Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 2. Senats vom 20.12.2016 - B 2 U 11/15 R -, Urteil des 2. Senats vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R -
Kassel, den 12. Dezember 2016
Terminvorschau Nr. 52/16
Der Termin um 10.00 Uhr in dem Verfahren B 2 U 7/15 R wurde aufgehoben.
Der für Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung
zuständige 2. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 20.
Dezember 2016 im Elisabeth-Selbert-Saal über drei Revisionen nach
mündlicher Verhandlung und mehrere Nichtzulassungsbeschwerden zu
entscheiden.
1)Der Termin wurde aufgehoben.
10.00 Uhr - B 2 U 7/15 R -
Dr. H. ./. BG Verkehr
Der Kläger erstrebt die
Zahlung einer höheren Abfindung für die ihm wegen der Folgen eines im
Jahre 1973 erlittenen Arbeitsunfalls gewährte Verletztenrente.
Der Kläger erlitt 1973 bei einer zwischen dem Abitur und dem
anschließend begonnenen Medizinstudium ausgeübten Aushilfstätigkeit
einen Arbeitsunfall, für den ihm die Beklagte durch Bescheid vom
25.10.1974 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der
Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH gewährte. Als Jahresarbeitsverdienst
(JAV) wurde der für die Aushilfstätigkeit maßgebliche JAV in Höhe von
DM 17 665,58 zugrunde gelegt. Nach Abschluss seines Medizinstudiums nahm
der Kläger 1980 eine Tätigkeit als Assistenzarzt auf, bei der er im
Zeitraum vom 1.1.1981 bis zum 30.11.1981 DM 62 337,41 verdiente. Im
Jahre 1981 wurde auf Antrag des Klägers seine Verletztenrente durch die
Beklagte nach § 604 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit einem
Kapitalwert von DM 68 873,90 auf Dauer abgefunden (Bescheid vom
26.8.1981). Bei der Berechnung des Kapitalwerts legte die Beklagte ‑ wie
bei der vorherigen Rentenzahlung ‑ den für die Aushilfstätigkeit
maßgeblichen JAV zugrunde. Die erforderliche Neufestsetzung des JAV nach
Beendigung des Medizinstudiums des Klägers unterblieb entgegen § 573 Abs
1 RVO. 2009 beantragte der Kläger die Überprüfung des im Jahre 1981
festgesetzten Abfindungsbetrags, weil der der Abfindung zugrunde gelegte
JAV nach Beendigung seines Studiums nicht neu festgesetzt worden sei.
Die Beklagte nahm daraufhin 2009 den Bescheid vom 26.8.1981 nach § 44
Abs 1 Satz 1 SGB X insoweit zurück, als die festgestellte
Abfindungssumme DM 68 873,90 (entspricht € 35 214,67) betrage. Den
ursprünglichen Rentenbewilligungsbescheid vom 25.10.1974 nahm sie
ebenfalls insoweit zurück, als der JAV ab dem 1.5.1980 nach § 573 Abs 1
RVO DM 59 310,46 (entspricht € 30 3214,96) betrage. Ein Anspruch auf
eine Nachzahlung bestehe nicht. Diese Bescheide wurden bestandskräftig.
Den sodann 2011 gestellten Antrag auf Überprüfung dieser Bescheide nach
§ 44 Abs 1 SGB X lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 11.8.2011 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.2.2012 ab. Klage und Berufung
hiergegen blieben ohne Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf
Auszahlung eines höheren Abfindungsbetrags. Nach § 44 Abs 4 SGB X würden
Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor
der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die
Vergangenheit nach § 44 Abs 1 und 2 SGB X zurückgenommen worden sei.
Zwar sei der Bescheid der Beklagten vom 26.8.1981 im Jahre 2009 insoweit
nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X zurückgenommen worden, als die
Abfindungssumme entgegen § 573 Abs 1 RVO nicht auf der Grundlage eines
nach Beendigung der Ausbildung des Klägers neu festgesetzten JAV
berechnet worden sei. Durch die zu niedrige Festsetzung des
Abfindungsbetrags sei dieser Verwaltungsakt aus der insoweit
maßgeblichen subjektiven Sicht des Klägers belastend gewesen. Für den
maßgeblichen Zeitraum von längstens vier Jahren vor dem Antrag auf
Rücknahme, dh den Zeitraum ab dem 1.1.2005, habe aber kein Anspruch auf
Zahlung von Sozialleistungen bestanden. Auch wenn man in der Abfindung
einen eigenständigen, ausschließlich begünstigenden Verwaltungsakt sehe,
der lediglich die Umwandlung des zuvor festgestellten Rentenanspruchs in
eine andere ‑ gewünschte ‑ Leistungsform regele, so würde eine Rücknahme
(dieses begünstigenden Verwaltungsakts) nach § 45 SGB X ausscheiden,
weil die hierfür maßgeblichen Fristen von zwei Jahren nach § 45 Abs 3
Satz 1 SGB X oder jedenfalls zehn Jahren nach § 45 Abs 3 Satz 3 SGB X
bereits verstrichen seien. Es bestehe auch kein Anspruch auf Auszahlung
desjenigen Teils der dem Kläger eigentlich zustehenden Abfindung, der
bei der im Bescheid vom 26.8.1981 vorgenommenen Berechnung des
Abfindungsbetrags unberücksichtigt geblieben sei. Ebenso wenig bestehe
ein Anspruch auf (laufende) Auszahlung eines bei der Rentenabfindung
nicht berücksichtigten "Rentenrests".
Hiergegen wendet sich der
Kläger mit seiner Revision. Er rügt eine Verletzung der §§ 604, 606 RVO
und des § 44 SGB X.
SG Trier
- S 4 U 26/12 -
LSG Rheinland-Pfalz
- L 3 U 141/13 -
2) 11.00 Uhr
- B 2 U 11/15 R - D.G. ./.
Unfallkasse Brandenburg
Die Beteiligten streiten darüber, ob
die Verletztenrente des Klägers herabgesetzt werden darf, weil er eine
andere prothetische Versorgung erhalten hat.
Der 1981 geborene
Kläger erlitt im Jahre 1998 als Schüler einen Unfall, der zur Amputation
des linken Beines im Bereich des Oberschenkels führte. Er wurde von der
Beklagten mit einer Prothese versorgt. Sie bewilligte ihm
Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 70 vH, wobei sie als Folgen
des Arbeitsunfalls "nach Polytrauma mit unfallbedingtem Verlust des
linken Beines im Bereich des Oberschenkels narbenbedingte
Sensibilitätsstörungen im Bereich des Oberschenkelstumpfes,
Phantomschmerzen nach Oberschenkelamputation sowie leichte
Leistungseinschränkungen und Wahrnehmungsbeeinträchtigung nach
Schädel-Hirn-Trauma" anerkannte. Die Beklagte bewilligte im Jahre 2005
dem Kläger anstelle der bisherigen Prothese die Versorgung mit einer
mikroprozessorgesteuerten Oberschenkelprothese, einem sog C-Leg, die er
im März 2006 erhielt. Die Beklagte hob daraufhin den ursprünglichen
Rentenbewilligungsbescheid wegen einer wesentlichen Änderung der
Verhältnisse nach § 48 SGB X teilweise auf und gewährte dem Kläger ab
dem 1.8.2007 nur noch eine Verletztenrente nach einer MdE von 60 vH.
Durch die Versorgung mit der C-Leg-Prothese sei eine deutliche
Funktionsverbesserung des linken Beines eingetreten, die zu einem
flüssigeren Gangbild und einer Erhöhung der Gang- und Standsicherheit
geführt habe. Die Mobilität des Klägers sei so verbessert, dass ihr
beratender Chirurg Dr. L. die Unfallfolgen nach der Versorgung mit der
C-Leg-Prothese ab März 2006 mit 50 vH auf chirurgischem Fachgebiet und
insgesamt mit 60 vH bewertet habe. Das SG hat die Bescheide der
Beklagten aufgehoben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg
geblieben. Das LSG hat ausgeführt, die Voraussetzungen für eine
Rentenherabsetzung seien nicht erfüllt, weil keine wesentliche Änderung
eingetreten sei. Die chirurgischen Unfallfolgen hätten sich nicht
verändert. Ebenso wenig begründeten die Gebrauchsvorteile der
prothetische Versorgung mit einem C-Leg eine wesentliche Änderung.
Jedenfalls beim Verlust von Gliedmaßen sei der objektive funktionelle
Körperschaden unabhängig von dem Erfolg der prothetischen Versorgung zu
beurteilen, denn eine Prothese für die Gliedmaßen könne den Schaden
derzeit bei Weitem nicht voll kompensieren. Nur wenn ein Hilfsmittel
einen physiologisch vollwertigen Ersatz darstelle bzw Ausgleich schaffe,
sei es gerechtfertigt, dies bei der Bemessung der MdE zu
berücksichtigen. Die Funktionsbewertung bleibe nicht völlig
unberücksichtigt, sondern werde nur im Sinne einer
Durchschnittsbewertung in die MdE-Tabellen einbezogen. Auch die
Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) und die der
Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) würden beim Verlust von
Gliedmaßen nicht danach differenzieren, ob die prothetische Versorgung
zu einer Funktionsverbesserung geführt habe.
Die Beklagte rügt
mit ihrer Revision eine Verletzung der § 48 SGB X iVm §§ 73, 56 SGB VII.
Die Versorgung des Klägers mit dem C-Leg habe zu einer signifikanten
Verbesserung seiner Körperfunktionen geführt und begründe damit eine
wesentliche Änderung iS des § 48 SGB X. Die durch das LSG vorgenommene,
ausschließlich am Verlust der Extremitäten orientierte Auslegung des
Tatbestandsmerkmals "Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen
Leistungsvermögens" in § 56 Abs 2 SGB VII sei unzutreffend. Die MdE
bemesse sich nach den auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens
verbliebenen verminderten Arbeitsmöglichkeiten nach Abschluss der
Heilbehandlung.
SG Stralsund
- S 1 U 99/07 -
LSG Mecklenburg-Vorpommern - L 5 U 1/11 -
3) 13.00 Uhr - B 2 U 16/15 R -
A.A. ./. BG Handel und Warenlogistik
Zwischen den
Beteiligten ist streitig, ob sich der Verkehrsunfall des Klägers auf dem
versicherten Weg zur Arbeitsstelle ereignete und deshalb als
Arbeitsunfall festzustellen ist.
Der in F. wohnende Kläger war
als Lagerist bei einer Firma in E. beschäftigt, die auch ein Lager in G.
unterhielt. Der übliche Arbeitsweg von der Wohnung des Klägers zu diesem
Lager führte über zwei Autobahnen bis zur Abfahrt G.. Nach der Abfahrt
G. musste der Kläger rechts auf eine Bundesstraße abbiegen, um zu dem
Verteilerzentrum in G. zu gelangen. Am 7.1.2011 verließ der Kläger am
frühen Abend seine Wohnung, um sich zu seinem Arbeitsplatz, dem Lager in
G. zu begeben. Hierfür befuhr er zunächst die beiden Autobahnen bis zur
Abfahrt G.. Dort bog er aus ungeklärter Ursache auf die Bundesstraße in
die Gegenrichtung ab und befuhr diese Bundesstraße etwa 2,5 km entgegen
der zur Arbeitsstelle führenden Richtung. Der Kläger führte sodann ein
Wendemanöver auf der vierspurigen Bundesstraße durch, bei welchem er mit
einem hinter ihm auf der Überholspur fahrenden Pkw zusammenstieß. Er
erlitt erhebliche Verletzungen (ua Schädel-Hirn-Trauma) und hat selbst
keine Erinnerung an den Unfallhergang. Die Beklagte lehnte die
Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Der Kläger habe sich auf einem
Abweg befunden, weil er die Bundesstraße nicht in Richtung auf seine
Arbeitsstätte, sondern in der der Arbeitsstelle entgegengesetzten
Richtung befahren habe, ohne dass hierfür betriebliche oder
verkehrstechnische Gründe erkennbar gewesen seien. Das SG hat die
Bescheide der Beklagten aufgehoben und das Vorliegen eines
Arbeitsunfalls festgestellt. Das LSG hat die Berufung der Beklagten
zurückgewiesen. Der Verkehrsunfall sei ein Arbeitsunfall gewesen, weil
sich der Unfall noch im inneren Zusammenhang mit dem gemäß § 8 Abs 2 Nr
1 SGB VII versicherten Hinweg zur Arbeitsstätte ereignet habe. Der
Kläger sei am Unfalltag aufgebrochen, um seine Arbeitsstätte zu
erreichen. Durch das falsche Abbiegen habe er bei unveränderter
Handlungstendenz keinen unversicherten Abweg angetreten. Dem stehe nicht
entgegen, dass die Ursache, die zum Falschabbiegen geführt habe, nicht
aufklärbar sei, weil unter Anwendung der Grundsätze des Beweisnotstandes
eine unveränderte Handlungstendenz bestanden habe. Es hätten keine
Anhaltspunkte für ein privates eigenwirtschaftliches Ziel des Klägers in
der von der Arbeitsstelle weg führenden Richtung vorgelegen. Das
Wendemanöver auf einer vierspurigen Bundesstraße am konkreten Ort zur
konkreten Zeit mache nur Sinn, wenn der Kläger seinen Fehler beim
Abbiegen habe korrigieren wollen, um noch rechtzeitig zu seiner
Arbeitsstätte zu gelangen. Im Übrigen stünden die Länge der in falscher
Richtung auf der Bundesstraße zurückgelegten Fahrstrecke von ca 2,5 km
und die Dauer dieser Fahrt von nur wenigen Minuten dem Fortbestehen des
inneren Zusammenhangs nicht entgegen. Das Zurücklegen des gesamten Weges
stelle einen einheitlichen Vorgang dar, der keiner den
Unfallversicherungsschutz beendenden Zäsur unterliege.
Die
Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB
VII. Eine objektiv feststellbare Zäsur, wie das Einschwenken in einen
Abweg, indiziere regelmäßig, dass der innere Zusammenhang zur
versicherten Tätigkeit gelöst worden sei. Nach der Rechtsprechung des
BSG lasse ein Irrtum den inneren Zusammenhang zur betrieblichen
Tätigkeit auf einem Abweg nur dann fortbestehen, wenn äußere, mit der
besonderen Art des Weges verbundene Gefahren, zB Dunkelheit,
Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder
dergleichen, für das Verirren ursächlich gewesen seien. Faktisch habe
das LSG zu Unrecht eine Beweislastumkehr vorgenommen.
SG
Frankfurt/Main
- S 8 U 196/11 -
Hessisches LSG
- L 3 U 118/13 -