Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 12. Senats vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R -, Urteil des 12. Senats vom 29.6.2016 - B 12 R 8/14 R -, Urteil des 12. Senats vom 29.6.2016 - B 12 KR 23/14 R -, Urteil des 12. Senats vom 29.6.2016 - B 12 KR 14/14 R -, Urteil des 12. Senats vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R -, Urteil des 12. Senats vom 23.5.2017 - B 12 KR 2/15 R -, Urteil des 12. Senats vom 31.3.2017 - B 12 R 6/14 R -, Urteil des 12. Senats vom 29.6.2016 - B 12 R 5/14 R -, Urteil des 12. Senats vom 29.6.2016 - B 12 KR 1/15 R -, Urteil des 13. Senats vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R -, Urteil des 5. Senats vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R -, Beschluss des 12. Senats vom 27.4.2016 - B 12 KR 17/14 R -, Beschluss des 12. Senats vom 29.6.2016 - B 12 KR 2/15 R -, Beschluss des 12. Senats vom 27.4.2016 - B 12 KR 16/14 R -
Kassel, den 30. Juni 2016
Terminbericht Nr. 27/16
(zur Terminvorschau Nr. 27/16)
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 29. Juni 2016.
1. Die Revision der Beklagten wurde als
unzulässig verworfen, da ihre Begründung nicht den Anforderungen des
§ 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG entspricht. Danach ist eine Revision
fristgerecht und unter Einhaltung bestimmter Mindesterfordernisse zu
begründen: In der Revisionsbegründung muss im Falle der ‑ hier
vorliegenden ‑ Rüge der Verletzung einer Vorschrift des materiellen
Rechts (§ 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V iVm dem allgemeinen
europarechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz) ua sorgfältig sowie
nach Umfang und Zweck zweifelsfrei dargelegt werden, weshalb diese
Vorschrift im angefochtenen Urteil nicht oder nicht richtig angewendet
worden ist (stRspr, ua Senatsurteil vom 23.11.2005 - B 12 RA
10/04 R - Juris). Erforderlich sind insbesondere Ausführungen zu
den für das Revisionsgericht bindenden Tatsachen, aus deren Beurteilung
anhand der vermeintlich verletzten Norm erst die gerügte
Rechtsverletzung folgen kann. Selbst wenn man insoweit eine kurze
Wiedergabe des dafür entscheidungsrelevanten vom LSG festgestellten
Sachverhalts in eigenen Worten genügen lässt (vgl BSG Urteil vom
24.2.2016 - B 13 R 31/14 R; weitergehend BSG Urteil vom 23.7.2015
‑ B 5 R 32/14 R ‑ NZS 2015, 838), entspricht die
Revisionsbegründung dem hier nicht: Sie enthält bereits keine
zusammenhängende Darstellung des Sachverhalts. Lediglich punktuell
enthält die Begründung einzelne tatsächliche Umstände, ohne insoweit
kenntlich zu machen, inwieweit es sich dabei um vom LSG festgestellte
Tatsachen handelt. Darüber hinaus lässt die Revisionsbegründung auch die
Darstellung weiterer zentraler Sachverhaltselemente trotz deren
Entscheidungserheblichkeit vermissen. So stellt die Revisionsbegründung
insbesondere nicht die Versicherungsbiographie des Klägers und dessen
krankenversicherungsrechtlichen Status als Rentner dar.
SG für
das Saarland
- S 1 KR 122/08 -
LSG für das Saarland
- L 2 KR 50/11 -
Bundessozialgericht
- B 12 KR 14/14 R -
2. Die Revision
der Klägerin zu 2. blieb erfolglos. Es kann offen bleiben, ob ihre
Revisionsbegründung insgesamt unzulässig ist, weil sie nicht den
strengeren Maßstäben des 5. Senats des BSG oder auch nur den
‑ vergleichsweise zum 5. Senat ‑ erleichterten Anforderungen des
12. Senats an das Revisionsvorbringen genügt. Hierzu sind in der Sitzung
des Senats am 27.4.2016 Anfragebeschlüsse an den 5. Senat ergangen, die
in Kürze schriftlich vorliegen werden (B 12 KR 16/14 R und
B 12 KR 17/14 R). Jedenfalls genügt die Revisionsbegründung
hinsichtlich der (möglicherweise) gerügten Verfahrensfehler nicht den
Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensmangels: Bezogen auf
Verfahrensrügen muss die Begründung nach § 164 Abs 2 S 3 SGG ua die
Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Die maßgebenden Vorgänge
müssen dabei so genau angegeben werden, dass das BSG ‑ die Richtigkeit
des Vorbringens unterstellt ‑ ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann,
ob das vorinstanzliche Urteil auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen
kann (vgl zB BSG <6. Senat> E 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2);
dazu ist es erforderlich, in der Revisionsbegründung selbst die dafür
einschlägigen Aktenstellen eindeutig zu bezeichnen. Die
Revisionsbegründung der Klägerin zu 2. lässt nicht erkennen, welche
Verfahrensvorschriften konkret als verletzt gerügt werden sollen, und es
fehlt darin eine vollständige Angabe, welche Tatsachen die Annahme eines
Verfahrensfehlers rechtfertigen sollen. Offenbleiben kann, ob die
Revision der Klägerin zu 2. auch hinsichtlich der Rügen der Verletzung
materiellen Rechts unzulässig ist; jedenfalls ist sie unbegründet.
Das Urteil des LSG hat im Ergebnis Bestand, weil die angefochtenen
Bescheide der beklagten DRV Bund nicht zu beanstanden sind. Die Beklagte
durfte als zuständiger Träger im Verfahren nach § 7a SGB IV über den
versicherungsrechtlichen Status der Klägerin zu 2. entscheiden. Die
Beigeladene zu 1. (Krankenkasse) leitete den an sie adressierten Antrag
der Klägerinnen zu Recht an die Beklagte schlicht weiter. Dies ergibt
eine Auslegung des Antrags im Hinblick auf dessen Wortlaut. Auch das
weitere Verhalten der Klägerinnen im Verwaltungs-, Widerspruchs- und
erstinstanzlichen Gerichtsverfahren bestätigt diese Annahme.
Insbesondere haben sie bis zum Berufungsverfahren der Behandlung und
Bescheidung ihres Antrags durch die Beklagte unter
Zuständigkeitsgesichtspunkten nicht widersprochen. Im Gegenteil gaben
sie in einem auf die Anhörung durch die Beklagte erstellten anwaltlichen
Schreiben selbst als Betreff "Statusfeststellungsverfahren nach § 7a ff.
SGB" an. Da die Beigeladene zu 1. keinen originär eigenen Antrag bei der
Beklagten gestellt hatte, bedarf es im vorliegenden Rechtsstreit keiner
Entscheidung, ob ein fakultatives Antragsrecht der Einzugsstellen im
Rahmen von § 7a SGB IV anzuerkennen ist. Die Zuständigkeit der Beklagten
war auch nicht nach § 7a Abs 1 S 1 Halbs 2 SGB IV ausgeschlossen. Das
frühere Verfahren bei der Beigeladenen zu 1. im Zusammenhang mit dem
Beitritt der Klägerin zu 2. als freiwilliges Mitglied der GKV erfüllt
diese Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil es bereits im April 2008
abgeschlossen war. Darüber hinaus geht es dabei nicht um die
Feststellung einer (versicherungspflichtigen) Beschäftigung.
In
der Sache hat die Beklagte zu Recht festgestellt, dass die Klägerin zu
2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. im streitigen Zeitraum von
2008 bis 2012 aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in allen
Zweigen der Sozialversicherung unterlag. Sie war nicht
Geschäftsführerin, sondern aufgrund eines Anstellungsvertrags bei der
Klägerin zu 1. "nur" nachgeordnet mit kaufmännischen Aufgaben befasst.
Zu Recht hat das LSG dem Anstellungsvertrag Merkmale entnommen, die
typischerweise auf Beschäftigung schließen lassen, zB festes monatliches
Entgelt, Urlaubsanspruch, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Am
Vorliegen von Beschäftigung ändert auch die Stellung der Klägerin zu 2.
als (Mit-)Gesellschafterin der Klägerin zu 1. mit einem Anteil von 20 vH
an den Gesellschaftsanteilen nichts. Denn dadurch wird die
grundsätzliche Weisungsunterworfenheit gegenüber dem Geschäftsführer
nicht aufgehoben (vgl BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R -
Juris). Die in der Satzung der Klägerin zu 1. vorgesehene
qualifizierte Mehrheit für Gesellschafterbeschlüsse bzgl bestimmter
Rechtsgeschäfte ändert daran ebenfalls nichts. Dies betraf zudem nur
bestimmte Angelegenheiten der Klägerin zu 1., sodass die Klägerin zu 2.
sich nicht umfassend gegenüber Weisungen des Geschäftsführers in Bezug
auf Zeit, Dauer, Umfang und Ort ihrer Tätigkeit zur Wehr setzen konnte.
Auch die notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht, die der
Geschäftsführer und seine Ehefrau der Klägerin zu 2. und deren Bruder
"zur gemeinsamen Vertretung" erteilt hatten, führt zu keinem anderen
Ergebnis, schon weil die Vollmacht widerrufen werden konnte.
SG
Konstanz
- S 7 R 2993/09 -
LSG Baden-Württemberg
- L 11 R 44/11 -
Bundessozialgericht
- B 12 R 5/14 R -
3. Der Senat hat
die Sache vertagt und beim 5. Senat des BSG angefragt, ob dieser an
seiner Rechtsprechung festhält, wonach an die formgerechte Begründung
einer Revision iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG auch im Rahmen der Rüge der
Verletzung materiellen Rechts in Bezug auf die Darstellung des
entscheidungserheblichen Sachverhalts weitergehende Anforderungen
gestellt werden, als sie der erkennende 12. Senat für geboten erachtet
(vgl Nr 2. und 3. des Terminberichts Nr. 17/16 zur Sitzung am
27.4.2016). Der Senat sieht bei der Revisionsbegründung des Klägers
die Darlegungsanforderungen als erfüllt an, sodass dessen Revision bei
Zugrundelegung der Rechtsauffassung des 12., nicht aber nach der
Rechtsauffassung des 5. Senats, zulässig wäre. Die in Bezug auf die
Anforderungen an die Revisionsbegründung aufgeworfenen Fragen sind auch
entscheidungserheblich, weil der 12. Senat in der Sache dazu käme, dass
die Revision zumindest im Sinne einer Aufhebung des angegriffenen
Urteils und Zurückverweisung des Rechtstreits an das LSG zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung begründet wäre: Zutreffend ist das LSG
davon ausgegangen, dass der Kläger als freiwillig Krankenversicherter
die vollen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung selbst zu tragen
und auch selbst an die beklagte Krankenkasse zu zahlen hat und dass
deren Beitragsforderung erloschen wäre, wenn sie durch den
Lastschrifteinzug bei dessen Arbeitgeberin erfüllt worden wäre. Soweit
das LSG eine entgegenstehende Verweigerung der Lastschriftgenehmigung
durch den vorläufigen Insolvenzverwalter angenommen hat, ist dies durch
seine tatsächlichen Feststellungen nicht gedeckt. Entgegen seiner
Auffassung kommt bei zutreffender Anwendung der einschlägigen
Rechtsprechung des BGH (zusammenfassend BGHZ 204, 74, RdNr 9 mwN)
eine konkludente Genehmigung der Lastschrift durch die Arbeitgeberin in
Betracht, die der Wirksamkeit des späteren Widerspruchs entgegenstünde.
Hierzu wären nach einer Zurückverweisung des Rechtstreits an das LSG
weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich.
SG Oldenburg
- S 61 KR 321/10 -
LSG Niedersachsen-Bremen
- L 4 KR 318/11 -
Bundessozialgericht
- B 12 KR 2/15 R -
4. Die
(zulässige, weil auch den Darlegungsanforderungen nach der
Rechtsprechung des 5. Senats des BSG entsprechende) Revision der
beklagten DRV Bund führte zu einer Aufhebung des LSG-Urteils und
Wiederherstellung des klageabweisenden SG-Urteils. Die angefochtenen
Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Beklagte war für
den Erlass der Bescheide sachlich zuständig (§ 28p Abs 1 S 1 und 5
SGB IV). Der Kläger hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für
den kraft Gesetzes versicherten (beschäftigten) Beigeladenen als dessen
Arbeitgeber zu zahlen (§ 28e Abs 1 S 1 SGB IV; § 28d S 1 SGB IV iVm
§ 7 SGB IV und § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI,
§ 1 S 1 Nr 1 SGB VI, §§ 24 Abs 1, 25 Abs 1 S 1 SGB III). Zwischen
dem Kläger und dem Beigeladenen bestand ein Arbeitsverhältnis nach § 10
Abs 1 S 1 Halbs 1 AÜG, da der in Luxemburg ansässige Verleiher des
Beigeladenen nach den Feststellungen des LSG im streitigen Zeitraum
nicht über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG
verfügte. Aufgrund des Territorialitätsprinzips ist das AÜG auch auf die
grenzüberschreitende Überlassung eines Arbeitnehmers nach Deutschland
anwendbar. Der Beigeladene war auch gegen Arbeitsentgelt beschäftigt, da
er gegen den Kläger einen Vergütungsanspruch aus dem Arbeitsverhältnis
hatte. Dabei ist es ohne Bedeutung, dass der Beigeladene das Entgelt
bereits vom Verleiher ausgezahlt bekommen hatte. Im Beitragsrecht der
Sozialversicherung gilt das Entstehungsprinzip (§ 22 Abs 1 S 1
SGB IV), wonach die Beitragspflicht bereits entsteht, sobald die
gesetzlichen Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs vorliegen und ohne
Rücksicht darauf, ob und von wem dieser Anspruch erfüllt wird
(stRspr; vgl zuletzt BSG Urteil vom 16.12.2015 ‑ B 12 R 11/14 R ‑ zur
Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Auf die
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Beigeladenen beim Kläger
findet deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung. Auch dies folgt aus
dem Territorialitätsprinzip (§ 3 Nr 1 SGB IV). Die Anwendung
dieses Prinzips ist nicht wegen einer Einstrahlung iS von § 5 SGB IV
ausgeschlossen, da die illegale grenzüberschreitende
Arbeitnehmerüberlassung vom Ausland nach Deutschland nicht dem Begriff
der Entsendung unterfällt (vgl BSGE 64, 145, 149 f = SozR 2100 § 5
Nr 3 S 6 f). Ebenso ergibt sich nichts Gegenteiliges aus vorrangig
eingreifendem EU-Recht, konkret aus der VO (EWG) 1408/71. Selbst wenn
man annähme, dass dieses Regelungswerk bei einer illegalen
grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung zur Anwendung gelangt,
würde auch nach dem in der VO (EWG) 1408/71 verankerten
Beschäftigungsortsprinzip (Art 13 Abs 2 Buchst a) deutsches
Sozialversicherungsrecht zur Anwendung kommen, da der Beigeladene seine
Tätigkeit tatsächlich beim Kläger in Deutschland ausübte. Ein
Ausnahmetatbestand wäre nicht einschlägig. Insbesondere käme Art 14 Nr 1
Buchst a VO (EWG) 1408/71 nicht zur Anwendung, da die Überlassung des
Beigeladenen den in der Norm festgelegten Zeitraum von maximal
24 Monaten überschritten hätte.
Die Pflicht des Klägers zur
Zahlung der von der Beklagten geforderten Beiträge ist auch nicht
erloschen. Die Zahlung von Beiträgen für den Beigeladenen an den Träger
der luxemburgischen Sozialversicherung erfolgte nicht mit befreiender
Wirkung für den Kläger. Erfüllung iS von § 362 BGB tritt regelmäßig nur
ein, wenn die geschuldete Leistung an den "richtigen" Gläubiger erbracht
wird. Dies ist die Beklagte. Dieses Ergebnis führt nicht zu einem
Verstoß gegen Diskriminierungsverbote des Rechts der EU, auch wird
dadurch das Recht des Klägers nicht tangiert, unter dem Blickwinkel der
Arbeitnehmerfreizügigkeit Arbeitnehmer aus einem anderen Mitgliedstaat
zu beschäftigten. Eine Vorlagepflicht an den EuGH scheidet aus.
Schließlich liegt auch eine (allein nach deutschem Recht zu
beurteilende) Inländerdiskriminierung nicht vor, weil der Kläger ‑ wie
alle deutschen Arbeitgeber, die in Deutschland Arbeitnehmer
beschäftigen ‑ zur Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen
herangezogen wird.
SG Trier
- S 7 R 304/12 -
LSG Rheinland-Pfalz
- L 4 R 148/13 -
Bundessozialgericht
- B 12 R 8/14 R -
5. Der Senat hat
den Termin zur mündlichen Verhandlung kurz vor dem Termin aufgehoben.
Erst zu diesem Zeitpunkt ist von den Beteiligten mitgeteilt worden, dass
der Kläger unter rechtlicher Betreuung steht. Seine Betreuerin hat
angegeben, nach den Umständen über den Komplex nicht informiert zu sein,
sowie einen Prozesskostenhilfeantrag angekündigt.
SG Berlin
- S 14 R 2425/10 -
LSG Berlin-Brandenburg
- L 27 R 935/11 -
Bundessozialgericht
- B 12 R 6/14 R -
6. Die Revision
der Klägerin blieb ohne Erfolg. Sie ist seit 1.6.2011 nicht mehr bei der
beklagten Krankenkasse versichert. Die später erklärte Anfechtung des
nachfolgenden Versicherungsvertrages durch das private
Versicherungsunternehmen nach § 22 VVG iVm § 123 Abs 1 BGB ließ die
zuvor erklärte Beendigung der Mitgliedschaft aufgrund freiwilliger
Versicherung in der GKV unberührt. § 175 Abs 4 S 4 SGB V setzt für die
Wirksamkeit der Kündigung einer freiwilligen Mitgliedschaft zunächst nur
den innerhalb der Kündigungsfrist zu erbringenden Nachweis voraus, dass
in der Folge eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse oder
zumindest eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall bestehen wird.
Eine abschließende Klärung des rechtlichen Bestehens der weiteren
Versicherung bzw Absicherung ist damit innerhalb dieses Zeitraums noch
nicht gefordert (zu einer schon vor Beginn der Versicherungspflicht
ausgestellten Mitgliedbescheinigung und der daraus folgenden nur
eingeschränkten Aussagekraft gerade bei erstmaliger Krankenkassenwahl
vgl BSG SozR 4-2500 § 175 Nr 4 RdNr 24). Auch hat das Gesetz an
anderer Stelle Regelungen für den Fall getroffen, dass der Wechsel eines
in der GKV Versicherten in die PKV fehlschlägt oder (umgekehrt) eine
Versicherung in der GKV ‑ entgegen der Erwartung bei Kündigung eines
privaten Versicherungsvertrages ‑ nicht zu Stande kommt, während es hier
an einer vergleichbaren Bestimmung fehlt (vgl zur Unwirksamkeit der
Kündigung einer freiwilligen Mitgliedschaft § 175 Abs 4 S 10 SGB V idF
bis zum 31.12.2014 und zum umgekehrten Fall eines fehlgeschlagenen
Wechsels von der PKV in die GKV § 5 Abs 9 SGB V). Aus dem
Regelungszweck des § 175 Abs 4 S 4 SGB V ergibt sich nichts anderes. Die
Klägerin ist als Versicherte insoweit auch nicht schutzlos: Nach einer
Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung durch
ihren Vertragspartner hatte sie jedenfalls gegen ein anderes Unternehmen
der PKV Anspruch auf Abschluss eines (neuen) Versicherungsvertrags im
Basistarif. Dieser Fall ist in § 193 Abs 5 S 4 Nr 1 VVG ausdrücklich
geregelt.
Die Klägerin ist nach dem 31.5.2011 auch nicht
pflichtversichertes Mitglied der Beklagten geworden, weil sie iS des § 5
Abs 1 Nr 13 SGB V durch die von ihr gewollte Einbeziehung in die PKV
einen "anderweitigen" Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatte.
Die Klägerin hatte bis zur Anfechtung des Vertrages nämlich ‑ was
insoweit ausreicht ‑ tatsächlich Versicherungsschutz, der die
Absicherung im Krankheitsfall im System der PKV umfasste. Dafür spielt
es keine Rolle, dass ggf nach den Umständen des Einzelfalls im System
Leistungen ‑ hier wegen arglistiger Täuschung ‑ ausgeschlossen sein
können, oder ob Leistungen zu Unrecht erbracht wurden und im Nachhinein
wieder ‑ etwa nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen ‑ erstattet
werden müssen. Diese Auslegung des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V ist vor allem
im Hinblick auf den mit der Einführung dieser Versicherungspflicht
verfolgten Zweck als (subsidiäre) Auffang-Versicherungspflicht geboten
und entspricht der Systematik des Gesetzes. Nach der Anfechtung des
Versicherungsvertrages durch ein Unternehmen der PKV wegen arglistiger
Täuschung nach § 22 VVG iVm § 123 Abs 1 BGB hat der Versicherte einen
Anspruch auf Abschluss einer Krankenversicherung im Basistarif (vgl
erneut § 193 Abs 5 S 4 Nr 1 VVG). Damit gilt die Zuordnung zur PKV
unverändert fort.
SG Köln
- S 29 KR 446/13 -
LSG Nordrhein-Westfalen
- L 16 KR 735/13 -
Bundessozialgericht
- B 12 KR 23/14 R -
7. Die Revision
der Klägerin hatte keinen Erfolg. Die angegriffenen Bescheide der
beklagten Krankenkasse waren insoweit zu überprüfen, als sie die
Beendigung der ‑ bis zum 30.4.2010 bestehenden ‑ Familienversicherung
der Kinder der Klägerin feststellten. Die Beklagte durfte frühere, die
Familienversicherung der Kinder feststellende Bescheide für die Zeit
nach dem 30.4.2010 nach § 48 SGB X aufheben, weil die Voraussetzungen
für ein Fortbestehen der Familienversicherung nicht mehr vorlagen. Die
den Kindern der Klägerin von der Versorgungseinrichtung der Ärztekammer
gewährten Halbwaisenrenten waren bei der Ermittlung ihres
Gesamteinkommens nach § 10 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V (iVm § 18 SGB IV)
heranzuziehen und überschritten mit ihrem zu berücksichtigenden
Zahlbetrag von 458,34 Euro monatlich die Grenze von 365 Euro. Der
Begriff "Rente" iS dieser Vorschrift erfasst nicht nur
"einkommensersetzende" Renten, sondern auch solche, die ‑ wie
Halbwaisenrenten ‑ eine "Unterhaltsersatzfunktion" haben (vgl zur
weiten Auslegung des Begriffes bereits BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 5 und SozR
4-2500 § 10 Nr 5).
Die Heranziehung der Halbwaisenrenten
bei der Ermittlung des Gesamteinkommens verstößt nicht gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz. Zwar sind die Kinder der Klägerin gegenüber
solchen Kindern benachteiligt, deren Eltern noch leben; denn sowohl
tatsächlich geleisteter Natural- oder Betreuungsunterhalt als auch bei
Getrenntleben geleisteter Barunterhalt bleiben bei der Ermittlung des
Gesamteinkommens unberücksichtigt. Kinder wie diejenigen der Klägerin
haben diese Härten und Ungerechtigkeiten jedoch im Hinblick auf die
Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers hinzunehmen. Bei ihnen liegt eine
Ausnahmesituation vor, der der Gesetzgeber nicht durch Sonderregelungen
Rechnung tragen musste: ihr Vater hatte sich freiwillig der GKV
angeschlossen statt sich privat gegen Krankheit zu versichern; an die
Stelle des verstorbenen Vaters der Kinder war ihre Mutter als neue
Stammversicherte getreten; nur wegen des frühen Versterbens des Vaters
und ihres Kindesalters bezogen die Kinder überhaupt ihre (kindbezogenen)
Halbwaisenrenten. Auch die (mögliche) Benachteiligung der Kinder der
Klägerin gegenüber solchen mit Halbwaisenrenten aus der GRV verletzt
nicht Art 3 Abs 1 GG. Soweit Letztere nur auf den Rentenzahlbetrag
Krankenversicherungsbeiträge entrichten müssen und nicht auf diesen ggf
übersteigende Mindesteinnahmen nach § 240 Abs 4 S 1 SGB V, liegt der
sachliche Grund hierfür darin, dass nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V
krankenversicherte Personen zuvor dem Alterssicherungssystem der GRV
‑ und nicht einem anderen ‑ zugeordnet waren. Schließlich verstößt die
Heranziehung der Halbwaisenrenten der Kinder auch nicht deshalb gegen
den allgemeinen Gleichheitssatz, weil dies zu einer Gleichbehandlung mit
"einkommensersetzenden" Renten bzw einer Ungleichbehandlung mit anderen
"unterhaltsersetzenden" Renten und solchen Renten führt, die
betragsmäßig unter der Gesamteinkommensgrenze liegen. Insoweit ist
erneut auf die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers hinzuweisen; der
Gesetzgeber hat zudem mit der Anknüpfung an die
Entgelt-Geringfügigkeits-Grenze bei geringfügiger Beschäftigung seinen
Entscheidungsspielraum bei der Bestimmung der Höhe der
Gesamteinkommensgrenze nach § 10 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V nicht
überschritten.
SG Landshut
- S 4 KR 96/11 -
Bayerisches LSG
- L 4 KR 129/13 -
Bundessozialgericht
- B 12 KR 1/15 R -