Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 6. Senats vom 19.2.2014 - B 6 KA 38/12 R -, Urteil des 6. Senats vom 19.2.2014 - B 6 KA 10/13 R -, Urteil des 6. Senats vom 19.2.2014 - B 6 KA 8/13 R -, Urteil des 6. Senats vom 19.2.2014 - B 6 KA 16/13 R -
Kassel, den 20. Februar 2014
Terminbericht Nr. 2/14
(zur Terminvorschau Nr. 2/14)
Der 6. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über die Ergebnisse der am 19. Februar 2014 aufgrund mündlicher Verhandlung entschiedenen Revisionsverfahren.
1) - 4)
Der Senat hat
in der Streitsache B 6 KA 10/13 R auf die Revision der Beklagten das
Urteil des LSG geändert, soweit die Beklagte verurteilt worden war,
Leistungen aus der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) ohne Quotierung
durch den Nachhaltigkeitsfaktor zu gewähren. Im Übrigen hat er die
Revision zurückgewiesen und die Beklagte zur Neubescheidung unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Senats verurteilt. Die Revision des
Klägers hat der Senat zurückgewiesen.
Es ist nicht zu beanstanden, dass bei der Ermittlung des für die
Ansprüche aus der Alterssicherung maßgeblichen Durchschnittshonorars der
für den Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen
definierte Kostenanteil für technische Leistungen abgezogen wurde,
soweit er den Kostendurchschnitt der Fachgruppe überstieg. Die von der
Vertreterversammlung der Beklagten im Jahr 2010 rückwirkend ab dem
1.4.2005 getroffene Regelung entfaltete keine unzulässige Rückwirkung,
weil insoweit ein schützenswertes Vertrauen der Bezieher von Leistungen
der EHV nach dem Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht
bestand. Mit dem LSG sieht der Senat in der Ausgestaltung des
Nachhaltigkeitsfaktors hingegen einen Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG. Die
inaktiven Ärzte wurden in unverhältnismäßiger Weise einseitig durch
Minderung ihrer Ansprüche belastet, während der Finanzierungsanteil der
aktiven Ärzte auf niedrigem Niveau stabilisiert wurde. Entgegen der
Auffassung des LSG führt dies nicht dazu, dass Leistungen ohne Anwendung
des Nachhaltigkeitsfaktors gewährt werden müssen. Die Beklagte wird
vielmehr eine Neuregelung treffen müssen, die eine ausgewogene
Verteilung der Lasten zwischen den aktiven und inaktiven Ärzten
gewährleistet.
Die
Beteiligten in den Verfahren B 6 KA 9/13 R, B 6 KA 11/13 R und B 6 KA
12/13 R sind nach Verkündung der Entscheidung übereingekommen, sich
dieser Entscheidung zu unterwerfen und das Verfahren unstreitig zu
erledigen.
SG Marburg
- S 12 KA 348/09 -
Hessisches LSG
- L 4 KA 45/11 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 9/13 R -
SG
Marburg
- S 12 KA 350/09 -
Hessisches LSG
- L 4 KA 43/11 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 10/13 R -
SG
Marburg
- S 12 KA 310/09 -
Hessisches LSG
- L 4 KA 46/11 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 11/13 R -
SG
Marburg
- S 12 KA 155/08 -
Hessisches LSG
- L 4 KA 47/11 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 12/13 R -
5) Die Revision
des Klägers ist erfolglos gewesen. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis
zutreffend entschieden, dass MVZen zur Teilnahme an der EHV zu Gunsten
der bei ihm angestellten Ärzte verpflichtet sind.
Die Klage ist zulässig, obwohl die Trägerschaft des MVZ bereits zum
1.4.2010 von dem Kläger als natürlicher Person auf eine GmbH
übergegangen ist. Insoweit hält der Senat an seiner Rechtsprechung nicht
fest, wonach im Falle einer rechtskräftigen Feststellung, dass Abzüge
für die Zwecke der EHV nicht hingenommen werden müssen, dies nur für die
Quartale ab Rechtskraft des Urteils gelte. Zur Wahrung der
Rechtsschutzgarantie wirkt ein für den Kläger günstiges
Feststellungsurteil vielmehr auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit des
Feststellungsverfahrens oder ‑ im Falle eines vorherigen
Antragsverfahrens ‑ auf den Zeitpunkt der Antragstellung bei der KÄV
zurück.
In der Sache
haben die Vorinstanzen zutreffend § 8 KVHG als hinreichend bestimmte
landesrechtliche Grundlage zur Einbeziehung der in MVZ angestellten
Ärzte in die EHV und ‑ damit verbunden ‑ der Heranziehung der
MVZ-Umsätze zur Finanzierung der EHV angesehen. Die Beklagte hat
insofern auf die Etablierung von MVZen als neue Organisationsform von
Leistungserbringern in der vertragsärztlichen Versorgung reagiert. In
zulassungsrechtlicher Hinsicht sind Ärzte und MVZen gleichgestellt. Als
Träger des Honoraranspruchs haben die MVZen auch einen Vorwegabzug
zugunsten der EHV hinzunehmen. Anderenfalls läge eine nicht zu
rechtfertigende Privilegierung von MVZen gegenüber Vertragsärzten vor,
die sämtlich zur Finanzierung der EHV herangezogen werden. Der Umstand,
dass das MVZ zwar zur Finanzierung beiträgt, aber keine eigenen
Ansprüche erwirbt, resultiert aus den Besonderheiten dieser
Teilnahmeform.
SG
Marburg
- S 12 KA 646/08 -
Hessisches LSG
- L 4 KA 15/12 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 8/13 R -
6) Die Revision
der Beklagten hat insoweit Erfolg, als diese derzeit nicht verpflichtet
ist, dem Kläger eine Genehmigung für die Durchführung und Abrechnung von
Apheresen (Nrn 13620, 13621 EBM‑Ä) zu erteilen. Der Kläger hat jedoch
einen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seinen Antrag erneut
entscheidet.
Die
Auffassung des LSG, nach der der Genehmigungsvorbehalt in der Präambel
zu Abschnitt 13.3.6 EBM‑Ä die Leistungen der Apherese von vornherein
nicht erfasse, teilt der Senat nicht. Allerdings ist der
Genehmigungsvorbehalt unklar gefasst, weil die dort (auch) in Bezug
genommene Vereinbarung zur ambulanten Durchführung der LDL-Elimination
nicht existiert. Mit dem LSG geht der Senat ferner davon aus, dass der
G-BA bei der Festlegung der Anforderungen an die fachlichen Befähigung
zur Erbringung von Apheresen (§ 2 Anlage I Nr 1 Richtlinie Methoden
vertragsärztliche Versorgung) nicht pauschal und ohne erkennbare
inhaltliche Prüfung auf die Qualitätssicherungsvereinbarung zu den
Blutreinigungsverfahren verweisen durfte, die nicht die Durchführung und
Abrechnung von Apheresen sondern ausschließlich von Leistungen der
Dialyse zum Gegenstand hat. Im Gegensatz zur Dialyse werden mit Hilfe
von Apheresen keine Nierenerkrankungen therapiert, sodass sich aus den
behandelten Erkrankungen selbst kein besonderer fachlicher Bezug zu den
Internisten mit dem Schwerpunkt Nephrologie ableiten lässt. Die
technische Durchführung der Apherese ist nach dem Inhalt der
Weiterbildungsordnung auch Inhalt der Weiterbildung von
Transfusionsmedizinern.
Aus Art 12 Abs 1 GG iVm Art 3 GG kann indes kein Anspruch von
Vertragsärzten auf Durchführung und Abrechnung von Apheresen unabhängig
von einem Fachkundenachweis abgeleitet werden. Daher werden der G-BA bzw
die Partner der Verträge nach § 135 Abs 2 SGB V zu klären haben, ob und
ggfs welche speziellen, über den Weiterbildungsinhalt hinausgehenden
Kenntnisse und Erfahrungen ein Vertragsarzt, zu dessen Weiterbildung die
Durchführung von Apheresen gehört, aufweisen muss, damit er Apheresen im
Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbringen darf. Wenn die
zuständigen Normgeber nach einer umfassenden Prüfung zu der Auffassung
gelangen, dass diese Anforderungen grundsätzlich auch von Ärzten erfüllt
werden können, die nicht Internisten mit dem Schwerpunkt Nephrologie
sind ‑ das liegt nach dem bisherigen Sachstand nahe ‑ müssen die
speziellen Fachkundevoraussetzungen für Apheresen eigenständig normiert
werden. Dem berechtigten Interesse des Klägers an einer zeitnahen
Entscheidung wird dadurch Rechnung getragen, dass er ab dem 1.10.2015
berechtigt ist, die Leistungen nach Nrn 13620, 13621 EBM‑Ä ohne
Genehmigung der KÄV zu erbringen, wenn die Beklagte bis zu diesem
Zeitpunkt nicht erneut auf der Grundlage spezieller
Qualifikationsregelungen für Apheresen entschieden hat.
SG Berlin
- S 83 KA 154/06 -
LSG
Berlin-Brandenburg
- L 7 KA 121/08 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 38/12 R -
Die Urteile, die ohne mündliche
Verhandlung ergehen, werden nicht in der Sitzung verkündet. Sofern die
Ergebnisse von allgemeinem Interesse sind, erscheint ein Nachtrag zum
Terminbericht nach Zustellung der Urteile an die Beteiligten.
Kassel, den 10. April 2014
Nachtrag
zum Terminbericht
Nr. 2/14
Nach Zustellung des ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteils
berichtet der 6. Senat des Bundessozialgerichts über das weitere
Ergebnis seiner Sitzung am 19. Februar 2014:
Auf die
Revision der beklagten KÄV hat der Senat das Urteil des LSG aufgehoben
und die klageabweisende Entscheidung des SG wiederhergestellt.
Die im Honorarverteilungsvertrag (HVV) vorgesehene differenzierte
Zuweisung von Fallpunktzahlen (FPZ) an Praxen derselben Arztgruppe je
nach bisher abgerechneten Fallwerten widerspricht Bundesrecht nicht.
§ 85 Abs 4 Satz 7 SGB V ermächtigt die KÄVen, neben
Regelleistungsvolumina (RLV) ergänzende Steuerungsmaßnahmen vorzusehen,
soweit damit das Instrument der RLV als gesetzgeberisches Leitbild der
Vergütung nicht in Frage gestellt wird; dies ist bei der ‑ umfangmäßig
begrenzten ‑ Differenzierung der FPZ je nachdem, ob die Praxis im
Referenzzeitraum einen unterdurchschnittlichen, durchschnittlichen oder
überdurchschnittlichen Fallwert aufwies, nicht der Fall.
Arztgruppenspezifische Grenzwerte tragen unterschiedlichen
Praxisstrukturen ‑ Praxen mit eher begrenztem Behandlungsspektrum und
hohen Fallzahlen auf der einen und Praxen mit sehr hohem diagnostischen
oder therapeutischem Potential bei eher geringer Fallzahl auf der
anderen Seite ‑ nur unzureichend Rechnung. Deshalb müssen die HVVe
Regelungen für abweichende Festsetzungen des RLV bei bestimmten
besonderen Praxisausrichtungen oder zumindest entsprechende
Härteregelungen enthalten. Es ist jedenfalls nicht offensichtlich
verfehlt, abweichenden Praxisstrukturen durch eine Unterteilung der vom
Bewertungsausschuss vorgegebenen Arztgruppen in fallwertbezogene
Untergruppen Rechnung zu tragen. Auch wenn es sich dabei um eine relativ
grobe Typisierung handelt, ist die Annahme nicht sachwidrig, dass hohe
Fallwerte ganz regelmäßig mit dem Angebot bestimmter, im EBM‑Ä hoch
bewerteter Leistungen korrelieren, die Höhe des Fallwerts also einen
Hinweis auf bestehende Praxisstrukturen gibt.
Die
Vertragspartner des HVV durften im Rahmen des ihnen zustehenden
Gestaltungsspielraums auch den Schluss ziehen, die ohnehin
unvermeidliche besondere Behandlung von Praxen mit einer vom Regelfall
abweichenden Praxisstruktur zunächst nicht über Sonderregelungen zum RLV
für bestimmte Leistungen, sondern typisierend über differenzierende FPZ
zu realisieren. Die Binnendifferenzierung bei den FPZ nähert die
Regelung auch nicht einem ‑ unzulässigen ‑ Individualbudget an. Nicht
der Fallwert einer Praxis wird über die FPZ prolongiert und geschützt,
sondern es werden typisierend unterschiedliche Spezialisierungen in das
System der RLV transformiert. Arztgruppenspezifischen FPZ kommt
weiterhin ‑ wenn auch auf die jeweilige Untergruppe bezogen ‑ prägende
Bedeutung zu.
SG Hannover
- S 24 KA 129/06 -
LSG Niedersachsen-Bremen - L 3
KA 113/10 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 16/13 R -