Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 10. Senats vom 20.5.2014 - B 10 EG 11/13 R -, Urteil des 10. Senats vom 20.5.2014 - B 10 EG 9/13 R -, Urteil des 10. Senats vom 20.5.2014 - B 10 EG 2/14 R -
Kassel, den 20. Mai 2014
Terminbericht Nr. 20/14
(zur Terminvorschau Nr. 20/14)
Der 10. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 20. Mai 2014.
1) Der Senat hat die Revision des beklagten
Freistaats zurückgewiesen. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden,
dass der Klägerin ein Anspruch auf höheres Elterngeld zustand. Die
Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen für den Elterngeldbezug: sie
lebte mit ihrem Kind in Deutschland in einem gemeinsamen Haushalt, erzog
es selbst und weil sie seinerzeit keine Erwerbstätigkeit ausübte, büßte
sie Einkommen wegen Kindererziehung ein. Auf ihren rechtzeitig
gestellten Elterngeldantrag hat der Beklagte ihr Elterngeld in Höhe von
67 % des im maßgeblichen Bemessungszeitraum ‑ zwölf Kalendermonate vor
dem Monat der Geburt ihres Sohnes (am 19.1.2008) ‑ durchschnittlich
erzielten monatlichen Einkommens aus nichtselbstständiger Arbeit zu
gewähren. Auch für die Monate Januar und Februar 2007 ist das
vollständige, aus den Bezügemitteilungen des Dienstherrn der Klägerin
ersichtliche Gesamtbruttoentgelt von 2929,20 € monatlich zu
berücksichtigen. Zwar reicht es nicht aus, dass der Erwerbstätige einen
Vergütungsanspruch erworben hat; das Einkommen muss ihm auch zugeflossen
sein. Allerdings kommt es weniger auf den Zeitpunkt des Zuflusses als
vielmehr auf die Möglichkeit an, das Einkommen dem Bemessungszeitraum
zuzurechnen, weil es sich um eine konkrete Gegenleistung für gerade in
dieser Zeit geleistete Dienste handelt. Daher gehören auch die im
Bemessungszeitraum durch Aufrechnung nicht zur Auszahlung gelangten
Gehaltsbestandteile der Klägerin für Januar und Februar 2007 zum
berücksichtigungsfähigen Einkommen, weil ihr bereits zuvor Überzahlungen
in derselben Höhe zugeflossen waren. Für die Bemessung des Elterngeldes
ist nicht nur das dem Berechtigten im Bemessungszeitraum tatsächlich
zugeflossene, sondern auch das darin erarbeitete Arbeitsentgelt zugrunde
zu legen, soweit der Vergütungsanspruch durch Aufrechnung mit einer
Rückforderung wegen einer zuvor entstandenen Überzahlung erloschen ist.
SG München
- S 33 EG 113/08 -
Bayerisches LSG
- L 12 EG 93/09 -
Bundessozialgericht
- B 10 EG 11/13 R -
2) Der Senat
hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Das LSG hat ihr zu Recht
lediglich Elterngeld in der Höhe des Mindestsatzes von 300 €
zugesprochen. Die Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen für den
Anspruch auf Elterngeld, denn sie hatte im Anspruchszeitraum ihren
Wohnsitz in Deutschland, lebte mit ihrer Tochter in einem Haushalt,
betreute sowie erzog diese selbst und übte keine Erwerbstätigkeit aus.
Der Status der Klägerin als Beamtin des Europäischen Patentamtes (EPA)
steht einem Elterngeldanspruch nach deutschem Recht nicht entgegen.
Auch das Europäische Patentübereinkommen schließt die Klägerin nicht vom
Bezug von Elterngeld aus, weil es lediglich für beitragsfinanzierte
Leistungen des deutschen Sozialsystems einen Leistungsausschluss
enthält. Der Klägerin steht aber lediglich das Mindestelterngeld in Höhe
von 300 € zu. Ihre Dienstbezüge als Beamtin des EPA sind kein Einkommen
aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit iS von § 2 Abs 1 BEEG. Sie
sind deshalb der Berechnung des Elterngeldes nicht zugrunde zu legen.
Denn die Bezüge der Klägerin werden intern vom EPA besteuert und sind
im Gegenzug von der deutschen Einkommensteuer befreit. In die
Bemessungsgrundlage des Elterngeldes fließen aber nur Einkünfte ein,
die der deutschen Einkommensteuer unterliegen; steuerfreie Einkünfte
erhöhen das Elterngeld grundsätzlich nicht. Dabei spielt es keine Rolle,
ob sich die Steuerbefreiung aus Normen des deutschen
Einkommensteuergesetzes oder aus in der Wirkung vergleichbaren
völkerrechtlichen Vorschriften ergibt. Aus der bevorzugten
Rechtsposition, die das Völkerrecht Bediensteten des EPA einräumt, kann
die Klägerin ebenfalls keinen Anspruch auf höheres Elterngeld ableiten.
Diese besondere völkerrechtliche Rechtsposition soll lediglich die
Unabhängigkeit der Institution schützen und nicht individuelle Vorteile
ihrer Bediensteten begründen. Der Ausschluss der Klägerin vom Bezug
höheren als des Mindestelterngeldes von 300 € verletzt auch nicht den
allgemeinen Gleichheitssatz. Denn die Klägerin hat ihre steuerfreien
Einkünfte während ihrer Eingliederung in die umfassende autonome
Sozialrechtsordnung bezogen, die das EPA für seine Bediensteten
errichtet hat. Dies rechtfertigt es, solche Einkünfte anders zu
behandeln als diejenigen, die Eltern unter den Bedingungen des
deutschen Sozialsystems erwirtschaftet haben. Die vom BEEG darüber
hinaus bezweckte Anerkennung ihrer Erziehungs- und Betreuungsleistung in
Deutschland ist durch die Gewährung des Mindestelterngeldes hinreichend
gewährleistet.
SG
München
- S 33 EG 81/09 -
Bayerisches LSG
- L 12 EG 41/10 -
Bundessozialgericht
- B 10 EG 9/13 R -
3) Die Revision
wurde in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
SG Stralsund
- S 8 EG 1/12 -
Bundessozialgericht
- B 10 EG 15/13 R -
4) Der Senat
hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin erfüllt zwar
die Grundvoraussetzungen für den Anspruch auf Elterngeld, weil sie
zuletzt ihren Wohnsitz in Deutschland hatte, ihre Tochter betreute und
erzog und im streitbefangenen Zeitraum keine Erwerbstätigkeit ausübte.
Die Klägerin kann aber nicht verlangen, dass der Beklagte ihr in China
erzieltes und auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens dort
versteuertes Einkommen bei der Elterngeldbemessung berücksichtigt. Nach
der anwendbaren Gesetzesfassung vom 1.1.2011 sind für das Elterngeld nur
im Inland versteuerte Einkünfte zu berücksichtigen. Diese Regelung
hatte, was die Berücksichtigung steuerfreier Einkünfte anging, keine
rechtfertigungsbedürftige Rückwirkung, obwohl die Tochter der Klägerin
bereits im November 2010 geboren wurde. Auch nach der bis zum 31.12.2010
geltenden Fassung des § 2 Abs 1 BEEG war nur zu versteuerndes Einkommen
in die Elterngeldberechnung einzubeziehen, welches der deutschen
Einkommensteuer unterlag. Der Ausschluss auf Grund eines
Doppelbesteuerungsabkommens steuerfreier Einkünfte aus der
Bemessungsgrundlage des Elterngeldes verstößt nicht gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz. Er ist durch hinreichend gewichtige Gründe
des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Die Klägerin hat ihre steuerfreien
Einkünfte vor der Geburt ihrer Tochter unter den wesentlich anderen
Bedingungen einer ausländischen Wirtschafts– und Sozialordnung erzielt.
Dies kann es rechtfertigen, solche Einkünfte anders zu behandeln als
diejenigen, die Eltern unter den Bedingungen des deutschen Sozialsystems
erwirtschaftet und in Deutschland versteuert haben. Für eine
Gleichbehandlung ausländischer Einkünfte bei der Elterngeldbemessung
fehlt es an einem sachlichen Anknüpfungspunkt bzw einer Äquivalenzregel
im BEEG. Das Elterngeld dient nicht dazu, die unter den anders gearteten
Bedingungen im Ausland erarbeitete familiäre Lebenssituation nach der
Rückkehr nach Deutschland aufrechtzuerhalten. Zudem ist eine Gewährung
an die Erwartung geknüpft, dass die begünstigte Familie dauerhaft in
Deutschland bleibt. Ein längerer Aufenthalt im Ausland kann diese
Erwartung infrage stellen.
Obwohl die Revision erfolglos geblieben ist, hat der Senat dem Beklagten
die Hälfte der Verfahrenskosten auferlegt. Denn der Beklagte hat
sehenden Auges einen von Anfang an rechtswidrigen Bescheid über zu hohes
Elterngeld erlassen, nur um diesen dann sogleich wieder aufzuheben. Für
die Aufhebung hat sich der Beklagte zudem auf die unzutreffende
Rechtsgrundlage des § 48 SGB X gestützt. Zwar lässt sich sein
Änderungsbescheid ausnahmsweise in einen Rücknahmebescheid nach § 45
SGB X umdeuten, weil das Rücknahmeermessen des Beklagten angesichts des
geschilderten Geschehensablaufs auf null reduziert war. Gleichwohl hat
der Beklagte durch seine nicht nachvollziehbare Bescheidpraxis in
normativer Betrachtungsweise den Rechtsstreit jedenfalls zum großen Teil
veranlasst.
SG
Lüneburg
- S 8 EG 2/11 -
LSG
Niedersachsen-Bremen - L 2 EG 5/12 -
Bundessozialgericht
- B 10 EG 2/14 R -