Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 12. Senats vom 3.7.2013 - B 12 KR 8/11 R -, Urteil des 12. Senats vom 31.3.2015 - B 12 R 1/13 R -, Urteil des 12. Senats vom 31.3.2015 - B 12 AL 4/13 R -, Urteil des 12. Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R -
Kassel, den 23. März 2015
Terminvorschau Nr. 12/15
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 31. März 2015
im Elisabeth-Selbert-Saal über vier Revisionen zu versicherungs- und
beitragsrechtlichen Fragen der Kranken-, Pflege-, Renten- und
Arbeitslosenversicherung zu entscheiden.
1) 10.00 Uhr - B 12 AL 4/13 R - R. ./.
Bundesagentur für Arbeit
Der Kläger war ua in der Zeit vom 1.1. bis 30.11.2000 als Betriebsleiter
für das Transportunternehmen seiner damaligen Ehefrau tätig, wofür
‑ wegen angenommener Beschäftigung ‑ ua Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung entrichtet wurden. Ende September 2005
beantragte er bei der für ihn zuständigen BKK als Einzugsstelle die
Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status und machte
geltend, insoweit selbstständig gewesen zu sein. Die mit Bescheid vom
5.12.2005 getroffene Feststellung der BKK, wonach es sich um eine
versicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt habe, griff der Kläger
vor dem SG an. Seiner Klage wurde mit ‑ rechtskräftig gewordenem ‑
Urteil vom 30.7.2009 entsprochen. Am 17.12.2009 beantragte der Kläger
daraufhin bei der Beklagten die Erstattung der von ihm getragenen
Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Das lehnte diese ab, da der das
Jahr 2000 betreffende Erstattungsanspruch bereits verjährt sei. Das SG
hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen, das LSG hat die Berufung
des Klägers zurückgewiesen: Zwar seien die Voraussetzungen für eine
Beitragserstattung nach § 26 Abs 2 SGB IV erfüllt, weil ‑ wie aufgrund
des rechtskräftigen SG-Urteils vom 30.7.2009 feststehe ‑ Beiträge zu
Unrecht abgeführt worden seien. Jedoch sei der Erstattungsanspruch nach
§ 27 Abs 2 S 1 SGB IV verjährt. Er sei jeweils in dem Zeitpunkt
entstanden, in dem die Beiträge für die Tätigkeit rechtsgrundlos
entrichtet worden seien. Da die dafür maßgebende Vier-Jahres-Frist nach
dem Ablauf des Jahres 2000 (= Zeitpunkt der Anspruchsentstehung) zu
laufen begonnen habe, sei bezüglich der Erstattungsansprüche am
1.1.2005 Verjährung eingetreten. Daran ändere der Bescheid vom 5.12.2005
nichts, schon weil das SG ihn mit Rückwirkung aufgehoben habe und er die
eingetretene Verjährung nicht wieder habe beseitigen können. Der
Sachverhalt unterscheide sich von einem vom BSG entschiedenen Fall (SozR
4‑2400 § 27 Nr 2), weil der Erstattungsanspruch dort noch nicht verjährt
gewesen sei, als ein später aufgehobener Bescheid rückwirkend
fehlerhaft die Beitragszahlungspflicht festgestellt habe.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 27 Abs 2 S 1,
Abs 3 S 1 SGB IV. Erstmals mit Aufhebung des Bescheides vom 5.12.2005,
wonach die Beitragserhebung im Jahr 2000 vermeintlich rechtmäßig
gewesen sei, durch das SG am 30.7.2009 habe überhaupt ein
Beitragserstattungsanspruch entstehen können, weil erst damit die
zu Unrecht erfolgte Beitragsentrichtung festgestanden habe. Dieser
Zeitpunkt könne daher allein für den Beginn des Laufs der
Verjährungsfrist entscheidend sein. Eine andere Betrachtung der zu
Unrecht erfolgten Entrichtung sei dagegen verfehlt, schon weil
Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 5.12.2005 keine
aufschiebende Wirkung gehabt hätten und dem Bescheid ‑ trotz fehlender
Bestandskraft ‑ nach § 28h Abs 2 S 1 SGB IV Tatbestands- und
Rechtswirkung für die Pflicht zur Beitragsentrichtung zugekommen sei.
Spätestens der Widerspruch gegen den Bescheid müsse als
Beitragserstattungsantrag gewertet werden. Der Lauf der
Verjährungsfrist sei auf diese Weise gehemmt gewesen und habe nicht
beginnen können (Hinweis auf § 27 Abs 3 S 2 SGB IV). Überdies habe die
Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt.
SG Düsseldorf - S 13 AL 577/10 -
LSG
Nordrhein-Westfalen - L 16 AL 178/13 -
2) 11.00 Uhr -
B 12 KR 19/13 R - Deutsche Rentenversicherung Bund ./.
pronova BKK
beigeladen: 1. H., 2. Reifenhandel W. GmbH
Der Beigeladene zu 1. nahm am 1.11.1999 bei der Beigeladenen zu 2.
‑ einer im Reifenhandel tätigen GmbH ‑ aufgrund eines schriftlichen
Arbeitsvertrags eine Arbeitstätigkeit als kaufmännischer Angestellter
auf; Gesellschafter der GmbH sind Vater und Onkel des Beigeladenen
zu 1.; Geschäftsführer ist sein Vater. Auf den ‑ auf Feststellung nicht
bestehender Sozialversicherungspflicht und Beitragserstattung
gerichteten ‑ Antrag des Beigeladenen zu 1. hin stellte die beklagte BKK
als Einzugsstelle ihm gegenüber mit Bescheid vom 24.1.2008 fest, dass
mangels Beschäftigungsverhältnisses keine Sozialversicherungspflicht
bestanden habe. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides lautete
dahin, dass dagegen Widerspruch bei der BKK möglich sei. Am 4.3.2008
übersandte die Beklagte dem klagenden Träger der gesetzlichen
Rentenversicherung (GRV) den Antrag des Beigeladenen zu 1. mit
Unterlagen zur Prüfung, teilte ihre Rechtsauffassung mit und bat um
Abstimmung; sie setzte die Klägerin allerdings über den bereits
ergangenen Bescheid vom 24.1.2008 nicht in Kenntnis. Dem Beigeladenen
zu 1. teilte die Beklagte am gleichen Tag mit, sie könne seinem (ihr
gegenüber im Interesse der Erzielung zeitnaher Rechtssicherheit
geäußerten) Wunsch, "einem anderen Sozialversicherungsträger eine
Widerspruchsfrist einzuräumen", nicht nachkommen. Mit Schreiben vom
14.4.2008 trat die Klägerin der Beurteilung der Beklagten inhaltlich
entgegen. Am 23.4.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie
bei ihrer "Entscheidung" verbleibe; mit zwei weiteren Schreiben forderte
die Klägerin die Beklagte zur nochmaligen Überprüfung ihrer Beurteilung
auf und bat in drei weiteren Schreiben ua um "Erstellung einer
(rechtsmittelfähigen) versicherungsrechtlichen Beurteilung". Die
Beklagte brachte dem Beigeladenen zu 1. anschließend den mit der
Klägerin geführten Schriftwechsel zur Kenntnis. Die klagende DRV Bund
erfuhr am 28.1.2009 in einem mit der Beklagten geführten Telefonat von
der Existenz des ‑ "versehentlich vor Abstimmung mit dem RV-Träger"
ergangenen ‑ Bescheides vom 24.1.2008 und erhielt am selben Tag eine
Kopie davon übersandt.
Die Klägerin hat am 3.6.2009 Klage mit dem Ziel erhoben, den Bescheid
vom 24.1.2008 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1.
ab 1.11.1999 der Versicherungspflicht in der GRV unterliege. Das SG hat
der Klage stattgegeben, weil sie fristgerecht erhoben worden sei und der
Beigeladene zu 1. seine Tätigkeit als Beschäftigter ausgeübt habe;
für die Klägerin habe gemäß § 66 Abs 2 S 1 SGG die Klagefrist von einem
Jahr seit Bescheidbekanntgabe gegolten. Das LSG hat die dagegen
eingelegte Berufung des Beigeladenen zu 1. zurückgewiesen: Die Klägerin
dürfe sich auf die vom SG zu Recht angenommene Jahresfrist für die
Klageerhebung berufen, da die beklagte BKK ein in der "Gemeinsamen
Vereinbarung zur Behandlung von Beitragsbescheiden durch die am
gemeinsamen Beitragseinzug beteiligten Versicherungsträger" vom
21.11.2006 beschriebenes Verfahren hier gerade nicht eingehalten habe.
Das Unterbleiben einer möglicherweise nicht ordnungsgemäßen
Bekanntgabe des Bescheides vom 24.1.2008 und die unterbliebene bzw
fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung gegenüber der Klägerin seien daher
nicht nachweisbar kausal auf diese Vereinbarung zurückzuführen. In der
Sache sei der Bescheid fehlerhaft, weil der Beigeladene zu 1. als
Beschäftigter versicherungspflichtig in der GRV gewesen sei;
insbesondere habe er ihm unliebsame Weisungen nicht verhindern können.
Mit seiner Revision rügt
der Beigeladene zu 1. eine Verletzung von § 66 Abs 2 SGG und § 242 BGB
und macht Verfahrensfehler des LSG geltend. Die Klage sei verfristet
gewesen. Bereits das Schreiben der Beklagten vom 23.4.2008 sei als an
die Klägerin gerichteter Bescheid zu qualifizieren, sodass bei
Klagerhebung sogar die Jahresfrist überschritten worden sei. Auch wenn
man aber von einer Bescheidbekanntgabe erst am 28.1.2009 ausginge, sei
die Klage unzulässig. Die Klägerin dürfe sich nämlich nach den
Grundsätzen von Treu und Glauben auf die Frist des § 66 Abs 2 S 1 SGG
nicht berufen. Unabhängig davon, dass die Beklagte das zwischen den
Trägern in der Verlautbarung von 2006 vereinbarte Abstimmungsverfahren
nicht eingehalten habe, müsse sich die Klägerin das dort beschriebene
"generelle Verwaltungsvorgehen" entgegenhalten lassen, weil ein
gezieltes Zusammenwirken der Träger zu Lasten des Bürgers vorliege.
Der (generelle) Verzicht der Klägerin auf die Erteilung einer
Rechtsmittelbelehrung ihr gegenüber sei danach an keine Bedingungen und
kein Vorverhalten der Einzugsstelle geknüpft, insbesondere nicht an
die Einhaltung des vereinbarten Abstimmungsverfahrens. Im Übrigen
habe sich die Beklagte nachweisbar verlautbarungstreu verhalten und ihr
Verhalten ihm (dem Beigeladenen zu 1.) gegenüber nach den Umständen
explizit an der Verlautbarung von 2006 ausrichten wollen.
Die Klägerin sieht das Urteil des Senats vom 3.7.2013 - B 12 KR 8/11 R
(BSGE 114, 69 = SozR 4‑1500 § 66 Nr 4) als nicht auf den Fall
übertragbar an.
SG
Berlin - S 208 KR 920/09 -
LSG
Berlin-Brandenburg - L 1 KR 120/12 -
3) 13.00 Uhr
- B 12 KR 17/13 R - M. GmbH ./. Deutsche Rentenversicherung
Bund
6 Beigeladene
Der
1976 geborene Beigeladene zu 1. war bis Herbst 2004 als Student in der
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen
Pflegeversicherung (sPV) versichert. In der Zeit vom 1.10.2003 bis
24.5.2005 war er auf der Basis eines zwischen ihm und der
Rechtsvorgängerin der Klägerin am 25.9.2003 geschlossenen schriftlichen
"Projektvertrages" tätig, wodurch er mit der Wahrnehmung eines
bestimmten Projekts "beauftragt" wurde und der zahlreiche
Einzelbestimmungen zu Inhalt und Abwicklung der Tätigkeit enthielt. Er
besuchte regelmäßig Verbrauchermärkte mit der Aufgabe, dort Original
Handy-Zubehör adäquat zu platzieren, verbunden ua damit, für die
Aktualität der Ware, Bestellung und Retourenabwicklung Sorge zu tragen,
Personal über Neuerungen zu schulen sowie Verhandlungen mit den
Markt-Abteilungsleitern über Durchführung, Art und Menge der
Bestellungen zu führen. Hierzu hatte sich der Beigeladene zu 1.
selbst geschult. Gegenüber der Klägerin erstellte er fortlaufend
Rechnungen und Berichte bei Abschluss der Tätigkeit; die Vergütung
erfolgte mittels einer Besuchspauschale sowie Stückprämien für
Bestellungen. Er verfügte an eigenen Arbeitsmitteln ua über einen PKW,
Laptop, Büroeinrichtung und Internetanschluss. Vom 1.6. bis 31.12.2004
war der Beigeladene zu 1. neben seiner Tätigkeit für die Klägerin für
ein weiteres Unternehmen als "Assistant Trainer (Promotion, Abverkauf)"
tätig; insoweit stellte der beklagte RV-Träger fest, dass diese
Tätigkeit als Selbstständiger ausgeübt werde.
Der Beigeladene zu 1. beantragte im Januar 2005 bei der Beklagten die
Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status in Bezug
auf seine als "Merchandising/Rackjobbing" bezeichnete und ihn ca einen
Tag pro Woche in Anspruch nehmende Tätigkeit für die Klägerin. Die
Beklagte stellte durch Bescheide ihm und der Klägerin gegenüber fest,
dass er die Tätigkeit in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 im Rahmen
eines Beschäftigungsverhältnisses ausübe bzw in allen Zweigen der
Sozialversicherung versicherungspflichtig sei.
Das von der Klägerin dagegen angerufene SG hat die Bescheide aufgehoben
und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum
nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Im
Berufungsverfahren hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben
(keine Versicherungspflicht in der GKV und sPV vom 1.10.2003 bis
30.9.2004). Das LSG hat die darüber hinausgehende Berufung der Beklagten
zurückgewiesen: Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung überwögen
die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände, auch der
Projektvertrag enthalte überwiegend entsprechende Regelungen. Nach den
Umständen und Ermittlungen fehlten Anhaltspunkte dafür, dass ein
Auftragsverhältnis auf selbstständiger Basis nur formal vereinbart
worden sei. Es handele sich nicht um bloße untergeordnete
Regalauffülltätigkeiten, sondern um einen um gestalterische Elemente
erweiterten Aufgabenkreis. Die Rahmenbedingungen
(Warenwirtschaftsturnus; konkrete Verbrauchermärkte) seien nicht
Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin. Der
Beigeladene zu 1. sei zudem auch für andere Auftraggeber tätig und
berechtigt gewesen, Erfüllungsgehilfen einzusetzen. Betriebliche
Sachzwänge, Mitteilungspflichten, die Möglichkeit einer
Qualitätskontrolle durch die Klägerin sowie die Verpflichtung,
Interessenkollisionen beim Einsatz Dritter bzw bei weiteren Aufträgen zu
vermeiden, relativierten sich dadurch, dass auch klassische
Selbstständige ähnlichen Pflichten unterlägen. Insgesamt sei der
Beigeladene zu 1. als für mehrere Auftraggeber tätiger
"Solo-Selbstständiger" anzusehen.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1
SGB IV. Zu Unrecht habe das LSG im Rahmen der Gesamtwürdigung den für
die Tätigkeit maßgeblichen Bestimmungen des Projektvertrages, die nur
dem Wortlaut nach auf eine selbstständige Tätigkeit zielten,
uneingeschränkt Vorrang gewährt. Die tatsächliche Durchführung der
einzelnen Aufträge, die für eine weitgehende Weisungsabhängigkeit und
Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin
spreche, habe das LSG nur nachrangig berücksichtigt. Die Feststellungen
zur Tätigkeit beschrieben die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen
Angestellten". Die Ansicht des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede
Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, als
nicht abhängige Beschäftigung ausgeübt werden könne. Der Beigeladene
zu 1. sei in den Arbeitsprozess der Klägerin eingegliedert gewesen,
indem er nach Annahme eines Einzelauftrags der Klägerin zu deren
Vertragspartnern gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben
nach den Vorgaben der Klägerin auszuführen. Hinweise auf ein rechtlich
relevantes Unternehmerrisiko bestünden nicht. Die vertragliche
Einräumung einer Delegationsbefugnis ‑ von der kein Gebrauch gemacht
worden sei ‑ stelle allein kein entscheidendes Kriterium für eine
Selbstständigkeit dar. Feststellungen des LSG entsprächen teilweise
nicht den Tatsachen, soweit es die Gewährung von Kilometergeld und
Fahrkosten für den Besuch weiter entfernter Märkte anbelange. Die hier
erfolgte Entlohnung sei kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit,
auch Umständen wie Rechnungsstellung, Kündigungsmöglichkeit oder die
Möglichkeit einer Tätigkeit für weitere Auftraggeber komme keine solche
Indizwirkung zu.
SG
Frankfurt am Main - S 9 KR 74/10 -
Hessisches LSG - L 8 KR 162/11 -
4) 14.00 Uhr - B
12 R 1/13 R -Freie und
Hansestadt Hamburg ./.
Deutsche Rentenversicherung Bund
49 Beigeladene
Der
klagende Stadtstaat Hamburg führt den juristischen Vorbereitungsdienst
auf der Grundlage von Landesrecht in einem öffentlich-rechtlichen
Ausbildungsverhältnis durch. Die Referendare/Referendarinnen (im
Folgenden einheitlich: Referendare) erhielten eine Unterhaltsbeihilfe
von 850 Euro monatlich. Auf diesen Betrag wurde der 500 Euro
übersteigende Teil eines Entgelts zur Hälfte angerechnet, das der
Referendar im Rahmen der Ausbildung von dritter Seite oder für andere
Tätigkeiten erhielt. Die Klägerin führte für die Referendare nach der
Unterhaltsbeihilfe bemessene Beiträge zur GKV, sPV und nach dem Recht
der Arbeitsförderung an die jeweiligen Einzugsstellen ab.
Im Anschluss an Betriebsprüfungen bei der Beigeladenen zu 1. ‑ einer
größeren Rechtsanwaltssozietät ‑ und bei der Klägerin forderte der
beklagte RV-Träger von der Klägerin für die Zeit 16.3.2003 bis 28.2.2005
den Beigeladenen zu 2. bis 25. sowie 47. bis 49. jeweils zugeordnete
Beiträge in Höhe von insgesamt 19 829,34 Euro zur GKV und sPV sowie nach
dem Recht der Arbeitsförderung. Zusätzliche Vergütungen, die die
Beigeladene zu 1. den ihr von der Klägerin zur Ausbildung im Rahmen des
Vorbereitungsdienstes zugewiesen Referendaren gewährt habe, seien
beitragspflichtiges Entgelt, für das die Klägerin Beiträge zu
entrichten habe. Es liege ein sog einheitliches
Beschäftigungsverhältnis vor, das im Rahmen des
Ausbildungsverhältnisses zur Klägerin bestehe.
Die hiergegen erhobene Klage hat das SG abgewiesen. Das LSG hat die
Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Referendare seien im
streitigen Zeitraum bei der Klägerin in einem öffentlich-rechtlichen
Ausbildungsverhältnis gegen Entgelt beschäftigt gewesen, weshalb
Versicherungspflicht in der GKV und sPV sowie nach dem Recht der
Arbeitsförderung bestanden habe. Entgelt seien auch die im Zusammenhang
mit der Beschäftigung bei der Klägerin von der Beigeladenen zu 1. ohne
Rechtsgrund erbrachten zusätzlichen Vergütungen, die wie die
Unterhaltsbeihilfe aus einem einheitlichen Ausbildungsverhältnis
erzielt würden. Die zum einheitlichen Beschäftigungsverhältnis in der
Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze seien bereits in der
Vergangenheit auch auf Rechtsreferendare in der Stationsausbildung
angewandt worden (zB BSGE 46, 241 = SozR 2200 § 1229 Nr 7; BSG SozR 2200
§ 1229 Nr 8). Auf diese Grundsätze sei auch dann abzustellen, wenn die
Ausbildung der Referendare ‑ anders als in den vom BSG entschiedenen
Fällen ‑ nicht im Beamtenverhältnis auf Widerruf erfolge. Die
zusätzlichen Vergütungen hätten die Referendare nur erzielen können,
weil sie der Beigeladenen zu 1. durch die Klägerin zur Ausbildung
zugewiesen worden seien. Die Tätigkeit sei zeitlich, örtlich,
organisatorisch und inhaltlich in die Ausbildungstätigkeit eingebunden
und im Verhältnis zu der im Wesentlichen zu Ausbildungszwecken
ausgeübten Beschäftigung nebensächlich gewesen. Sie habe überdies nur
unter Nutzung der Kenntnisse und Fähigkeiten durchgeführt werden können,
die die Ausbildung den Referendaren zusätzlich zu den bis zur Ersten
Juristischen Staatsprüfung gewonnenen theoretischen Rechtskenntnissen
vermittelt habe. Die Zahlungen hätten deshalb in engem Zusammenhang mit
der Ausbildungsbeschäftigung gestanden, ohne dass Anhaltspunkte für ein
hiervon abtrennbares Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hätten; dafür
spreche auch nicht die Abhängigkeit ihrer Höhe von der Zahl der
Anwesenheitstage. Die Klägerin sei alleinige Arbeitgeberin der
Referendare gewesen und daher verpflichtet, die Beiträge auch auf die
von der Beigeladenen zu 1. erbrachten zusätzlichen Vergütungen
abzuführen.
Mit
ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 249 Abs 1 SGB V,
§ 58 Abs 1 SGB XI und § 346 Abs 1 SGB III. Sie sei nicht Arbeitgeberin
der in den Räumlichkeiten der Beigeladenen zu 1. ausgeübten
Tätigkeiten, deren wirtschaftlicher Ertrag der Beigeladenen zu 1. zugute
gekommen sei. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus der
Rechtsprechung des BSG zum einheitlichen Beschäftigungsverhältnis
(zuletzt: BSG SozR 4-2400 § 14 Nr 16), da es vorliegend um
Arbeitsentgelt gehe, welches ein Dritter auf Basis der Vereinbarung über
bestimmte Anwesenheitszeiten gezahlt und auch im eigenen Namen
versteuert habe. Der Schutzzweck der Sozialversicherung erfordere, dass
auch die Beigeladene zu 1. Beiträge abzuführen habe. Diese agiere nicht
als Zahlstelle in ihrem (der Klägerin) Auftrag, sondern auf Basis einer
Absprache mit den Beigeladenen zu 2. bis 25. sowie 47. bis 49., wonach
diese sich verpflichtet hätten, über den notwendigen Teil der Ausbildung
hinaus Leistungen zu erbringen.
SG Hamburg - S 10 R 326/07 -
LSG
Hamburg - L 2 R 16/10 -