Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 8. Senats vom 27.5.2014 - B 8 SO 1/13 R -, Urteil des 8. Senats vom 27.5.2014 - B 8 SO 26/12 R -
Kassel, den 27. Mai 2014
Terminbericht Nr. 22/14
(zur Terminvorschau Nr. 22/14)
Der 8. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 27. Mai 2014.
1) Die Revision der Klägerin hatte insoweit
Erfolg, als sie den Bescheid des Beklagten über die "Bewilligung von
Leistungen in Form von Hilfe bei Krankheit (§ 48 SGB XII iVm § 264
SGB V)" für den Monat Juli 2007 betrifft; für einen solchen Bescheid
über die Gewährung von Leistungen gegen Aufwendungsersatz gemäß § 19
Abs 5 SGB XII existiert keine Rechtsgrundlage. Im Rahmen der sog
Quasiversicherung des § 264 Abs 2 bis 7 SGB V gewährt der
Sozialhilfeträger nämlich keine Leistungen; der Sozialhilfeträger ist
lediglich der Krankenkasse zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet.
Man mag dieses Verhältnis als Auftragsverhältnis bezeichnen; um ein
Auftragsverhältnis im eigentlichen Sinne, bei dem der Beauftragte für
den Auftraggeber Leistungen erbringt, handelt es sich nicht. Vielmehr
entsteht von Gesetzes wegen ein Leistungsverhältnis ‑ ohne
Mitgliedschaft ‑ des Sozialhilfeempfängers nur gegenüber der
Krankenkasse, sofern er nicht versichert ist und voraussichtlich
mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt
bezieht.
Zwar war
die Klägerin vor Juli 2007 nicht versichert; jedoch hat sie keine Hilfe
zum Lebensunterhalt bezogen, sodass die Voraussetzungen für eine
Quasiversicherung überhaupt nicht vorlagen. Darüber hinaus war der
Beklagte als absolut unzuständige Behörde ohnedies nicht berechtigt,
einen Statusbescheid über das Vorliegen einer solchen Quasiversicherung
zu erlassen, wie dies zunächst geschehen war. Zumindest ab 1.8.2007 war
der Beklagte nach § 48 SGB X wegen des Abschlusses einer privaten
Krankenversicherung zuständig und berechtigt, diesen anfänglich
rechtswidrigen ‑ wenn auch nicht nichtigen ‑ Bescheid wegen Änderung
der Verhältnisse aufzuheben. Auch im Juli 2007 bestand trotz der
Aufhebung dieses Bescheids für diesen Monat durch den Senat und trotz
des deshalb fortbestehenden früheren Statusbescheids mangels Vorliegens
der Voraussetzungen des § 264 Abs 2 SGB V in der Sache keine
Quasiversicherung. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hilft
hierüber nicht hinweg. Eine Beiladung der Deutschen
Angestellten-Krankenkasse war deshalb im Revisionsverfahren nicht
nachzuholen.
SG
Lübeck - S 31 SO 193/07 -
Schleswig-Holsteinisches LSG - L 9 SO 5/10 -
Bundessozialgericht - B 8 SO 26/12 R -
2) Nachdem der
Senat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, er schließe
sich ‑ wie bereits im Termin am 22.3.2012 erklärt (vgl Terminbericht
Nr. 18/12 zur Revision B 8 SO 27/10 R) ‑ im vollen Umfang der
Rechtsprechung des BVerwG zum Vorrang-, Nachrangverhältnis zwischen
Jugend und Eingliederungshilfe an, hat der Beklagte den Anspruch
anerkannt und der Kläger dieses Anerkenntnis angenommen.
SG Köln - S 21 SO 160/07 -
LSG
Nordrhein-Westfalen - L 12 SO 621/10 -
Bundessozialgericht - B 8 SO 30/12 R -
3) Die Klage
hatte Erfolg. Der Beklagte ist verpflichtet, den bestandskräftigen
Bescheid über die Zinsverpflichtung gemäß § 44 Abs 2 Satz 2 SGB X für
die Vergangenheit zurückzunehmen und danach die Zinsen an die Klägerin
zurückzuzahlen (Folgenbeseitigungsanspruch). Die Rücknahme für die
Vergangenheit steht nicht in seinem Ermessen, weil er im ursprünglichen
Klageverfahren ‑ vor Bestandskraft des Zinsbescheids ‑ erklärt hat, den
Bescheid noch einmal überprüfen zu wollen. Muss der Sozialhilfeträger
Sozialhilfe in Form eines Darlehens wegen fehlender Möglichkeit zur
sofortigen Verwertung vorhandenen Vermögens gewähren (§ 89 BSHG bzw
seit 1.1.2005 § 91 SGB XII) und bewilligt er diese durch Verwaltungsakt,
so ist er nicht berechtigt, zusätzliche Zinsen festzusetzen. Weder
existiert hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, noch
ergibt sich die Berechtigung hierzu aus § 32 Abs 1 SGB X (zulässige
Bedingung bei gebundener Entscheidung) oder der Rechtsnatur des
Darlehens selbst. Ein Darlehen kann auch im Zivilrecht als
unentgeltliches vereinbart werden.
SG Berlin - S 78 SO 730/08 -
LSG
Berlin-Brandenburg - L 23 SO 106/10 -
Bundessozialgericht - B 8 SO 1/13 R -
4) Der Senat hat
die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass
im vorliegenden Verfahren eine Verurteilung der Beklagten zur Leistung
ausgeschlossen sei, weil allein die beigeladene Krankenkasse im
Außenverhältnis nicht nur originär für die Entscheidung über den
Anspruch auf Gewährung eines Heilmittels nach Maßgabe des SGB V, sondern
gemäß § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX wegen der Nichtweiterleitung des
Rehabilitationsantrags auch für die Entscheidung über die
Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zuständig geworden ist. Eine
Verurteilung des beigeladenen Rehabilitationsträgers über § 75 Abs 5
SGG, die grundsätzlich im Ermessen des Gerichts steht, scheide nach
Auffassung des Senats im Anwendungsbereich des § 14 SGB IX wegen einer
Ermessensreduzierung auf Null aus, wenn und solange das
Leistungsverfahren gegen diesen ‑ wie vorliegend gegen die beigeladene
Krankenkasse ‑ nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Der Beklagte hat
daraufhin den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides aufgehoben, weil er für den Erlass einer
Sachentscheidung nicht zuständig war; die Klägerin hat die Klage
zurückgenommen.
SG Duisburg - S 16 (35) SO 13/06 -
LSG Nordrhein-Westfalen - L 20 SO 25/09 -
Bundessozialgericht - B 8 SO 29/12 R -