Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 6. Senats vom 3.8.2016 - B 6 KA 20/15 R -, Urteil des 6. Senats vom 3.8.2016 - B 6 KA 31/15 R -, Urteil des 6. Senats vom 3.8.2016 - B 6 KA 42/15 R -
Kassel, den 4. August 2016
Terminbericht Nr. 33/16
(zur Terminvorschau Nr. 33/16)
Der 6. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 3. August 2016.
1) Die Revision der beklagten KÄV hat Erfolg;
die Urteile der Vorinstanzen sind aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entgegen der Auffassung von SG und LSG waren die Partner der
Bundesmantelverträge berechtigt, die bis dahin unter Ziffer 32.3.13
EBM-Ä aufgeführten Leistungen und deren Vergütung zu festen
Euro-Beträgen zum 1.4.2006 zu streichen. Bis zum Inkrafttreten des
GKV-VSG im Juli 2015 war streitig, ob der Bewertungsausschuss überhaupt
berechtigt war, Leistungen in Euro-Beträgen zu bewerten. Aus diesem
Grund sind entsprechende Regelungen stets durch die Partner der
Bundesmantelverträge vereinbart und dann in den EBM-Ä integriert worden.
Die Festlegung der Beträge (auch) für die hier betroffenen zytologischen
und molekulargenetischen Leistungen sind für den EBM-Ä 2000 plus
vertraglich vereinbart worden. Auch deshalb dürfen die Partner dieser
Verträge die Leistungen wieder streichen, zumal die Vergütung in Kapitel
11.3 EBM-Ä – allerdings mit Punkten bewertet – weiterhin normiert ist.
Einen Anspruch auf einen festen Punktwert in Höhe von 5,11 Cent für ihre
zyto- und molekulargenetischen Leistungen hat die Klägerin nicht. Die
Partner des Honorarverteilungsvertrags waren nicht verpflichtet, die
Folgen der Streichung des Kapitels 32.3.13 – insbesondere in Gestalt der
Einbeziehung der zytologischen und molekulargenetischen Leistungen in
das RLV – in vollem Umfang auszugleichen. Ob und ggfs wie die Beklagte
auf einen – tatsächlichen oder vermeintlichen – Verfall des Punktwerts
und damit des Honorars der Klägerin zu reagieren hat, ist nicht
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern in den noch anhängigen
Verfahren zu entscheiden, die die Honorarbescheide für die einzelnen
Quartale zum Gegenstand haben.
SG Marburg
- S 11 KA 544/07 -
Hessisches LSG
- L 4 KA 2/12 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 42/15 R -
2) Die Revision
der klagenden nephrologischen Berufsausübungsgemeinschaft hat Erfolg.
Der Senat hat die angefochtenen Urteile und Bescheide aufgehoben und die
beklagte KÄV verpflichtet, den Antrag des zu 1. beigeladenen Nephrologen
auf Erteilung der Zusicherung eines Versorgungsauftrags abzulehnen.
Die Klägerin ist nicht nur zur Anfechtung der dem Beigeladenen 2005
erteilten Zusicherung berechtigt, sondern ihre Klage ist auch im Übrigen
begründet. Die Zusicherung eines weiteren Versorgungsauftrags darf nur
erteilt werden, wenn bereits bestehende Dialyseeinrichtungen hinreichend
- dh zu mehr als 90% - ausgelastet sind; diese Auslastung muss sowohl
zum Zeitpunkt der Entscheidung gegeben als auch - wegen des
Erfordernisses einer kontinuierlichen wirtschaftlichen
Versorgungsstruktur - in Zukunft prognostisch zu erwarten sein. Die
erforderliche Auslastung der Klägerin war weder im Zeitpunkt der
Entscheidung noch nachfolgend kontinuierlich gegeben. Dass ihre
Auslastung in einigen Quartalen des Jahres 2008 die 90%-Grenze
überschritten haben mag, genügt hierzu nicht. Die rechtliche Beurteilung
der Rechtmäßigkeit eines Versorgungsauftrags kann nicht davon abhängen,
ob die klagende Praxis irgendwann im Laufe eines dazu geführten
Rechtsstreits in hinreichendem Umfang ausgelastet war. Eine
Entscheidung, die nicht hätte erteilt werden dürfen, bleibt rechtswidrig
und ist auf die Anfechtungsklage hin aufzuheben.
SG für das
Saarland
- S 2 KA 173/06 -
LSG für das Saarland
- L 3 KA 9/13 ZVW -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 20/15 R -
3) Die Revision
der klagenden KÄV hat Erfolg. Der Senat hat das Urteil des SG aufgehoben
und den beklagten Berufungsausschuss zur erneuten Entscheidung über den
Verlegungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats
verurteilt.
Ein Arzt oder ein Psychologischer Psychotherapeut
hat einen Anspruch darauf, dass seine Sitzverlegung innerhalb des
Planungsbereichs genehmigt wird, wenn Gründe der vertragsärztlichen
Versorgung dem nicht entgegenstehen. Die Beurteilung, ob solche Gründe
vorliegen, unterliegt einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle;
den Zulassungsgremien kommt ein Beurteilungsspielraum zu. Diesen
Beurteilungsspielraum hat der Berufungsausschuss hier überschritten. Er
hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass nach dem Willen des
Gesetzgebers verhindert werden soll, dass sich die Versorgung in Teilen
von eigentlich gut versorgten großen Planungsbereichen (hier: Berlin)
durch Praxissitzverlegungen verschlechtert. Angesichts der extrem
unterschiedlichen Versorgung zwischen Berlin-Neukölln (Versorgungsgrad
87,7%) und Tempelhof-Schöneberg (Versorgungsgrad 344%) werden einer
Verlegung des Praxissitzes vom schlechter zum deutlich besser versorgten
Bezirk auch bei einer Gruppe wie den Psychotherapeuten in aller Regel
Versorgungsgesichtspunkte entgegenstehen. Allerdings kann nicht ganz
ausgeschlossen werden, dass sich die Versorgungslage mit Blick auf die
konkreten Praxisstandorte anders darstellt, als nach den allgemeinen
Versorgungsgraden in den Bezirken anzunehmen ist. Hierzu wird der
Berufungsausschuss nähere Feststellungen zu treffen haben. Besondere
schützenswerte Interessen der Antragstellerin sind im weiteren nicht zu
berücksichtigen, weil alle von ihr angeführten Aspekte bereits bei ihrer
(Nachfolge-)Zulassung am jetzigen Standort bekannt waren.
SG
Berlin
- S 83 KA 559/13 -
Bundessozialgericht
- B 6 KA 31/15 R -