Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 14. Senats vom 16.12.2015 - B 14 AS 18/14 R -, Urteil des 14. Senats vom 16.12.2015 - B 14 AS 33/14 R -, Urteil des 14. Senats vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R -
Kassel, den 14. Dezember 2015
Terminvorschau Nr. 61/15
Der 14. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 16. Dezember 2015 im Weißenstein-Saal nach mündlicher Verhandlung über drei Revisionen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu entscheiden.
1) 10.00 Uhr - B 14 AS 15/14 R -
A.H. ./. Jobcenter Wiesbaden
Umstritten sind Leistungen nach dem SGB II vom 1.8. bis zum 11.10.2011.
Die am 16.10.1989 geborene Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige.
Nach ihren Angaben reiste sie im Oktober 2010 nach Deutschland. Am
1.6.2011 meldete sie ein Gewerbe an und zum 1.8.2011 wieder ab, da sie
die deutsche Sprache nicht beherrsche und schwanger sei. Im Juni 2011
habe sie für die T. GmbH gearbeitet und dafür 1200 bis 1300 Euro bar
erhalten. Den Antrag der Klägerin vom 3.8.2011 auf Leistungen nach dem
SGB II lehnte das beklagte Jobcenter unter Hinweis auf § 8 Abs 2, § 7
Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II ab, bewilligte aber vorbehaltslos ab 12.10.2011
Leistungen in Höhe des Regelbedarfs und eines Mehrbedarfs für
Schwangere.
Das SG
hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat den Beklagten verurteilt, der
Klägerin vom 1.8. bis zum 11.10.2011 "Leistungen nach dem SGB II zu
gewähren", weil diese die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1
SGB II erfülle und der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2
SGB II nicht greife. Sie könne sich nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach
§ 2 FreizügG/EU berufen, da sie nur im Juni 2011 für die T. GmbH tätig
gewesen sei. Auch ein Aufenthaltsrecht aufgrund
schwangerschaftsbedingter Vorwirkungen des Art 6 GG scheide aus. Eine
Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche sei nicht gegeben, da sie
keine dahingehenden "Ambitionen" entfaltet habe, und § 7 Abs 1 Satz 2
SGB II könne nicht im Wege eines "Erst-Recht"-Schlusses erweiternd
ausgelegt werden.
In
seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung des § 7 Abs 1 Satz 2
SGB II. Nach Auffassung des LSG würden Personen, die Arbeit suchen und
damit vom Leistungsausschluss umfasst seien, schlechter stehen als
Personen, die keine Arbeit suchen und für die nach Auffassung des LSG
der Leistungsausschluss nicht gelte.
SG Wiesbaden
- S 11 AS 125/12 -
Hessisches LSG
- L 6 AS 378/12 -
2) 10.30 Uhr
- B 14 AS 18/14 R - A.H. ./. Jobcenter Wiesbaden
Umstritten sind
Leistungen nach dem SGB II vom 30.1.2012 bis zum 27.11.2013. Der am
27.7.1993 geborene Kläger ist bulgarischer Staatsangehöriger. Nach
seinen Angaben reiste er im Oktober 2011 nach Deutschland. Am 2.3.2012
meldete er ein Gewerbe an und am 20.5.2012 wieder ab, ohne in diesem
tätig geworden zu sein; im April 2012 war er fünf bis sechs Tage
nicht-sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Wegen Aussichtslosigkeit
aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse habe er sich nicht auf
Stellenangebote beworben. Den Antrag des Klägers vom 30.1.2012 auf
Leistungen nach dem SGB II lehnte das beklagte Jobcenter unter Hinweis
auf § 8 Abs 2, § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II ab, ebenso den für die Zeit ab
1.5.2012 gestellten Antrag.
Das SG hat die beiden Klagen verbunden und abgewiesen. Das LSG hat den
Beklagten verurteilt, dem Kläger vom 30.1.2012 bis zum 27.11.2013
"Leistungen nach dem SGB II zu gewähren", weil dieser die
Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfülle und der
Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II nicht greife. Der
Kläger habe kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche nach § 2 Abs 2 Nr 1
Alt 2 FreizügG/EU gehabt, denn er habe nicht mit begründeter Aussicht
auf Erfolg Arbeit gesucht, zumal er keine dahingehenden "Ambitionen"
entfaltet habe. Er könne sich auch nicht auf ein anderes
Aufenthaltsrecht berufen. § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II könne nicht im Wege
eines "Erst-Recht"-Schlusses erweiternd ausgelegt werden.
In seiner Revision rügt der Beklagte unter Hinweis auf das
zwischenzeitlich ergangene Urteil des EuGH vom 11.11.2014 (C‑333/13 ‑
Dano
SG Wiesbaden
- S 11 AS 382/12 -
Hessisches LSG
- L 6 AS 726/12 -
3) 11.30 Uhr
- B 14 AS 33/14 R - 1. L.D.I., 2. M.L.I. ./.
Jobcenter Köln
Umstritten sind Leistungen nach dem SGB II vom 25.9.2010 bis zum
30.11.2011. Die am 2.8.1977 geborene Klägerin zu 1 ist die Mutter der am
24.3.1998 geborenen Klägerin zu 2. Zusammen mit weiteren
Familienangehörigen reisten sie in 2004 unter Angabe falscher Namen und
Staatsangehörigkeit in Deutschland ein. Sie erhielten bis Anfang 2010
Duldungen und Leistungen nach dem AsylbLG. Dann wurden dem Ausländeramt
ihre zutreffende Identität und ihre bulgarische Staatsangehörigkeit
bekannt. Den von den Klägerinnen am 25.9.2010 gestellten Leistungsantrag
lehnte das beklagte Jobcenter ab, weil die Klägerinnen nach § 7 Abs 1
Satz 2 Nr 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien,
ebenso einen weiteren Antrag vom 5.8.2011. Mitte September 2011 wurden
auf dem Konto der Mutter 1656 Euro und am 6.12.2011 weitere 7972 Euro
Nachzahlungen an Kindergeld für die Tochter, die in der strittigen Zeit
Schülerin war, gutgeschrieben.
Das SG hat den Beklagten verurteilt, den Klägerinnen vom 25.9.2010 bis
zum 30.11.2011 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Das LSG hat die
Berufung des Beklagten zurückgewiesen, weil die Mutter in der strittigen
Zeit die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllt habe und
der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II nicht greife,
da sie sich nicht auf ein solches Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche habe
berufen können. Dieser Leistungsausschluss finde auf EU-Bürger ohne
materielles Aufenthaltsrecht keine Anwendung.
In seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 7 Abs 1
Satz 2 SGB II. Dessen Auslegung im Sinne des LSG führe zu dem vom
Gesetzgeber nicht beabsichtigten Ergebnis, dass Personen, die auf dem
deutschen Arbeitsmarkt nicht integrierbar seien, nicht vom
Leistungsausschluss betroffen seien.
SG Köln
- S 11 AS 4730/11 -
LSG
Nordrhein-Westfalen
- L 19 AS 430/13 -