
für eine Rücknahme der Leistungsbewilligung waren erfüllt.
SG Konstanz
- S 4 R 3423/06 -
LSG Baden-Württemberg
- L 10 R 5221/07 -
Bundessozialgericht
- B 12 R 13/11 R -