Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 14. Senats vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R -, Urteil des 14. Senats vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, Urteil des 14. Senats vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R -, Urteil des 14. Senats vom 4.6.2014 - B 14 AS 53/13 R -, Urteil des 14. Senats vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R -, Urteil des 4. Senats vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R -, Urteil des 14. Senats vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R -, Urteil des 14. Senats vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R -, Urteil des 14. Senats vom 4.6.2014 - B 14 AS 38/13 R -, Urteil des 14. Senats vom 12.7.2012 - B 14 AS 35/12 R -
Kassel, den 5. Juni 2014
Terminbericht Nr. 24/14
(zur Terminvorschau Nr. 24/14)
Der 14. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 4. Juni 2014.
1) Die Revision der klagenden GmbH wurde als
unbegründet zurückgewiesen. Sie hat keinen Anspruch gegen das beklagte
Jobcenter auf die begehrte Kostenerstattung für ihre dem Beklagten auf
dessen Verlangen erteilte Auskunft.
Der Beklagte konnte sich für sein Auskunftsverlangen auf § 57 oder § 60
Abs 3 SGB II stützen. Eine Rechtsgrundlage für die von der Klägerin
begehrte Kostenerstattung enthalten diese speziell die
Auskunftspflichten für Arbeitgeber im Rechtsbereich des SGB II regelnden
Vorschriften nicht.
Eine Kostenerstattung aufgrund von § 21 Abs 3 Satz 4 SGB X kommt
vorliegend nicht zur Anwendung, weil bei auf § 57 oder § 60 Abs 3 SGB II
gestützten Auskunftsverlangen die allgemeine Regelung des SGB X durch
die spezielleren Vorschriften des SGB II verdrängt wird.
Verfassungsrecht steht dem nicht entgegen. Der Ausschluss einer
Kostenerstattung für Arbeitgeberauskünfte ist sowohl mit Art 12 Abs 1 GG
als auch ‑ im Vergleich mit Auskunftsverpflichteten, denen ein Anspruch
eingeräumt ist (§ 60 Abs 2 und 4 SGB II) ‑ mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar.
Er findet seine Rechtfertigung in der besonderen Rolle der Arbeitgeber
bei der Abwicklung von Sozialleistungsverhältnissen und insbesondere
darin, dass mit der Auskunftspflicht eine arbeitsvertragliche
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer
korrespondiert. Mit der Erfüllung seiner Auskunftspflichten nach § 57
und § 60 Abs 3 SGB II erfüllt der Arbeitgeber zugleich seine
arbeitsvertraglichen Nebenpflichten.
SG Itzehoe - S 2 AS 2/09 -
Schleswig-Holsteinisches LSG - L 6 AS 24/12 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 38/13 R -
2) Die Klägerin
zu 3. hat ihre Revision zurückgenommen.
Auf die Revision der Kläger zu 1. und 2. wurde das Urteil des Thüringer
LSG vom 26.4.2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.
Wahrer Kern des klägerischen Begehrens ist nicht ‑ wie vor dem LSG auf
dessen Anraten beantragt ‑ die (unzulässige) Feststellung der
Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide, sondern deren ‑ wie auch
vor dem SG beantragt ‑ Aufhebung.
Die Revisionen des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. sind im Sinne
der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an
das LSG begründet.
Aufgrund fehlender Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden,
ob der Kläger zu 1. vom beklagten Jobcenter anzuhören war oder nur die
Anpassung einkommensabhängiger Leistungen bzw die Umsetzung von Angaben
eines Beteiligten vorlag (§ 24 SGB X). Eine Bekanntgabe (§ 37 SGB X) der
an die E ‑ der früheren Partnerin und späteren Ehefrau des Klägers
zu 1. ‑ adressierten Bescheide ist ihm gegenüber aber erfolgt, da er die
angefochtenen Bescheide spätestens in der Erörterung mit dem gemeinsamen
Rechtsanwalt zur Kenntnis genommen hat. Die Bescheide waren auch
hinreichend bestimmt (§ 33 SGB X). Im Verhältnis zur Klägerin zu 2.
genügte eine wirksame Anhörung und Bekanntgabe gegenüber deren Mutter
‑ der E, weil diese eine gesetzliche Vertreterin der Klägerin zu 2. war.
In der Sache ist eine
Zurückverweisung zudem und auch wegen der Klägerin zu 2. notwendig, weil
das LSG ‑ aus seiner Sicht zu Recht ‑ Feststellungen zu den Ansprüchen
der Kläger der Höhe nach unterlassen hat und daher insoweit eine
Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht möglich
ist.
SG Gotha - S 13 AS 2183/07 -
Thüringer LSG - L 9 AS 169/09 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 2/13 R -
3) Die Revision
des beklagten Jobcenters wurde zurückgewiesen. Dass Eltern im Rahmen des
Alg II grundsätzlich Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen der Kosten des
Umgangsrechts mit von ihnen getrennt lebenden Kindern haben, ergibt sich
aus dem Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125,
175) und dem daraufhin geschaffenen § 21 Abs 6 SGB II.
Der Anspruch setzt zwar einen vom durchschnittlichen Bedarf erheblich
abweichenden, unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen Mehrbedarf
voraus. Ein solcher ist aber gegeben, wenn für die Fahrten zur Ausübung
des Umgangsrechts, wie beim Kläger, 68 km mit einem PKW zurückgelegt
werden müssen und das Umgangsrecht alle zwei Wochen besteht. Denn selbst
wenn nur eine Kilometerpauschale von 20 Cent wie nach dem
Bundesreisekostengesetz zugrunde gelegt wird, ergibt sich ein Betrag von
zumindest 27,20 Euro pro Monat.
Dieser Betrag beinhaltet auch eine erhebliche Abweichung vom
durchschnittlichen Bedarf hinsichtlich der Regelleistung von damals 359
Euro insgesamt und des in der damaligen Regelleistung enthaltenen
Betrags für Fahrtkosten von hochgerechnet gut 20 Euro, zumal in diesen
die Ausgaben für PKW nicht berücksichtigt wurden.
Eine Rechtsgrundlage für die von der Beklagten vertretene allgemeine
Bagatellgrenze ist nicht zu erkennen. Eine Heranziehung der
10 %-Regelung für die Rückzahlung von Darlehen nach § 42a SGB II
scheidet ‑ unabhängig von den um diese Vorschriften als solche
bestehenden Rechtsfragen ‑ aus. Bei einem Darlehen haben die Betroffenen
das Geld vorher erhalten, das sie dann an das Jobcenter zurückzahlen,
während es ihnen bei einer Bagatellgrenze vorenthalten würde, obwohl sie
darauf einen Anspruch haben. Mit einer Rundungsregelung, die maximal 49
Cent abrundet (vgl dazu Urteil des Senats vom 12.7.2012 ‑ B 14 AS
35/12 R ‑ BSGE 111, 234 = SozR 4-1500 § 54 Nr 28 RdNr 15 ff), ist eine
solche Bagatellgrenze, die nach den Vorstellungen des Beklagten bei 10 %
des Regelbedarfs liegen soll, also derzeit bei circa 39 Euro pro Monat,
nicht vergleichbar.
SG Detmold - S 23 AS 2830/10 -
LSG
Nordrhein-Westfalen - L 7 AS 1911/12 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 30/13 R -
4) In dieser
Sache haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen und sich dem
Ausgang des Parallelverfahrens B 14 AS 42/13 R unterworfen.
SG Mainz - S 17 AS 751/12 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 41/13 R -
5) Auf die
Revision des Beklagten wurde das Urteil des SG aufgehoben und die Klage
abgewiesen.
Die
Beschränkung der Klage auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung ist
zulässig, auch wenn sie einen Zeitraum nach dem Inkrafttreten des
Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten
und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453 - RBEG)
betrifft.
In der
Sache haben die Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf weitere
Leistungen für die Unterkunft nach § 22 SGB II. Die von ihnen gezahlte
monatliche Rente iHv von 440 Euro an die frühere Eigentümerin des von
ihnen nun bewohnten und in ihrem Eigentum stehenden Hauses ist nicht als
Aufwendung für die Unterkunft anzuerkennen. In der hier vorliegenden
Ausgestaltung des Übergabevertrages sind die Rentenzahlungen in der
Gesamtheit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zivilrechtlich
als Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks anzusehen und daher nach
dem SGB II nicht anders zu behandeln wie die monatlichen Tilgungsraten
nach einem Grundstückskauf. Die Übernahme solcher Raten ist nach der
Rechtsprechung des BSG, an der festgehalten wird, nur in solchen
besonderen Ausnahmefällen angezeigt, in denen es um die Erhaltung von
Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von
Alg II bereits weitgehend abgeschlossen ist (vgl BSG vom 16.2.2012 -
B 4 AS 14/11 R). So lagen die Verhältnisse hier bei dem Alter der
früheren Eigentümerin nicht.
SG Mainz - S 17 AS 119/13 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 42/13 R -
6) Die Revision
des als Antragsgegner an dem Verfahren beteiligten Landes Berlin wurde
zurückgewiesen. Das LSG hat dessen Wohnaufwendungenverordnung vom
3.4.2012 (GVBl Berlin 2012, 99 – WAV) zu Recht für unwirksam erklärt.
Da die tatsächlichen
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung der in Berlin lebenden und
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
beziehenden Antragsteller über den ihnen vom Jobcenter aufgrund der WAV
zugebilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung liegen, ist ihr
Normenkontrollantrag zulässig. Die Zulässigkeit ihres
Normenkontrollantrags führt zu einer objektiv-rechtlichen Überprüfung
der WAV.
Der Kern
der WAV ist die in ihrem § 4 vorgesehene Gesamtangemessenheitsgrenze für
eine Bruttowarmmiete. Ein solches Bruttowarmmietenkonzept ist nach § 22b
Abs 1 Satz 3 SGB II grundsätzlich zulässig. Es entbindet jedoch nicht
von den auch für Satzungen oder Verordnungen nach §§ 22a ff SGB II
geltenden Ermittlungsanforderungen zur Bestimmung der angemessenen
Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, wie
der Senat schon in seinem Urteil vom 17.10.2013 (B 14 AS 70/12 R – SozR
4-4200 § 22a Nr 1: "WAV I") entschieden hat.
Diesen Anforderungen wird die WAV hinsichtlich des Bedarfs für die
Heizung nicht gerecht. In der WAV wird zur Bestimmung dieses Bedarfs die
rechte Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels zugrunde gelegt,
deren Werte Ausdruck für zu hohe Heizkosten sind und die
Leistungsberechtigten grundsätzlich begünstigt. Der Senat hat jedoch
wiederholt entschieden, dass dieser Grenzwert nicht zur Bestimmung der
angemessenen Heizkosten geeignet ist, sondern nur als ein Grenzwert im
Einzelfall, der weitere Nachprüfungen erforderlich macht (BSG vom
2.7.2009 ‑ B 14 AS 36/08 R ‑ BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG
vom 12.5.2013 ‑ B 14 AS 60/12 R ‑ SozR 4-4200 § 22 Nr 69).
Beruht jedoch einer von zwei Summanden auf einer unzutreffenden
Grundlage, so gilt dies auch für die Summe, hier also die in § 4 WAV
vorgesehene Gesamtangemessenheitsgrenze.
Mit der objektiv-rechtlichen Rechtswidrigkeit dieser Grenze auf der
Grundlage des in der WAV verfolgten Bruttowarmmietenkonzepts ist die WAV
insgesamt rechtswidrig und unwirksam. Sie enthält keine hiervon
abtrennbaren Teile. Auf Vor- oder Nachteile der WAV-Regelung zu den
Heizkosten bei ihrer Anwendung im Einzelfall kommt es in einem
Normenkontrollverfahren nicht an.
Die unzutreffende Ermittlung der Bruttowarmmiete nach § 4 WAV wirkt sich
auch auf die in § 6 WAV vorgesehene Bestimmung der individuell
angemessenen Bedarfe aus, weil diese Sonderregelung an die
‑ unzutreffend bestimmte ‑ Bruttowarmmiete anknüpft. Dass die in § 6 WAV
vorgesehene, einheitliche prozentuale Erhöhung auch im Übrigen mit den
gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren ist, hat der Senat in dem
schon angeführten Urteil vom 17.10.2013 ausgeführt.
LSG Berlin-Brandenburg - L 36 AS 1987/13 NK -
Bundessozialgericht - B 14 AS 53/13 R -