Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 2. Senats vom 4.12.2014 - B 2 U 16/13 R -, Urteil des 2. Senats vom 4.12.2014 - B 2 U 14/13 R -, Urteil des 2. Senats vom 4.12.2014 - B 2 U 13/13 R -, Urteil des 2. Senats vom 4.12.2014 - B 2 U 18/13 R -, Urteil des 2. Senats vom 4.12.2014 - B 2 U 10/13 R -, Urteil des 2. Senats vom 4.12.2014 - B 2 U 11/13 R -
Kassel, den 27. November 2014
Terminvorschau Nr. 56/14
Der für Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung zuständige 2. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 4. Dezember 2014 im Elisabeth-Selbert-Saal über sechs Revisionen nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden.
1) 10.00 Uhr - B 2 U 13/13 R -
A.-K. P. ./. Unfallkasse NRW
Streitig ist, ob der Skiunfall einer Studentin ein Arbeitsunfall ist.
Die 1986 geborene Klägerin war im Wintersemester 2007/2008 als
ordentliche Studierende an der Universität M. in den Fächern Mathematik
und Germanistik sowie Katholische Theologie eingeschrieben. Im August
2007 meldete sie sich zu einem Sporttouren-Kurs an, der vom
Hochschulsport M. als selbständige Betriebseinheit der Universität M. im
Rahmen des Hochschulsport-Programms für den Zeitraum vom 29.12.2007 bis
05.01.2008 in der Schweiz veranstaltet wurde. Die Klägerin belegte mit
anderen mitgereisten Studierenden einen Skikurs für Anfänger, der von
einem vom Hochschulsport M. gestellten Skilehrer geleitet wurde. Am
03.01.2008 erlitt sie dort während der Teilnahme an dem Skikurs einen
Unfall, als sie auf der Skipiste von einem Snowboardfahrer mit
erheblicher Geschwindigkeit umgefahren wurde. Dabei erlitt sie
Verletzungen in Form eines Schlüsselbein- sowie eines Oberschenkelbruchs
und musste stationär behandelt werden.
Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall
ab. Bei der Veranstaltung habe der Freizeitcharakter im Vordergrund
gestanden. Es sei kein wesentlicher sachlicher Zusammenhang mit den
gesundheitlichen, sozialen und persönlichkeitsbildenden Aufgaben des
Hochschulsports begründbar. Nach erfolglosem Widerspruch hat die
Klägerin Klage vor dem SG erhoben, das die Klage abgewiesen hat. Das LSG
hat auf die Berufung der Klägerin dieses Urteil und die Bescheide der
Beklagten aufgehoben. Der hier allein in Betracht kommende
Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII sei auf den
organisatorischen Verantwortungsbereich der Hochschule beschränkt. Dabei
sei nicht nur der unmittelbare Besuch von Hochschulveranstaltungen
versichert, der Versicherungsschutz solle aber nicht auf Bereiche
ausgedehnt werden, die der Privatsphäre des Studierenden zuzurechnen
seien. In den Verantwortungsbereich der Hochschule in diesem Sinne falle
auch der von der Universität organisierte Hochschulsport. Der
Sporttouren-Kurs sei offizieller Bestandteil des Hochschulsportprogramms
gewesen und vom Hochschulsport M. organisiert, angeboten und
veranstaltet worden. Es habe eine durch den Hochschulsport organisierte
Vorbesprechung der Tour in den Räumlichkeiten der Universität M.
stattgefunden. Die Abfahrt der Teilnehmer sei nach deren Anmeldung im
Büro des Hochschulsports erfolgt. Zudem seien die Skilehrer vor Ort vom
Hochschulsport gestellt und für den organisatorischen Ablauf
verantwortlich gewesen. Die Fahrt in die Schweiz und zurück, die
Unterbringung vor Ort und die Verpflegung sowie der (Anfänger-)Skikurs
selbst seien jeweils Bestandteile der Organisation durch den
Hochschulsport. Der Zurechnung zum organisatorischen
Verantwortungsbereich der Hochschule stehe auch nicht entgegen, dass die
Veranstaltung im Ausland stattgefunden und dass der Kurs auch
Hochschulexternen zu denselben Bedingungen offen gestanden habe.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt die
Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII.
SG Münster
- S 13 U 326/08 -
LSG
Nordrhein-Westfalen
- L 4 U 579/10 -
2) 10.45 Uhr
- B 2 U 10/13 R - N. B. ./.
Unfallkasse Rheinland-Pfalz
Streitig ist, ob eine Verletzung während der Deutschen
Hochschulmeisterschaften im Basketball ein Arbeitsunfall ist. Der 1980
geborene Kläger war im Jahr 2009 als Student an der J. G.‑Universität M.
im Fachbereich Wirtschaftspädagogik mit dem Wahlpflichtfach "Sport"
eingeschrieben. Im Sommer 2009 nahm er mit der Hochschulmannschaft der
Universität M. an den Deutschen Hochschulmeisterschaften im Basketball
in Köln teil. Diese wurde vom Allgemeinen Deutschen Hochschulsport (ADH)
organisiert und von der Universität Köln veranstaltet. Die Universität
M. stellte die Universitätsmannschaft auf, organisierte die Fahrt, die
Unterbringung und die Verpflegung während des Turniers und trug die
Kosten hierfür. Am 27.06.2009 erlitt der Kläger bei einem
Basketballspiel am linken Knie ein schweres Anpralltrauma mit
Kniegelenkserguss und eine vordere Kreuzbandruptur.
Die Beklagte lehnte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall
ab. Bei Studierenden bestehe Versicherungsschutz zwar grundsätzlich auch
bei der Teilnahme am allgemeinen Hochschulsport. Nicht hierunter falle
der Leistungssport und die Teilnahme an Wettkämpfen. Die Deutsche
Hochschulmeisterschaft habe im Übrigen nicht im organisatorischen
Verantwortungsbereich der Universität M. stattgefunden. Das SG hat das
Vorliegen eines Arbeitsunfalls festgestellt und das LSG die Berufung der
Beklagten zurückgewiesen. Der organisatorische Verantwortungsbereich der
Universität M. erstrecke sich auch auf die Hochschulmeisterschaften.
Hierfür genüge es, dass die Teilnahme des Klägers von der Hochschule als
Organisation verantwortet worden sei. Der Versicherungsschutz sei auch
nicht ausgeschlossen, weil der Kläger sich die Verletzung bei einem
Wettkampf zugezogen habe. Die für Beschäftigte geltenden Grundsätze zum
Betriebssport seien für Studierende nicht anwendbar. Bei der Beteiligung
des Klägers an den Hochschulmeisterhaften habe es sich nicht um eine
private, sondern um eine wesentlich der Universität dienende Tätigkeit
gehandelt. Die teilnehmenden Studenten repräsentierten die Universität.
Mit ihrer vom LSG
zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 2 Abs 1
Nr 8 Buchst c und 8 Abs 1 SGB VII.
SG Mainz
- S 3 U 239/09 -
LSG
Rheinland-Pfalz
- L 5 U 115/12 -
3) 11.30 Uhr
- B 2 U 14/13 R - B. R. ./.
Unfallkasse NRW
Streitig ist, ob eine Verletzung während eines vom Allgemeinen
Studentenausschuss (AStA) organisierten Fußballturniers ein
Arbeitsunfall ist. Der 1978 geborene Kläger war Student der Katholischen
Fachhochschule N.-W. (KFH NW), Abteilung P. Am 19.06.2007 nahm er an
einem Fußballturnier teil, wobei er sich als Spieler das linke Knie
verdrehte und einen Riss des vorderen Kreuzbandes erlitt. Nach den
Angaben des AStA der Hochschule fand das Turnier jährlich wechselnd an
einer der vier Abteilungen der KFH NW statt. Das Turnier sei vom AStA
der Abteilung P. in Zusammenarbeit mit den ASten der anderen Abteilungen
unter Mitarbeit des Klägers als AStA-Mitglied organisiert worden. Es
hätten ca 60 Studenten, sowie 15 Mitglieder des AStA und des
Studentenparlaments im Organisationskomitee teilgenommen. Die Kosten der
Veranstaltung seien aus dem Etat des AStA der ausrichtenden Abteilung
übernommen, der Kunstrasenplatz kostenlos von der Stadt P. überlassen
worden.
Die Beklagte
lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab. Das Fußballturnier sei
weder eine Veranstaltung im Rahmen des allgemeinen Hochschulsportes
gewesen, noch sei der Kläger im Unfallzeitpunkt einer studienbezogenen
Tätigkeit nachgegangen. Das Turnier sei eine Freizeitveranstaltung
gewesen. Das SG hat die Klage abgewiesen, das LSG die Berufung
zurückgewiesen. Verrichtungen des Klägers als AStA-Mitglied seien zwar
grundsätzlich vom Versicherungsschutz umfasst. Er habe sich jedoch nicht
im Rahmen der Organisation des Turniers, sondern durch die aktive
Teilnahme als Spieler verletzt. Grundsätzlich sei zwar auch der von der
Hochschule organisierte Hochschulsport für Studenten versichert. Dieser
müsse jedoch innerhalb des organisierten Verantwortungsbereiches der
Hochschule und jedenfalls in einer gewissen Regelmäßigkeit stattfinden.
Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, so dass es keiner
Auseinandersetzung mit der Frage bedürfe, ob auch Wettkampfsport umfasst
wäre. Das Turnier habe in keinem Zusammenhang mit den Veranstaltungen
des allgemeinen Hochschulsports gestanden. Die
Organisationsverantwortung des AStA reiche nicht aus, eine
Organisationsverantwortung der Hochschule zu begründen. Schließlich
würden auch die Grundsätze über betriebliche
Gemeinschaftsveranstaltungen keinen Versicherungsschutz begründen, wobei
fraglich sei, ob diese Grundsätze auf den Bereich der Studierenden an
Hochschulen übertragbar seien, weil einer Gemeinschaftsveranstaltung
einer Hochschule eher der Charakter einer organisierten
Freizeitveranstaltung zukäme. Unabhängig davon seien aber die
Voraussetzungen der Anerkennung einer betrieblichen
Gemeinschaftsveranstaltung auch nicht erfüllt.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er rügt eine
Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c und des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII.
SG Detmold
- S 14 U 152/08 -
LSG
Nordrhein-Westfalen
- L 15 U 678/10 -
4) 12.15 Uhr - B
2 U 11/13 R - F.G. ./. BG
Bauwirtschaft
Der
selbständig erwerbstätige Kläger wendet sich gegen den von der Beklagten
erhobenen Mindestbeitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung. Er
betreibt ein Unternehmen für Hausreinigung und –wartung und ist Mitglied
der Beklagten. Im März 2009 teilte der Kläger mit, dass im Jahr 2008 für
30 Arbeitsstunden ein Bruttoarbeitsentgelt von 420,- Euro angefallen
sei. Die Beklagte setzte für das Jahr 2008 einen Beitrag für das
Insolvenzgeld in Höhe von 0,44 Euro, einen Beitrag für den
Betriebsarzt/Arbeitsmedizinischen Dienst in Höhe von 0,55 Euro sowie
einen um 91,06 Euro auf 100,- Euro angehobenen Beitrag zur gesetzlichen
Unfallversicherung fest, nachdem sich insoweit auf Grundlage des
Bruttoarbeitsentgelts ein Beitrag von 8,94 Euro ergeben hätte. Mit
weiterem Bescheid forderte die Beklagte einen um 90,74 Euro auf 100,-
Euro erhöhten Vorschuss auf die Beiträge zur gesetzlichen
Unfallversicherung für das Jahr 2009.
Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er sich gegen die aus seiner Sicht
unverhältnismäßige Höhe des Beitrages wandte. Die Beklagte wies die
Widersprüche unter Hinweis auf § 161 SGB VII und §§ 26 Abs 6, 19 Nr 12
ihrer Satzung zurück. Der Beitrag sei weder überhöht noch sittenwidrig.
Nach Klageerhebung
hat die Beklagte durch weiteren Bescheid für 2009 den errechneten
Umlagebeitrag von 42,71 Euro um 57,29 Euro auf 100,- Euro erhöht sowie
einen Beitrag für den AMD/Technischen Beratungsdienst von 2,54 Euro bzw
0,51 Euro festgesetzt. Das SG hat sodann die Bescheide aufgehoben,
soweit die Beiträge auf den Mindestbeitrag von 100,- Euro angehoben
worden waren. Die Regelung in der Satzung der Beklagten, die dem
Beschluss des Vorstands über die Festsetzung der Höhe des
Mindestbeitrags zugrunde liege, verstoße gegen § 161 SGB VII. Die
Beklagte sei nicht ermächtigt, den Kläger auf der Grundlage dieser
rechtswidrigen Satzungsbestimmung bzw des hierauf ergangenen
Vorstandsbeschlusses mit einem Mindestbeitrag zu belasten. § 161 SGB VII
sei so auszulegen, dass der Satzungsgeber die Festsetzung des
Mindestbeitrags nicht ‑ wie hier geschehen ‑ dem freien Ermessen des
Vorstands überlassen dürfe. Das BSG habe dies für den Bereich der
landwirtschaftlichen Unfallversicherung bereits entschieden. Die
unterschiedliche Formulierung in § 161 SGB VII rechtfertige es nicht,
hinsichtlich der Bestimmung des Mindestbeitrags abweichende
Anforderungen an den Satzungsgeber zu stellen.
Die Beklagte hat Sprungrevision eingelegt. Es verstoße nicht gegen
höherrangiges Recht, wenn die Satzung die Entscheidung über die Höhe des
Mindestbeitrages dem Vorstand überlasse. Während der für die
landwirtschaftliche Unfallversicherung maßgebliche § 182 Abs 2 Satz 3
SGB VII (aF) vorgeschrieben habe, die Satzung könne "einen
Mindestbeitrag .. bestimmen", ordne § 161 SGB VII für alle anderen
Bereiche der gesetzlichen Unfallversicherung nur an, dass die
Entscheidung über den Mindestbeitrag dem Grunde nach getroffen werde.
SG Berlin
- S 98 U 597/09 -
5) 13.00 Uhr
- B 2 U 16/13 R - W. W. ./.
BG Bauwirtschaft
Auch
in diesem Fall (siehe Fall 4) wendet sich der selbständig erwerbstätige
Kläger gegen den von der Beklagten erhobenen Mindestbeitrag zur
gesetzlichen Unfallversicherung. Er betreibt ein Unternehmen für
Bauklempnerei und Sanitärinstallationen und ist Mitglied der Beklagten.
Im Januar 2007 teilte der Kläger mit, dass im Jahr 2006 für
17 Arbeitsstunden ein Bruttoarbeitsentgelt von 122,- Euro angefallen
sei. Die Beklagte setzte für das Jahr 2006 einen Beitrag für das
Insolvenzgeld in Höhe von 0,18 Euro sowie einen auf 100,- Euro
angehobenen Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung fest, nachdem
sich insoweit auf Grundlage des Bruttoarbeitsentgelts ein Beitrag von
4,26 Euro ergeben hätte. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem
er sich gegen die unverhältnismäßige Höhe des Beitrages wandte, denn er
sei nur in geringem Umfang erwerbstätig und beziehe deshalb auch
Arbeitslosengeld II. Die Beklagte wies die Widersprüche unter Hinweis
auf § 161 SGB VII und §§ 26 Abs 6, 19 Nr 12 ihrer Satzung zurück. Der
Beitrag sei weder überhöht noch sittenwidrig.
Das SG hat die Klage abgewiesen, das LSG die Berufung zurückgewiesen.
Die Festsetzung eines Mindestbeitrages beruhe auf den §§ 161 SGB VII, 26
Abs 6 der Satzung der Beklagten. Es verstoße nicht gegen höherrangiges
Recht, wenn die Satzung die Entscheidung über die Höhe des
Mindestbeitrages dem Vorstand überlasse. Während der für die
landwirtschaftliche Unfallversicherung maßgebliche § 182 Abs 2 Satz 3
SGB VII (aF) vorgeschrieben habe, "die Satzung könne "einen
Mindestbeitrag bestimmen", ordne § 161 SGB VII für alle anderen Bereiche
der gesetzlichen Unfallversicherung nur an, dass die Entscheidung über
den Mindestbeitrag dem Grunde nach getroffen werde. Eine weitergehende
Vorgabe für Zuordnungen innerhalb der Selbstverwaltungsorgane gebe es
nicht. Im Übrigen sei der Mindestbeitrag aber auch gerechtfertigt, um
einen Teil des Leistungsrisikos abzudecken. Der Kläger werde durch die
Höhe des Mindestbeitrages nicht existenziell gefährdet. Schließlich sei
auch der Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) nicht verletzt.
Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 161 SGB VII.
SG Magdeburg
- S 3 U 8/08 -
LSG
Sachsen-Anhalt
- L 6 U 81/12 -
6) 14.00 Uhr
- B 2 U 18/13 R - G. S. ./.
Unfallkasse Berlin
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Hinterbliebenenleistungen nach
dem Tod ihres Ehemanns (Versicherter). Der 1943 geborene Versicherte
wurde im September 2006 auf dem Heimweg von der Arbeit mit dem Fahrrad
von einem Motorrad erfasst und schlug mit dem Kopf auf der
Bordsteinkante auf. Hierbei zog er sich ua ein schweres
Schädelhirntrauma zu und verlor das Bewusstsein. Als Folge des
Schädelhirntraumas bestand ein apallisches Syndrom (Wachkoma);
willkürliche Reaktionen waren nicht mehr möglich. Der Versicherte war
vollständig auf pflegerische Hilfe angewiesen. Wegen einer Dysphagie war
der Versicherte seither mit einem Tracheostoma versorgt und wurde
künstlich über eine Magensonde ernährt. Der Versicherte wurde Ende 2006
zur zustandserhaltenden Pflege in ein Wachkomazentrum verlegt.
Die Beklagte anerkannte den Unfall als Arbeitsunfall und gewährte dem
Versicherten eine Verletztenrente nach einer Minderung der
Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 vH. Das Unfallkrankenhaus stellte im März
2010 fest, eine positive Veränderung des Gesundheitszustands des
Versicherten sei nicht mehr zu erwarten. Bei der Klägerin reifte deshalb
der Entschluss, bei ihrem Ehemann die Versorgung über die Magensonde
einzustellen. Sie erstellte gemeinsam mit ihren erwachsenen Söhnen einen
Vermerk, nach dem sich der Verletzte vor seinem Unfall wiederholt und
ganz klar geäußert habe, niemals nur durch lebensverlängernde Maßnahmen
weiterleben zu wollen. Die Klägerin und ihre Söhne entschieden
einvernehmlich, den Versicherten sterben zu lassen. Die Klägerin
durchtrennte nach Absprache mit der Heimleitung am 12.07.2010 die der
Ernährung des Versicherten dienende Magensonde. Der Versicherte verstarb
am 20.07.2010 an Unterernährung, ohne nach dem Unfall das Bewusstsein
wiedererlangt zu haben.
Die Beklagte lehnte die von der Klägerin beantragten Leistungen ab. Das
SG hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenrente und
Sterbegeld zu zahlen, das LSG die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die wesentliche Ursache für den Tod des Versicherten liege in dem
Arbeitsunfall und den dabei erlittenen schwersten Verletzungen. Der
Anspruch sei auch nicht gemäß § 101 SGB VII ausgeschlossen, der einen
Sonderfall der Verwirkung regele. Der Ausschluss setze mithin nicht nur
strafrechtliche Vorwerfbarkeit voraus, sondern er greife selbst dann
nicht ein, wenn eine Tötung auf Verlangen iS von § 216 des
Strafgesetzbuchs (StGB) vorliege. Strafrechtlich nicht sanktionierte
Sterbehilfe für einen Schwerstverletzten durch Behandlungsabbruch mit
dessen tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen, die den Tod als
mittelbare Unfallfolge herbeiführe, schließe dagegen Ansprüche nicht aus
.Bei der von der Klägerin vorgenommenen Sterbehilfe sei kein von der
Rechtsordnung missbilligtes Verhalten zu erkennen, welches nach dem Sinn
und Zweck des § 101 SGB VII die Hinterbliebenenansprüche ausschließen
könnte. Es liege kein strafbewehrtes Tötungsdelikt vor. Die
Staatsanwaltschaft Berlin habe das strafrechtliche Ermittlungsverfahren
wegen eines Tötungsdelikts mangels hinreichenden Tatverdachts im
Hinblick auf das Urteil des BGH vom 25.06.2010 nachvollziehbar
eingestellt.
Mit
ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 101 SGB VII. Sie
weist ua darauf hin, dass das angefochtene Urteil auch der
Rechtsprechung des BSG zu der Parallelvorschrift des § 105 SGB VI in der
Gesetzlichen Rentenversicherung widerspreche.
SG Berlin
- S 25 U 216/11 -
LSG
Berlin-Brandenburg
- L 3 U 36/12 -