Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 2. Senats vom 30.6.2009 - B 2 U 3/08 R -, Urteil des 12. Senats vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R -, Urteil des 12. Senats vom 17.12.2014 - B 12 KR 20/12 R -, Urteil des 12. Senats vom 18.12.2013 - B 12 R 2/11 R -, Urteil des 12. Senats vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R -, Urteil des 12. Senats vom 17.12.2014 - B 12 KR 19/12 R -
Kassel, den 9. Dezember 2014
Terminvorschau Nr. 60/14
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 17. Dezember 2014 im Elisabeth-Selbert-Saal über vier Revisionen zu versicherungs- und beitragsrechtlichen Fragen der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zu entscheiden.
1) 9.30 Uhr - B 12 KR 23/12 R -
R. ./. Energie BKK
Die Beteiligten streiten über die Art und Weise der Berechnung von
Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aus zwei
verschiedenen Versorgungsbezügen. Der 1944 geborene Kläger ist als
Rentner versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten BKK. Er erhält
folgende monatliche Einnahmen:
• Altersrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung (GRV-Rente; 2009: 1362,42 Euro)
•
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrente; seit
1.10.2008 3172,89 Euro)
• Rente aus der Alterssicherung der
Landwirte (AdL-Rente; seit 1.1.2009 341,87 Euro).
Mit Schreiben vom 9.2.2009 teilte die Beklagte dem Kläger die ihrer
Ansicht nach jeweiligen beitragspflichtigen Anteile der genannten
Versorgungsbezüge (= Betriebsrente, AdL-Rente) in der GKV mit und
gelangte dabei zu dem Ergebnis, dass monatliche Beiträge auf einen
Betrag von insgesamt 2312,58 Euro zu zahlen seien. Sie legte dabei
‑ unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) 2009
(= 3675 Euro) ‑ folgende Berechnung zugrunde:
1.
3172,89 Euro Betriebsrente + 341,87 Euro AdL-Rente = 3514,76 Euro Summe
Versorgungsbezüge
2. 3675 Euro (BBG) ./. 1362,42
Euro GRV-Rente = 2312,58 Euro verbleibender beitragspflichtiger
Restbetrag der Versorgungsbezüge neben der GRV-Rente
3.
2312,58 Euro x 3172,89 Euro : 3514,76 Euro = 2087,64 Euro anteiliger
beitragspflichtiger Teil der Betriebsrente
4.
2312,58 Euro x 341,87 Euro : 3514,76 Euro = 224,94 Euro anteiliger
beitragspflichtiger Teil der AdL-Rente.
Im März 2009 setzte die Beklagte den jeweiligen beitragspflichtigen
Anteil der Versorgungsbezüge des Klägers ‑ anknüpfend an das vorgenannte
Schreiben ‑ durch Bescheid fest. Bei Bezug einer AdL-Rente und einem
weiteren Versorgungsbezug sei für die Ermittlung des jeweiligen Umfangs
der Beitragspflicht bis zum Erreichen der BBG für die jeweiligen
Leistungen eine Verhältnisrechnung durchzuführen. Dies ergebe sich aus
Besprechungsergebnissen und einem Rundschreiben der Spitzenverbände der
Krankenkassen.
Mit
seinem Widerspruch beanstandete der Kläger die im Wege der
Verhältnisrechnung erfolgte Ermittlung der in der GKV
beitragspflichtigen Versorgungsbezüge. Die Betriebsrente müsse der
AdL-Rente ‑ für die nach § 248 S 2 SGB V privilegierend nur der halbe
allgemeine Beitragssatz gelte und die wie die GRV-Rente privilegierend
behandelt werden müsse ‑ nachrangig sein. Nur die Betriebsrente sei
dann bis zur BBG mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz zu
verbeitragen.
Nach
erfolglosem Widerspruch hat das angerufene SG die Bescheide der
Beklagten aufgehoben und sie verpflichtet, die Beitragsbemessung
entsprechend dem Begehren des Klägers vorzunehmen. Das LSG hat auf die
Berufung der Beklagten das SG-Urteil geändert und die Klage abgewiesen:
Das Rechtsschutzziel des Klägers sei auf Bescheidanfechtung und die
Feststellung gerichtet, dass die AdL-Rente der Beitragspflicht in vollem
Umfang unterliege und die Betriebsrente nur in Höhe der Differenz aus
der BBG abzüglich der GRV-Rente und der AdL-Rente. Die Beklagte sei zur
Festsetzung der Höhe der beitragspflichtigen Anteile der Betriebsrente
und der AdL-Rente nach § 256 Abs 1 S 4 SGB V (idF des GRG; nunmehr § 256
Abs 1 S 5 SGB V) befugt. Zu entscheiden sei daher über die Frage, in
welcher Rangfolge Versorgungsbezüge beitragspflichtig seien, wenn die
beitragspflichtigen Einnahmen insgesamt die BBG überschritten, jedoch
bei Abzug der GRV-Rente von der BBG ein zu verbeitragender
Differenzbetrag verbleibe und für den jeweiligen Versorgungsbezug
unterschiedliche Beitragssätze zur Anwendung kämen. Diese Frage sei
weder gesetzlich geregelt noch stellten die von der Beklagten
herangezogenen Besprechungsergebnisse und Rundscheiben eine
Rechtsgrundlage dar. § 22 Abs 2 S 1 SGB IV (mit der Rechtsfolge der
Verminderung der jeweiligen beitragspflichtigen Einnahmen nach dem
Verhältnis ihrer Höhe zueinander) finde zwar ebenfalls keine
unmittelbare Anwendung, da der Kläger ‑ anders als die Regelung
voraussetze ‑ keine beitragspflichtigen Einnahmen aus "mehreren"
Versicherungsverhältnissen habe. Allerdings sei die Regelung
vorliegend analog anzuwenden. Dass § 248 S 2 SGB V für AdL-Rentner
einen niedrigeren Beitragssatz vorsehe, stehe dem nicht entgegen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 248 S 2 SGB V
sowie von § 237 S 1 SGB V und beanstandet die vom LSG befürwortete
analoge Anwendung des § 22 Abs 2 Satz 1 SGB IV. § 248 S 2 SGB V mit
seiner beitragsrechtlichen Privilegierung der AdL-Rente (= halber
allgemeiner Beitragssatz) impliziere die beitragsrechtliche
Gleichstellung von AdL-Rentnern und GRV-Altersrentnern, bei denen nach
§ 249a SGB V der Versicherte grundsätzlich auch nur die Hälfte der
Beiträge trage. Die § 237 S 1 SGB V für beitragspflichtige Einnahmen
versicherungspflichtiger Rentner zu entnehmende Rangfolge (=
1. Zahlbetrag der GRV-Rente, 2. Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren
Einnahmen, 3. Arbeitseinkommen) bedinge eine Gleichstellung der
AdL-Rente mit der GRV-Rente. Das führe dazu, dass die AdL-Rente in
voller Höhe ‑ und nicht nur anteilig ‑ beitragspflichtig sei; erst
anschließend sei der beitragspflichtige Teil der Betriebsrente unter
Berücksichtigung der BBG zu errechnen.
SG Detmold - S 3 KR 134/09 -
LSG
Nordrhein-Westfalen - L 11 KR 380/10 -
2) 10.30 Uhr -
B 12 R 13/13 R - V. ./. Deutsche
Rentenversicherung Baden-Württemberg
beigeladen: 1. B. GmbH, 2. IKK Classic
3. Bundesagentur für Arbeit, 4. Pflegekasse IKK Classic
Die Klägerin (Wirtschaftsassistentin, Industriekauffrau und
Bilanzbuchhalterin; Mutter von vier in der Zeit bis 2006 geborenen
Kindern) war bis März 2001 bei der Beigeladenen zu 1. als
(Lohn‑)Buchhalterin für 20 Wochenstunden (abhängig) beschäftigt
(Tätigkeit: Lohn- und Gehaltsabrechnung). Anschließend verrichtete
sie die Aufgaben in Absprache mit der Beigeladenen zu 1. als
"Selbstständige". Ab 2002 mietete sie von ihrem Ehemann unter ihrer
Wohnanschrift einen 9 m2 großen Büroraum an. Bis 2004 hatte sie mehrere
Auftraggeber, schränkte dann aber ihre Tätigkeit ein, für die
Beigeladene zu 1. auf 15-16 Wochenstunden. Die von der Klägerin
abgegebenen Aufgaben (zB Zahlungserinnerungen, Mahnungen) erledigt
seitdem ein bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigter Bürokaufmann, der
der Klägerin zuarbeitet. 2- bis 3‑mal pro Woche arbeitet sie in den
Geschäftsräumen der Beigeladenen zu 1. jeweils von ca 9.00 Uhr/9.30
Uhr bis 12 Uhr. Dort tauscht sie Belege und Unterlagen aus, bespricht
Änderungen und Sonderfälle und erledigt besonders dringende
Angelegenheiten. Sie nutzt eine nur dort vorhandene, auf den Betrieb
abgestimmte Software. Mit der Beigeladenen zu 1. rechnet sie
vereinbarungsgemäß im Voraus meist einen monatlichen Pauschalbetrag von
1500 Euro ab; die Rechnungssummen liegen je nach Arbeitsanfall teilweise
‑ zB bei Krankheit, Urlaub oder erhöhtem Arbeitsanfall darüber oder
darunter. Die Rechnungsstellung seitens der Klägerin erfolgt weit
überwiegend in der ersten Monatshälfte. Die Tätigkeit für die
Beigeladene zu 1. machte bis 2004 ca 88% ihres Gesamtumsatzes aus, 2005:
97,5%, 2006: 100%, 2007 bis 2008: 99%. Im Jahr 2009 akquirierte sie
einen neuen Auftraggeber und erledigt seitdem zusätzlich die Buchhaltung
ihres Ehemannes (Beschäftigter und Nebenerwerbslandwirt). Im
Februar/März 2006 beschäftigte die Klägerin Frau K.
versicherungspflichtig und von Februar bis Oktober 2005 sowie von
Juli bis Oktober 2008 Frau S. geringfügig bzw im
Haushaltsscheckverfahren (Aufgaben: anfänglich Büro-, anschließend
Haushaltsarbeiten). In den Quartalen II und III/2008 beauftragte sie
einen Buchhaltungs- und Büroservice mit Arbeiten für die Beigeladene
zu 1. (zusammen 13,5 Stunden).
Anfang 2009 führte der beklagte Rentenversicherungsträger bei der
Beigeladenen zu 1. eine Betriebsprüfung durch (Prüfzeitraum 2005 bis
2008). Durch an diese gerichteten Bescheid stellte die Beklagte
anschließend ua fest, dass die Klägerin versicherungspflichtig in der
GKV, sozialen Pflegeversicherung (sPV), GRV und Arbeitslosenversicherung
gewesen sei und forderte 31 846,36 Euro
Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Umlagebeträge nach; das
hiergegen angestrengte Klageverfahren ruht. Mit einem weiteren
Bescheid traf die Beklagte im Dezember 2009 gegenüber der Klägerin
ebenfalls die Feststellung, dass sie insoweit als Beschäftigte
versicherungspflichtig sei.
Nach zurückgewiesenem Widerspruch der Klägerin hat das SG die an sie
gerichteten Bescheide aufgehoben und festgestellt, die Klägerin sei
für die Beigeladene zu 1. nicht versicherungspflichtig beschäftigt; den
Ausschlag dafür gebe, dass die Klägerin Kindererziehung und Mithilfe bei
ihrem Ehemann veranlasst hätten, weisungsfrei selbstständig zu
arbeiten.
Auf die
Berufung der Beklagten hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die
Klage abgewiesen: Die Beklagte sei auch gegenüber der Klägerin gemäß
§ 28p Abs 1 SGB IV berechtigt gewesen, deren Versicherungspflicht als
(abhängig) Beschäftigte festzustellen. Sie sei in den Betrieb der
Beigeladenen zu 1. eingegliedert, verrichte dort dieselben Tätigkeiten
wie zuvor bis Ende März 2001, arbeite mit Angestellten der Beigeladenen
zu 1. zusammen und verrichte die Tätigkeiten in deren Geschäftsräumen
und mit deren Arbeitsmitteln. Das Ausmaß der Anwesenheit im Betrieb
übersteige das bei ggf hinzugezogenen externen Kräften, zB
Steuerberatern, übliche Maß bei weitem. Die Klägerin verrichte ihre
Tätigkeit nicht vollständig weisungsfrei und trage kein nennenswertes
Unternehmerrisiko. Das zeitweilige Delegieren der Tätigkeit an eigene
Beschäftigte oder Selbstständige führe zu keiner anderen Beurteilung,
weil dies nur in geringem Umfang geschehen sei. Vertraglich gewollte
Selbstständigkeit, Gewerbeanmeldung und Veranlagung zur
Einkommenssteuer seien bei alledem nicht entscheidend.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine Verletzung von § 7
Abs 1 SGB IV: Wesentliches Merkmal eines Beschäftigungsverhältnisses
‑ an dem es hier fehle ‑ sei, dass die Arbeitsleistung höchstpersönlich
geschuldet sei. Zu Unrecht habe das LSG angenommen, dass das Delegieren
von Tätigkeiten an Dritte erst dann zu einem anderen Ergebnis führe,
wenn es einen gewissen zeitlichen Rahmen beanspruche. Entgegen der
Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.6.2009 ‑ B 2 U 3/08 R) habe das
LSG das Direktionsrecht unzureichend geprüft und außer Acht gelassen,
dass die Beigeladene zu 1. nichts gegen die Heranziehung Dritter gehabt
habe. Dass der Einsatz Dritter tatsächlich nur in geringem Umfang
erfolgt und schließlich gescheitert sei, habe auf internen Gründen
beruht und allein in ihrer (der Klägerin) Entscheidungsmacht gestanden.
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BAG spreche dies für die
Selbstständigkeit, ohne dass der zeitliche Umfang der Delegation von
Belang sei. Zu Unrecht habe das LSG auch ein unternehmerisches Risiko
verneint. Die frühe Rechnungsstellung gegenüber der Beigeladenen zu 1.
beruhe darauf, dass die Aufgaben von der Klägerin regelmäßig schon
frühzeitig erledigt werden konnten. Sie habe auch jederzeit Korrekturen
ihres Aufwandes vornehmen können, davon jedoch nur ausnahmsweise
Gebrauch gemacht, weil der Umsatz der Beigeladenen zu 1. und der eigene
Arbeitsaufwand keinen größeren Schwankungen unterlegen hätten. Sie (die
Klägerin) habe auch selbst über die Buchhaltungssoftware verfügt,
Datensicherungen von zu Hause aus vorgenommen und dann bei der
Beigeladenen zu 1. eingespielt. Ihr Know-how habe insoweit die Kosten
der Software deutlich überstiegen.
SG Karlsruhe - S 3 KR 2789/10 -
LSG
Baden-Württemberg - L 4 R 2078/11 -
3) 11.30 Uhr - B
12 KR 19/12 R - D. AG ./. Deutsche Rentenversicherung
Knappschaft-Bahn-See
12 beigeladene Sozialversicherungsträger
Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob die Klägerin ‑ eine
Konzerntochter der Deutsche Bahn AG ‑ für die ihren mehr als 50 000
Mitarbeitern gewährten Fahrvergünstigungen (Freifahrten und
Fahrpreisermäßigungen für Personalfahrten, Auslandsfahrten,
Jahresnetzkarten, Schüler- und Ausbildungsfahrkarten,
Urlaubsfahrkarten) nachträglich Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu
zahlen hat (vgl bezogen auf die Rechtslage für das Jahr 2001 bereits
Urteil des Senats vom 18.12.2013 ‑ B 12 R 2/11 R ‑ SozR 4-2400 § 23a
Nr 7). Den geldwerten Vorteil der Fahrvergünstigungen für die Jahre 1999
bis 2003 versteuerte die Klägerin zT pauschal, zT aber auch gar nicht.
Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung forderte das
Betriebsstättenfinanzamt für die Vergünstigungen ua Lohnsteuer nach.
Wegen der geprüften Sachverhalte und der Berechnungsgrundlagen verweisen
die Bescheide auf Berichte über die Außenprüfung, wonach jeweils "auf
Antrag des Arbeitgebers … die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz
erhoben (§ 40 EStG)" wurde.
Der beklagte Rentenversicherungsträger forderte anschließend nach einer
eigenen Betriebsprüfung von der Klägerin mit nicht personenbezogenem
Bescheid (Summenbescheid) für 1999 bis 2001 sowie für 2003
Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach (für die Jahre 2001 und 2003
insgesamt 880 389,23 Euro). Hierzu wurden die Bescheide des
Betriebsstättenfinanzamts ausgewertet und die Steuernachforderungen
zum Anlass auch für die Beitragsnachforderung genommen. Den Widerspruch
der Klägerin wies die Beklagte mit der Begründung zurück, dass das
Betriebsstättenfinanzamt keine nachträgliche Korrektur der Pauschsteuer
nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG vorgenommen, sondern Lohnsteuer in
Anwendung von § 40 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG nacherhoben habe.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das SG die Bescheide der Beklagten
aufgehoben, soweit es die ‑ als verjährt angesehenen ‑ Beiträge für die
Jahre 1999 und 2000 anbelangt. Die (nur) die Jahre 2001 und 2003
betreffende Berufung der Klägerin hat das LSG zurückgewiesen: Die
geldwerten Vorteile in Form der in diesen Jahren gewährten
Vergünstigungen seien beitragspflichtiges Arbeitsentgelt und nicht
aufgrund des § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV von der Beitragspflicht
ausgenommen. Dessen Tatbestand sei nicht erfüllt, weil ‑ wie näher
ausgeführt wird ‑ den Bescheiden des Betriebsstättenfinanzamts (anders
als für die fehlende Beitragspflicht nötig) keine Pauschalierung nach
§ 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG, sondern nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG zugrunde
liege. Offenbleiben könne, ob auch nachträglich eine Pauschalierung nach
§ 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG überhaupt hätte beantragt werden können, weil
die Klägerin einen solchen Antrag weder gestellt noch die
"Pauschalierungsbescheide" angefochten habe. Ein solcher Antrag sei
auch ohne Erfolgsaussicht gewesen, da die obligatorische Prüfung der in
diesem Zusammenhang bedeutsamen 1000 Euro-Jahres-Grenze nicht mehr habe
erfolgen können und dürfen. Für die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung
der Finanzbehörden und die Fehlerhaftigkeit der davon ausgehenden
Indizwirkung für den Bereich der Sozialversicherung gebe es keine
hinreichenden Anhaltspunkte.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine Verletzung von § 2
Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV. Entgegen der Auffassung des LSG lägen die
Voraussetzungen des dort geregelten, zum Nichteingreifen der
Beitragspflicht führenden Ausnahmetatbestandes vor. Sie habe einen
Anspruch auf "Qualifikation" auch der im Jahr 2001 gewährten
Fahrvergünstigungen als "nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" und
darauf, dass die Fahrvergünstigungen insgesamt als "sonstige Bezüge" iS
des § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG angesehen würden. Die Voraussetzungen einer
darauf zu gründenden lohnsteuerrechtlichen Pauschalierung seien im
sozialversicherungsrechtlichen Verfahren ohne Bindung an Entscheidungen
der Finanzverwaltung zu prüfen und auch ‑ was nach § 2 Abs 1 S 1 Nr 1
ArEV allein erforderlich sei ‑ dem Grunde nach erfüllt; insbesondere
liege ein auf Pauschalierung nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG gerichteter
Antrag im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren vor. In Bezug auf die
Einhaltung der 1000 Euro-Grenze sei die Höhe der Bezüge zu schätzen. Sie
(die Klägerin) könne die Behandlung der Fahrvergünstigungen als "nicht
einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" ferner schon allein deshalb
beanspruchen, weil ihr Vertrauen in die vor der Veröffentlichung der
Urteile des BSG vom 7.2.2002 (BSGE 89, 158 = SozR 3-2400 § 28f Nr 2;
SozR 3-2400 § 14 Nr 23) bestehende Verwaltungspraxis der
Sozialversicherungsträger zur fehlenden Beitragspflicht schützenswert
sei. Die Beklagte sei für die streitigen Beitragserhebungszeiträume von
einer langjährigen begünstigenden Verwaltungsübung abgewichen, im
konkreten Fall aber an entgegenstehende Besprechungsergebnisse der
Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger gebunden gewesen. Der
Gesetzgeber habe erkennbar nur aufgrund der Verlautbarung der
Spitzenverbände, die Rechtsprechung des BSG vor dem 1.1.2003 nicht
anzuwenden, auf eine rückwirkende gesetzliche Änderung verzichtet; die
Spitzenverbände hätten ihrerseits wegen der erwarteten gesetzlichen
Neuregelung die Nichtanwendung der Rechtsprechung bis zum
Inkrafttreten der Neuregelung bestätigt; dieses Zusammenwirken habe
‑ mit Blick auf Art 3 Abs 1 GG ‑ zu einer Selbstbindung der
Spitzenverbände und ihrer Mitglieder geführt, nach dem "Verzicht" des
Gesetzgebers auf eine rückwirkende Regelung nicht wieder eine
gegenteilige Position einzunehmen. Die Nichtanwendung von
veröffentlichten Besprechungsergebnissen (nur) auf bestimmte
Beitragsverpflichtete sei willkürlich. "Sonstige Bezüge" nach § 40
Abs 1 S 1 Nr 1 EStG lägen hier vor. Für die "Qualifikation" der
Fahrvergünstigungen komme es im Kontext des § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV
nämlich nach Wortlaut, Systematik und Zweck der Norm nur darauf an, ob
die Vergünstigungen ihrer Art nach materiell-rechtlich solche Bezüge
darstellen könnten; auf den Zeitpunkt der Pauschalversteuerung komme es
hingegen nicht an. Eine Bindung der Sozialversicherung an die
Entscheidungen der Finanzverwaltung scheide im Übrigen schon deshalb
aus, weil die Pauschalierungsgrundlage nicht Bestandteil des
Verfügungssatzes eines Lohnsteuernachforderungsbescheides sei.
SG Frankfurt am Main - S 25 KR 499/06 -
Hessisches LSG - L 8 KR 199/09 -
4) 11.30 Uhr - B
12 KR 20/12 R - D. AG ./. Deutsche Rentenversicherung
Knappschaft-Bahn-See
14 beigeladene Sozialversicherungsträger
Auch in diesem Revisionsverfahren streiten die Beteiligten (noch)
darüber, ob die Klägerin ‑ ebenfalls Konzerntochter der Deutsche
Bahn AG ‑, für die ihren mehr als 20 000 Mitarbeitern gewährten
Fahrvergünstigungen nachträglich Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu
zahlen hat. Betroffen ist nur noch das Jahr 2003. Der beklagte
Rentenversicherungsträger forderte von der Klägerin auch hier nach einer
Betriebsprüfung mit einem Summenbescheid für die Jahre 1999 bis 2001 und
2003 Gesamtsozialversicherungsbeiträge unter Auswertung von Bescheiden
des Betriebsstättenfinanzamts über Steuernachforderungen nach. Später
beschränkte die Beklagte ihre Nachforderung (für 2003: 12 816,34 Euro).
Das SG hat die Bescheide für die Jahre 1999 und 2000 wegen Verjährung
aufgehoben und die Klage für die Jahre 2001 und 2003 abgewiesen. Die
nur noch gegen die Beitragsforderung für das Jahr 2003 gerichtete
Berufung der Klägerin hat das LSG aus den zum Fall 3. beschriebenen
Gründen zurückgewiesen. Mit ihrer Revision erhebt die Klägerin Rügen wie
im dortigen Verfahren.
SG Frankfurt am Main - S 25 KR 497/06 -
Hessisches LSG - L 8 KR 200/09 -