Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 12. Senats vom 18.11.2015 - B 12 KR 21/14 R -, Urteil des 12. Senats vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R -, Urteil des 12. Senats vom 18.11.2015 - B 12 R 7/14 R -
Kassel, den 9. November 2015
Terminvorschau Nr. 49/15
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 18. November 2015 im Elisabeth-Selbert-Saal aufgrund mündlicher Verhandlung über drei Revisionen zu versicherungs- und beitragsrechtlichen Fragen der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zu entscheiden.
1) 10.00 Uhr - B 12 KR 21/14 R -
F. ./. Techniker Krankenkasse
Die Klägerin ist freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) versichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Ihr Ehemann
(Berufssoldat) erzielte im Juli 2011 ein monatliches ‑ unterhalb der
Jahresarbeitsentgeltgrenze liegendes ‑ Bruttoeinkommen von 3813,49 Euro.
Steuerrechtlich wurden Kinderfreibeträge für die drei Söhne des Ehepaars
berücksichtigt. Zwei der Söhne waren im streitigen Zeitraum in der GKV
familienversichert. Der dritte Sohn (B.) war wegen Beschäftigung in
einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in der GKV
pflichtversichert (monatliches Entgelt 100,04 Euro). Im Oktober 2011
setzte die Beklagte die Beiträge zur freiwilligen Versicherung der
Klägerin in der GKV auf 207,97 Euro monatlich fest. Für die Bemessung
ging sie vom Einkommen des Ehemannes der Klägerin aus, von dem sie nach
§ 240 Abs 5 SGB V für die beiden familienversicherten Söhne der Eheleute
jeweils einen Betrag von 511 Euro absetzte. Der auf die Berücksichtigung
eines Freibetrags auch für Sohn B. gerichtete Widerspruch blieb ohne
Erfolg.
Die Klägerin
hat beim SG die Festsetzung niedriger Beiträge durch Berücksichtigung
eines weiteren Freibetrags begehrt, weil sich anderenfalls der auch für
Sohn B. ihrem Ehemann besoldungsrechtlich gewährte Familienzuschlag
beitragserhöhend auswirke. Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat
die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Festsetzung der Beiträge
entspreche den Vorgaben des § 240 SGB V und der hierzu vom
Spitzenverband Bund der Krankenkassen erlassenen "Einheitlichen
Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der
gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie
zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst entrichteten
Beiträge" vom 27.10.2008. Die Voraussetzungen für einen Freibetrag
auch für B. seien danach nicht gegeben, weil er weder familienversichert
noch allein wegen § 10 Abs 3 SGB V von der Familienversicherung
ausgeschlossen gewesen sei. Eine Ausdehnung des § 240 Abs 5 SGB V auf
Kinder wie B. scheide angesichts des eindeutigen Wortlauts sowie aus
systematischen und teleologischen Erwägungen aus. Die Regelung
orientiere sich an der Rechtsprechung des BSG, wonach keine
Verpflichtung bestehe, Ehegatteneinkommen beitragsrechtlich stets bis
zur vollen Beitragsbemessungsgrenze heranzuziehen (BSGE 89, 213 = SozR
3-2500 § 240 Nr 42). Dem Gesetzgeber könne nicht der Wille unterstellt
werden, ungeachtet einer Familienversicherung einen Freibetrag für jedes
unterhaltsberechtigte Kind einzuräumen. Das Bestehen einer
Pflichtversicherung des Kindes sei zudem ein verfassungsrechtlichen
Gleichheitsgesichtspunkten genügendes Differenzierungskriterium in Bezug
auf die Gewährung eines Freibetrags.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine Verletzung von § 240
Abs 5 SGB V. Mit Blick auf dessen Gesetzesbegründung sei davon
auszugehen, dass der Gesetzgeber nur versehentlich keine
Härtefallregelung für Fälle der vorliegenden Art vorgesehen habe. Zudem
bestehe ein Wertungswiderspruch, wenn einerseits das steuerrechtliche
Einkommen unter Berücksichtigung des Familienzuschlags für Sohn B. zur
Bemessung herangezogen werde, andererseits beitragsrechtlich aufgrund
der Beschäftigung in einer WfbM ein Freibetrag ausgeschlossen sein
solle.
SG
Gelsenkirchen
- S 11 KR 400/12 -
LSG
Nordrhein-Westfalen
- L 16 KR 388/13 -
2) 11.00 Uhr -
B 12 KR 16/13 R - P. GmbH ./. Deutsche Rentenversicherung
Bund
4 Beigeladene
Die
Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des
Beigeladenen zu 1. aufgrund einer Tätigkeit im sog Rackjobbing bei der
Klägerin.
Die
Klägerin - eine GmbH - ist als Dienstleisterin auf dem Retailmarkt
tätig. Teil ihres Angebots ist die Erbringung von Dienstleistungen im
Bereich der Verkaufsförderung (sog Rackjobbing). Der Tätigkeit des
Beigeladenen zu 1. für die Klägerin im Zeitraum November 1999 bis August
2003 lag ein schriftlicher Vertrag vom 1.11.1999 zugrunde, wonach er als
freier Mitarbeiter zur selbständigen Warengestaltung und -darbietung bzw
im Merchandising tätig werden soll; er werde danach beauftragt mit
Sortimentüberwachung, Warendisposition, Warenplatzierung,
Preisauszeichnung, Regalservice (Regalaufbauten/Regalumbauten),
Layout-Prüfungen und Inventuren in den Geschäftsräumen von Kunden der
Klägerin. Einzelheiten der Vertragsausführung blieben dem jeweiligen
Einzelauftrag vorbehalten. Zur persönlichen Auftragserfüllung war er
nach den getroffenen Vereinbarungen nicht verpflichtet, konnte
Erfüllungsgehilfen einschalten, hatte das Recht zur Ablehnung einzelner
Aufträge ohne Begründung und zum Tätigwerden auch für andere
Auftraggeber. Von der Klägerin erhielt der Beigeladene zu 1. ein
Stundenhonorar von 24 DM zzgl Umsatzsteuer; die Auftragserfüllung war
gegenüber der Klägerin wöchentlich nachzuweisen und auf fünf Minuten
genau abzurechnen.
Der beklagte Rentenversicherungsträger stellte durch Bescheide fest,
dass der Beigeladene zu 1. in Bezug auf seine Tätigkeit wegen
Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung
versicherungspflichtig gewesen sei. Nach erfolglosem Widerspruch der
Klägerin hat das SG auf ihre Klage hin die Bescheide aufgehoben und
festgestellt, dass eine abhängige Beschäftigung nicht vorgelegen habe.
Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Im Rahmen einer
Gesamtwürdigung überwögen die für eine selbstständige Tätigkeit
sprechenden Umstände. Anknüpfungspunkt sei zunächst der Vertrag vom
1.11.1999, der als Rahmenvertrag die Grundlage für die einzelnen mit
jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstelle und
überwiegend für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Regelungen
enthalte. Dem hierin dokumentierten Willen der Vertragsparteien komme
indizielle Bedeutung zu. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich
um eine nur formale Vereinbarung gehandelt habe, seien nicht
ersichtlich.
Mit
ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV.
Das LSG habe wesentliche Umstände, aus denen es auf eine selbstständige
Tätigkeit geschlossen habe, in ihrer Tragweite verkannt: Die
Möglichkeit, einzelne Aufträge abzulehnen, entspreche der
Entschließungsfreiheit eines Arbeitnehmers, ein Beschäftigungsverhältnis
einzugehen oder nicht. Das BSG habe bereits in früherer Rechtsprechung
klargestellt, dass stets die einzelnen "Einsatzaufträge" zu prüfen
seien. Trotz der vom LSG festgestellten Ergänzung der Tätigkeit eines
bloßen Regalauffüllers durch gestalterische und auf Steigerung des
Warenabsatzes ausgerichtete Elemente sei hier von einer Eingliederung
des Beigeladenen zu 1. in den von der Klägerin gestalteten
Arbeitsprozess auszugehen. Der Beigeladene zu 1. sei zudem keinem
rechtlich relevanten Unternehmerrisiko ausgesetzt gewesen, da eine
Vergütung nach Stunden und keine Umsatzbeteiligung vereinbart worden
sei. Die ihm eingeräumte Delegationsbefugnis könne ebenfalls keine
Selbstständigkeit begründen, da er von dieser Befugnis ‑ anders als in
Parallelverfahren geschehen ‑ keinen Gebrauch gemacht habe, sodass diese
für das vorliegend zu beurteilende Vertragsverhältnis nicht prägend
gewesen sei.
SG
Frankfurt am Main
- S 18 KR 51/05 -
Hessisches LSG
- L 8 KR 102/12 -
3) 12.30 Uhr - B
12 R 7/14 R - F. ./. Deutsche
Rentenversicherung Bund
9 Beigeladene
Der
Kläger betreibt mit einem Partner eine Rechtsanwaltskanzlei als
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Im Juni 2006 führte die Beklagte
bei ihm eine Betriebsprüfung hinsichtlich des Zeitraums 1.1.2002 bis
31.5.2006 durch. Mit - bestandskräftig gewordenem - Bescheid vom
22.8.2006 forderte sie für den Prüfzeitraum für die Arbeitnehmerin F.
Sozialversicherungsbeiträge iH von 531,09 Euro nach. Im Oktober 2010
führte die Beklagte bei dem Kläger eine erneute Betriebsprüfung durch,
nun bezogen auf den Prüfzeitraum 1.12.2005 bis 31.12.2009. Im Februar
2010 forderte sie von ihm Beiträge bzgl der Beigeladenen zu 1. und 2.
für den Zeitraum vom 1.12.2003 bis 31.7.2008 iH von insgesamt 3647,41
Euro nach, darin enthalten 465 Euro Säumniszuschläge. Grundlage dafür
seien anlässlich einer Steuerprüfung für den Zeitraum 12/2003 bis 7/2008
bestandskräftig festgesetzte Steuernachforderungen für an Beschäftigte
gewährte Fahrtkostenzuschüsse, welche sich auch beitragsrechtlich
auswirkten. Die Säumniszuschläge seien von der Bestandskraft des
Bescheides des Finanzamts an zu berechnen. Es gelte die 30-jährige
Verjährungsfrist, weil der Kläger Sozialversicherungsbeiträge
vorsätzlich vorenthalten habe.
Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene ‑ ua auf die Einrede der
Verjährung gestützte ‑ Klage hat das SG die Bescheide der Beklagten
aufgehoben, soweit Nachforderungen bis einschließlich 31.5.2006
nacherhoben und hierauf entfallende Säumniszuschläge geltend gemacht
wurden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die hiergegen nur von
der Beklagten eingelegte Berufung hat das LSG zurückgewiesen: Die
Beitragsnachforderung für den früher bereits geprüften Zeitraum bis
31.5.2006 sei ohne vorherige ‑ hier unterbliebene ‑ Aufhebung des
früheren bestandskräftigen Bescheides vom 22.8.2006 rechtswidrig. Durch
diesen früheren Bescheid habe die Beklagte Beiträge in einer ganz
bestimmten Höhe nachgefordert, nämlich mit dem Verfügungssatz, dass für
den damaligen Prüfzeitraum 531,09 Euro nachzuzahlen seien. Zudem fehle
in diesem Bescheid ein ausdrücklicher Hinweis auf eine nur
stichprobenartige Prüfung. Auch ergebe sich daraus, dass schon
seinerzeit Unterlagen weiterer Arbeitnehmer geprüft worden seien und die
Prüfung zeitintensiv gewesen sei. Daher sei vom Empfängerhorizont aus
nicht erkennbar gewesen, dass wegen einer nur stichprobenhaft erfolgten
Prüfung möglicherweise später aus anderen Gründen noch weitere
Beitragsnachforderungen geltend gemacht werden könnten. Der nicht
aufgehobene Bescheid vom 22.8.2006 stehe damit der neuerlichen
Beitragsnachforderung für die Zeit bis 31.5.2006 entgegen.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 28p Abs 1 S 5
SGB IV. Die angefochtenen Bescheide seien auch bezüglich der
Nachforderung für die Zeit bis einschließlich 31.5.2006 ‑ ohne Aufhebung
des Bescheides vom 22.8.2006 für denselben Zeitraum ‑ rechtmäßig. Die
Auffassung des LSG stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG zu
den rechtlichen Wirkungen von Betriebsprüfungen und zur Bindung von
dabei ergangenen Prüfbescheiden (Hinweis ua auf BSGE 115, 1 = SozR
4-2400 § 27 Nr 5; BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1).
SG Mainz
- S 14 KR 367/10 -
LSG
Rheinland-Pfalz
- L 4 R 448/12 -