Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 11. Senats vom 6.8.2014 - B 11 AL 5/14 R -
Medieninformation Nr. 29/14
zur Terminvorschau Nr. 36/14 und Terminbericht (Nachtrag) Nr. 36/14
Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen auch für beruflichen Aufstieg
Behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als
50, aber wenigstens 30, sollen schwerbehinderten Menschen gleichgestellt
werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen
geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder erhalten können. Dass diese
Gleichstellung bedeutsame arbeitsrechtliche Wirkungen haben kann, zeigt
ein vom Bundessozialgericht am 6. August 2014 ohne mündliche Verhandlung
entschiedener Fall, über den nach Zustellung des Urteils an die
Beteiligten berichtet wird.
Die Klägerin war seit 2002 als
Justizfachangestellte im mittleren Dienst in Vollzeit beschäftigt. Bei
ihr wurde ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt. Im Juli 2009
bewarb sie sich für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin im gehobenen
Dienst. Die Finanzbehörde stellte nach dem Gespräch eine Einstellung in
Aussicht, lehnte diese aber nach ärztlicher Untersuchung ab, weil die
Klägerin nicht die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis
erforderliche gesundheitliche Eignung besitze. Zur Begründung ihres
Antrags auf Gleichstellung (§ 2 Abs 3 SGB IX) bei der beklagten
Bundesagentur für Arbeit vom September 2010 führte die Klägerin aus, sie
benötige die Gleichstellung, um die Stelle als Beamtin auf Widerruf bei
der Finanzbehörde erlangen zu können. Die Beklagte lehnte den Antrag ab.
Eine Gleichstellung sei nicht möglich, da die Klägerin einen sicheren
Arbeitsplatz habe und die Gleichstellung nicht den beruflichen Aufstieg
fördern solle. Widerspruch und der Klage sind erfolglos geblieben. Auf
die Berufung hat das LSG die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem
schwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Dies sei erforderlich, damit
sie den angestrebten Arbeitsplatz erlangen könne.
Das
Bundessozialgericht hat mit dem jetzt veröffentlichten Urteil die
Revision der Bundesagentur für Arbeit zurückgewiesen. Diese bleibt also
zur Gleichstellung verpflichtet. Die Klägerin bedarf der Gleichstellung,
um den konkret angestrebten neuen Arbeitsplatz erlangen zu können. Sie
besitzt auch die gesundheitliche Eignung für diese Tätigkeit, da sie
schon bisher eine Bürotätigkeit in Vollzeit verrichtet hat. Auch der
Ursachenzusammenhang zwischen ihrer Behinderung und der Erforderlichkeit
der Gleichstellung besteht. Dieser ist anzunehmen, wenn der behinderte
Mensch wegen seiner Behinderung den von ihm angestrebten Arbeitsplatz
nicht erlangen kann. Das ist hier der Fall, weil die Klägerin die
spezifischen gesundheitlichen Anforderungen für eine Einstellung in das
Beamtenverhältnis ohne Gleichstellung nicht erfüllt. Nach Gleichstellung
dürfte sie den gewünschten Arbeitsplatz erlangen können, weil für
schwerbehinderte und gleichgestellte Personen weniger strenge
gesundheitliche Einstellungsanforderungen gelten.
Az.: B 11 AL
5/14 R
C. L. ./. Bundesagentur für Arbeit
Hinweis zur Rechtslage:
§ 2 Behinderung
(1) Menschen sind
behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit
oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger
als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand
abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die
Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne
des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der
Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz,
ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem
Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich
dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen
gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad
der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei
denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn
sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen
geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder
nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).