Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 5. Senats vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R -, Urteil des 5. Senats vom 30.10.2014 - B 5 RS 1/14 R -, Urteil des 5. Senats vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R -, Urteil des 5. Senats vom 30.10.2014 - B 5 RS 3/14 R -, Urteil des 5. Senats vom 30.10.2014 - B 5 RS 2/14 R -, Urteil des 12. Senats vom 7.5.2014 - B 12 R 18/11 R -, Urteil des 3. Senats vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R -, Urteil des 5. Senats vom 30.10.2014 - B 5 RS 1/13 R -, Urteil des 5. Senats vom 30.10.2014 - B 5 RS 2/13 R -, Urteil des 5. Senats vom 30.10.2014 - B 5 RE 11/14 R -
Kassel, den 31. Oktober 2014
Terminbericht Nr. 50/14
(zur Terminvorschau Nr. 50/14)
Der 5. Senat des Bundessozialgerichts
berichtet über das Ergebnis der am 30. Oktober 2014 mündlich
verhandelten Fälle.
1) Die Revision der Beklagten war im Sinn der
Aufhebung und Zurückverweisung begründet.
Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den
Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräte entweder durch die
Beklagte oder durch die Beigeladene. Dies gilt ungeachtet des Umstandes,
dass allein die Beklagte Revisionsführerin ist.
Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass ein Antrag auf
Versorgung mit Hörgeräten immer auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von
§§ 1, 4 und 5 SGB IX gerichtet ist (Urteil vom 20.10.2009 ‑ B 5 R
5/07 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 18). Die Zuständigkeit des hierzu
nach § 14 SGB IX berufenen Trägers schließt die Zuständigkeit aller
anderen Träger aus und erstreckt sich im Außenverhältnis gegenüber dem
behinderten Menschen auf Ansprüche aus allen Rechtsgrundlagen, die
überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger
vorgesehen sind. Sie umfasst ggf auch Erstattungsansprüche nach § 15
Abs 1 Satz 4 SGB IX.
Der Senat ist auf Grund der derzeit vorhandenen Tatsachenfeststellungen
des LSG nicht in der Lage zu beurteilen, ob die Beklagte oder die
Beigeladene der erstangegangene Träger im Rechtssinn ist. Durch die
Rechtsprechung des 3. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat
anschließt, ist geklärt, dass die maßgebliche Antragstellung bei der
Krankenkasse iS des § 14 SGB IX bereits in der Übergabe einer
vertragsärztlichen Hörgeräteversorgung seitens des Versicherten an den
Hörgeräteakustiker liegen kann (Urteil vom 24.1.2013 ‑ B 3 KR 5/12 R,
SozR 4-3250 § 14 Nr 19 RdNr 20). Vorliegend ist das Berufungsgericht zu
der negativen Feststellung gelangt, nach seiner Überzeugung lägen keine
Hinweise dafür vor, dass vor dem beklagten Rentenversicherungsträger
noch die beigeladene Krankenkasse mit dem Begehren der Klägerin auf
Gewährung einer Hörgeräteversorgung befasst worden wäre. Die Übergabe
der Hörgeräteverordnung an die Fa. R. am 8.11.2004 sei nicht als Antrag
gegenüber der Beigeladenen zu werten. Zwar ist das Revisionsgericht bei
nicht typischen Erklärungen wie der vorliegend in Frage stehenden
grundsätzlich an die Feststellung des Erklärungstatbestandes und des
hiermit als gewollt Erklärten gebunden (§ 163 SGG). Dies gilt allerdings
dann nicht, wenn bei der Auslegung derartiger Erklärungen Elemente der
Rechtsanwendung im Vordergrund stehen und anerkannte
Auslegungsgrundsätze nicht beachtet sind. Der entsprechend anwendbare
§ 133 BGB erfordert die Feststellung des (normativ) in Wahrheit
Gewollten nach Maßgabe des Empfängerhorizonts auf der Grundlage aller im
Einzelfall als einschlägig in Betracht kommenden Umstände. Die
vollständige Feststellung des Erklärungstatbestandes und die Ableitung
des Erklärungsinhalts hieraus betrifft daher nicht nur die einschlägigen
Tatsachenfeststellungen zum maßgeblichen Lebenssachverhalt, sondern
wesentlich die generell vorgeschriebene Methodik dieses Vorgangs, deren
Kontrolle dem Revisionsgericht obliegt. Das Berufungsgericht hat es
vorliegend insbesondere bereits unterlassen, den Inhalt der dem
Hörgeräteakustiker vorgelegten ärztlichen Hörhilfen-Verordnung "auf
einem entsprechenden Vordruck" festzustellen, und den von ihm
festgestellten Umstand zu berücksichtigen, dass der durch den
Hörgeräteakustiker erstellte Kostenvoranschlag von Anfang an eine
Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem Festbetrag
vorsah. Erst unter Einbeziehung dieser Umstände ist auch eine
abschließende Beurteilung des objektiven Bedeutungsgehalts von
Erklärungen der Klägerin im Blick auf für die Beigeladene verbindliche
Vereinbarungen mit Leistungserbringern möglich.
Ist die Frage der Zuständigkeit geklärt, wird das Berufungsgericht zu
klären haben, auf welcher Rechtsgrundlage ein Anspruch gegen den
erstangegangen Träger besteht. Insofern ist ‑ ungeachtet eines ggf
übereinstimmenden Sachvortrags der Beteiligten ‑ primär festzustellen,
welche Behinderung iS der gesetzlichen Krankenversicherung bei der
Klägerin vorliegt und anschließend zu prüfen, ob bereits mit einer
Hilfsmittelversorgung auf der Grundlage von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V im
Rahmen des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ein vollständiger
funktionaler Ausgleich einschließlich des Hörens und Verstehens in
größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen erreicht werden
kann. Ggf käme es dann auf berufliche und arbeitsplatzspezifische
Gebrauchsvorteile nicht mehr an, während umgekehrt ein
Hilfsmittelanspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung nicht auf
ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden kann.
SG Mainz - S 5 R 145/09 -
LSG
Rheinland-Pfalz - L 6 R 425/11 -
Bundessozialgericht - B 5 R 8/14 R-
2) Die Revision des
Klägers war erfolglos. Im Ergebnis zutreffend hat das LSG seine Berufung
zurückgewiesen und das Klage abweisende Urteil des SG bestätigt. Die
angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
Ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht als sog
arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger für Zeiten ab dem 1.2.2008 nach
§ 231 Abs 5 S 1 SGB VI besteht nicht. Zwar kann derzeit nicht
festgestellt werden, ob der Kläger in der am 31.12.1998 ausgeübten
selbstständigen Tätigkeit versicherungspflichtig war oder ab dem
1.2.2008 nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI versicherungspflichtig ist. Auch kann
dem angegriffenen Urteil nicht entnommen werden, ob die weiteren
Voraussetzungen des einschlägigen § 231 Abs 5 S 1 Nr 2 SGB VI erfüllt
sind. Dennoch ist eine abschließende Entscheidung möglich. Die in Frage
stehende Norm ist Besitzstands- bzw Vertrauensschutzregelung und bewahrt
iS der Statuskontinuität die von ihr Begünstigten vor der zwangsweisen
Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung, indem sie ihnen
ausnahmsweise erlaubt die frühere Beitragsfreiheit in der gesetzlichen
Rentenversicherung aufrecht zu erhalten und hierdurch mittelbar die
Fortführung einer anderweitigen Vorsorge ermöglicht. Das Gesetz macht
dies für den vorliegend in Frage stehenden Personenkreis der nach dem
1.1.1949 Geborenen jeweils bezogen auf den Stichtag 31.12.1998 kumulativ
vom Vorliegen eines mehrgliedrigen Sachverhalts abhängig. Dieser umfasst
neben der Ausübung einer nicht versicherungspflichtigen selbstständigen
Tätigkeit eine vor dem 10.12.1998 bereits vorhandene oder zumindest
begonnene und zeitgerecht entsprechend ausgestaltete anderweitige
gesetzeskonforme Invaliditäts- und Alterssicherung. Aus dieser Funktion
ergibt sich zunächst, dass § 231 Abs 5 S 1 über seinen vordergründigen
Wortlaut hinaus auf den 31.12.1998 nicht lediglich punktuell abstellt,
sondern ihn als Beginn eines Zeitraums versteht. In der Folge genügt
nicht der bloße Eintritt von Verspflicht nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI nach
dem 31.12.1998 ("danach"), sondern bedarf es stets notwendig auch einer
normativ gebotenen zeitlichen Nähe zu der ab diesem Tag bestehenden
maßgeblichen Anknüpfungssituation. Dem ist neben den Fällen des
unmittelbaren zeitlichen Anschlusses auch in Fällen der Unterbrechung
genügt, wenn die eingetretene Lücke dem Gedanken der Statuskontinuität
in seiner konkreten Ausprägung nicht entgegensteht. Für Fälle der
vorliegenden Art sieht das Gesetz an mehreren Stellen Gestaltungsfristen
von einem Jahr als angemessen aber auch ausreichend an. Mit dieser
‑ vorliegend überschrittenen ‑ Grenze kann analog auch der Beginn einer
statusschädlichen Unterbrechung bestimmt werden.
SG Dortmund - S 24 R 3/09 -
LSG
Nordrhein-Westfalen - L 14 R 762/11 -
Bundessozialgericht - B 5 RE 11/14 R -
3) – 7)
Die Revisionen der Beklagten waren iS der Aufhebung und Zurückverweisung
erfolgreich.
Die
Kläger begehren im Wege der Kombination einer Anfechtungs- und zweier
Verpflichtungsklagen jeweils allein die Aufhebung bestandskräftiger
Feststellungen der Höchstwerte während Zeiten der Zugehörigkeit zu
Sonderversorgungssystemen erzielter Arbeitsentgelte und die
Berücksichtigung weiterer Entgelte. Verwaltungsakte zu den
Voraussetzungen besonderer Entgeltgrenzen sind von diesem
Streitgegenstand nicht erfasst.
Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des vor ihm für
das Recht der Rentenüberleitung zuständigen 4. Senats (Urteil vom
23.8.2007 ‑ B 4 RS 4/06 R) an. Hiernach bestimmt sich der Begriff des
Arbeitsentgelts iS von § 6 Abs 1 S 1 AAÜG nach § 14 SGB IV. Kann im
ersten Prüfungsschritt das Vorliegen von Arbeitsentgelt in diesem Sinne
bejaht werden, ist im zweiten festzustellen, ob sich auf der Grundlage
von § 17 SGB IV iVm § 1 der ArEV vom 18.12.1984 (BGBl I 1642)
ausnahmsweise ein Ausschluss ergibt. Dieser kommt vorliegend allein dann
in Betracht, wenn ua "Zulagen, Zuschüsse und ähnliche Einnahmen"
"zusätzlich" zu Löhnen oder Gehältern gezahlt werden und lohnsteuerfrei
sind. Nur wenn daher kumulativ beide Voraussetzungen erfüllt sind,
besteht ausnahmsweise Beitragsfreiheit, während umgekehrt das Vorliegen
des Ausnahmetatbestandes logisch und rechtlich nicht allein im Blick auf
die Steuerfreiheit von Einnahmen bejaht werden kann. Soweit es insofern
auf Vorschriften des Steuerrechts ankommt, ist das am 1.8.1991 ‑ dem Tag
des Inkrafttretens des AAÜG ‑ geltende Steuerrecht maßgeblich. Hiervon
gehen jeweils zutreffend auch die angegriffenen Entscheidungen aus.
Allerdings erfordert die
Anwendung bundesrechtlicher Maßstabsnormen unter Berücksichtigung der
genannten Prüfungsschritte die vollumfängliche Ermittlung und
Feststellung des einschlägigen Sachverhalts durch die Tatsachengerichte.
Hierzu gehört neben der Feststellung der Zahlungsmodalitäten im
Einzelnen (vgl etwa BSG vom 7.5.2014 – B 12 R 18/11 R) auch die
Feststellung und exakte zeitliche Zuordnung desjenigen DDR-Rechts, aus
dem sich der Sinn der in Frage stehenden Zuflüsse jeweils ergibt (vgl
Urteil des 4. Senats vom 23.8.2007, RdNr 29). Dessen abstrakt-generelle
Regelungen dienen insofern ‑ nicht anders als bei der
Bestimmung von Zeiten der Zugehörigkeit nach § 5 AAÜG (BSG vom
18.10.2007 – B 4 RS 28/07 R – RdNr 17ff) als "generelle
Anknüpfungstatsachen".
Feststellungen zu den Zahlungsmodalitäten können im sozialgerichtlichen
Verfahren nicht durch den Hinweis auf die fehlende Streitigkeit
tatsächlicher Umstände zwischen den Parteien ersetzt werden. Eine
Heranziehung von DDR-Recht fehlt in den angegriffenen Urteilen entweder
vollständig oder beschränkt sich ohne zeitliche und sachliche Zuordnung
auf eine nur selektive Benennung möglicherweise einschlägiger
Regelungen, um aus ihnen generelle Schlussfolgerungen zu ziehen.
Insbesondere kommt jedoch steuerrechtlich eine Bestätigung der
abschließenden Qualifizierung von Zahlungen als Einkommen durch die
Berufungsgerichte erst dann in Betracht, wenn abschließend feststeht,
dass sich diese nicht als notwendige Begleiterscheinung
betriebsfunktionaler Zielsetzungen darstellen und auch kein Tatbestand
der Steuerfreiheit im bundesdeutschen Recht erfüllt ist.
Im Rahmen einer erneuten bundesrechtlichen Würdigung werden die
Berufungsgerichte in verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht zu
beachten haben, dass sich der Aufhebungsanspruch der Kläger nach § 44
Abs 2 SGB X richtet, weil sich Abs 1 der Norm nur auf solche bindenden
Verwaltungsakte bezieht, die unmittelbar einen Anspruch auf
Sozialleistungen betreffen (BSG vom 29.5.1991 – 9a/9 RVs 11/89).
In der Streitsache B 5 RS 1/14 R wird das LSG prozessual zusätzlich zu
berücksichtigen haben, dass das mit der Berufung angegriffene Urteil des
SG über das Klagebegehren hinausgeht, nachdem die Aufhebungsablehnung
während des Klageverfahrens ausdrücklich nicht mehr in vollem Umfang
angegriffen worden ist. In den Streitsache B 5 RS 2/14 R und B 5 RS
3/14 R ergibt sich jeweils aus den Gründen der angegriffenen
Entscheidungen noch hinreichend deutlich, dass das LSG entgegen dem zu
weit gefassten Tenor in Wahrheit nur noch über den im Berufungsverfahren
maßgeblichen Streitgegenstand entschieden hat. Im Rechtsstreit B 5 RS
2/13 R begehrt der Kläger schließlich nicht nur die "Abänderung",
sondern die vollständige Aufhebung des Urteils des SG hinsichtlich des
allein streitigen Verpflegungsgeldes.
3)
SG Halle - S 6 R 628/09 -
LSG
Sachsen-Anhalt - L 1 RS 28/12 -
Bundessozialgericht - B 5 RS 1/13 R -
4) SG Dresden - S 42 RS 2179/09 -
Sächsisches LSG - L 4 RS 204/11 -
Bundessozialgericht - B 5 RS 1/14 R -
5) SG Chemnitz - S 7 RS 1838/09 -
Sächsisches LSG - L 4 RS 757/12 -
Bundessozialgericht - B 5 RS 2/14 R -
6) SG Chemnitz - S 15 RS 1378/09 -
Sächsisches LSG - L 4 RS 357/11 -
Bundessozialgericht - B 5 RS 3/14 R -
7) SG Leipzig - S 27 RS 1071/09 -
Sächsisches LSG - L 4 RS 197/12 -
Bundessozialgericht - B 5 RS 2/13 R -