Verknüpftes Dokument, siehe auch: Vorlagebeschluss des 5. Senats vom 17.8.2017 - B 5 R 26/14 R -, Urteil des 13. Senats vom 14.12.2016 - B 13 R 9/16 R -, Urteil des 13. Senats vom 14.12.2016 - B 13 R 34/15 R -, Urteil des 13. Senats vom 24.2.2016 - B 13 R 22/15 R -, Beschluss des 5. Senats vom 17.8.2017 - B 5 R 26/14 R -, Beschluss des 5. Senats vom 7.4.2016 - B 5 R 26/14 R -
Kassel, den 5. Dezember 2016
Terminvorschau Nr. 48/16
Der 13. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 14. Dezember 2016 im Weißenstein-Saal über drei Revisionen aus dem Bereich der Rentenversicherung aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden.
1) 10.00 Uhr - B 13 R 9/16 R -
C.-J. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
Im Streit steht die Rückforderung von nach dem Tod des Versicherten zu
Unrecht gezahlten Rentenleistungen von dessen gerichtlich bestellter
Betreuerin (Revisionsbeklagte).
Der Versicherte bezog
Altersrente. Am Tag nach seinem Tod Ende Oktober 2010 überwies der
RV-Träger (Revisionsklägerin) die Rente für den Folgemonat an sein
kontoführendes Geldinstitut. Das Girokonto des Versicherten befand sich
zu diesem Zeitpunkt im Soll. Die Betreuerin beauftragte am Tag des
Eingangs der Rentenleistung das Geldinstitut mit zwei Überweisungen an
Dritte. Erst danach erhielt sie Kenntnis vom Tod des Versicherten und
informierte den RV-Träger sogleich hierüber. Dieser forderte von der
Betreuerin die zu Unrecht für den Monat November 2010 gezahlte Rente in
Höhe von rund 850 Euro auf Grundlage des § 118 Abs 4 S 1 SGB VI mit der
Begründung zurück, die Betreuerin habe über die Rentenzahlung in
entsprechender Höhe verfügt. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der
Betreuerin blieb erfolglos.
Das SG hat der Klage der Betreuerin
stattgegeben und den Rückforderungsbescheid aufgehoben; das LSG hat die
Berufung des RV-Trägers gegen das erstinstanzliche Urteil
zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Betreuerin sei
nicht als Verfügende im Sinne des § 118 Abs 4 S 1 SGB VI anzusehen.
Nicht die vertretende, sondern die vertretene Person sei Verfügende im
Sinne des § 118 Abs 4 S 1 SGB VI. Mit dem Tod des Betreuten werde kraft
Gesetzes ein neues Vertretungsverhältnis mit den Erben begründet,
solange noch keine Kenntnis vom Tod des Betreuten bestehe. Nur bei einer
‑ hier nicht vorliegenden ‑ Verfügung in Kenntnis des Todes oder bei
Bösgläubigkeit könne die Betreuerin in Anspruch genommen werden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der RV-Träger eine Verletzung
des § 118 Abs 4 S 1 SGB VI. Die Betreuerin habe nach dem Tod des
Versicherten zwei bankübliche Zahlungsgeschäfte in Auftrag gegeben und
sei daher Verfügende iS dieser Vorschrift. Die Rechtsprechung des BSG,
wonach gesetzliche Vertreter nicht selbst als Verfügende anzusehen
seien, finde hier keine Anwendung. Die gesetzliche Vertretung im Rahmen
der Betreuung ende mit dem Tod des Betreuten. Die Betreuerin werde
lediglich ‑ zivilrechtlich ‑ von der Haftung gegenüber gutgläubigen
Dritten und den Erben freigestellt, solange sie im Rahmen ihrer
Amtsausübung in Unkenntnis des Todes die Geschäfte ordnungsgemäß
fortführe. Der öffentlich‑rechtliche Erstattungsanspruch des § 118 Abs 4
S 1 SGB VI werde von der Haftungsfreistellung der Betreuerin hingegen
nicht erfasst.
SG Kassel
- S 10 R 360/11 -
Hessisches LSG
- L 5 R 152/13 -
2) 11.00 Uhr - B
13 R 34/15 R - Freie und
Hansestadt Hamburg ./.
Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz
1 Beigeladener
Die Freie und Hansestadt Hamburg
(Revisionsklägerin) wendet sich gegen die Entrichtung weiterer
Nachversicherungsbeiträge iHv rund 9000 Euro für Versorgungszuschläge,
die sie von einer privaten Arbeitgeberin für die spätere Versorgung des
beigeladenen Arbeitnehmers (A) erhielt.
A stand von 1994 bis
März 2006 als Beamter im Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg. Sie
beurlaubte ihn von April 2001 bis März 2006 unter Fortfall seiner
Bezüge, damit er aufgrund öffentlicher Belange eine Beschäftigung bei
einer privaten Arbeitgeberin ausüben konnte. Die Freie und Hansestadt
Hamburg stellte die Anerkennung der Zeit der Beurlaubung als
ruhegehaltsfähige Dienstzeit in Aussicht, wenn ‑ so geschehen ‑ von der
Arbeitgeberin ein Versorgungszuschlag iHv 30 % auf Grundlage der letzten
Besoldungsgruppe des A und der anteiligen jährlichen Sonderzuwendung an
sie gezahlt werde. Nach der Liquidation der Arbeitgeberin und dem
Ausscheiden aus dem Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg mit Ablauf
des März 2006 wurde A selbstständig tätig. Die Freie und Hansestadt
Hamburg übersandte dem RV-Träger (Revisionsbeklagte) im Mai 2008 eine
Nachversicherungsbescheinigung für den Zeitraum vom 1.10.1994 bis zum
31.3.2006 und leistete auf der Grundlage der von A vor der Beurlaubung
erzielten Grundbezüge einen Nachversicherungsbeitrag iHv von rund
51 000 Euro. Der RV-Träger forderte alsdann weitere rund 9000 Euro von
der Freien und Hansestadt Hamburg, weil zu den beitragspflichtigen
Einnahmen im Rahmen der Nachversicherung auch der Versorgungszuschlag
gehöre.
Das SG hat den Bescheid des RV-Trägers mit der
Begründung aufgehoben, der Versorgungszuschlag sei kein Arbeitsentgelt
im Sinne des § 14 Abs 1 S 1 SGB IV und damit auch keine der
Nachversicherung unterliegende Einnahme aus der Beschäftigung im
Nachversicherungszeitraum. Auf die Berufung des RV-Trägers hat das LSG
das Urteil das SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung
hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass in die Nachversicherung auch
diejenigen Einnahmen des Nachzuversichernden einzubeziehen seien, die
ihm im Zusammenhang mit der Erlangung der Versorgungszusage zugeflossen
seien. Erst die Zahlung des Versorgungszuschlags habe die
versicherungsfreie Beschäftigung bei der privaten Arbeitgeberin mit
einem deutlich über den Dienstbezügen liegenden Gehalt ermöglicht.
Mit ihrer Revision rügt die Freie und Hansestadt Hamburg eine Verletzung
von § 181 Abs 2 S 1 SGB VI iVm § 14 Abs 1 S 1 SGB IV. Der
Versorgungszuschlag sei kein Arbeitsentgelt und damit auch keine
beitragspflichtige Einnahme aus der Beschäftigung im
Nachversicherungszeitraum.
SG Hamburg
- S 11 R 640/10 -
LSG Hamburg
- L 3 R 116/13 -
3) 12.00 Uhr - B
13 R 9/15 R - A.S.
./. Deutsche Rentenversicherung Schwaben
Der
Revisionskläger (und Revisionsbeklagter) begehrt vom RV-Träger
(Revisionsklägerin und ‑beklagte) die Bewilligung einer Altersrente
unter Berücksichtigung von Ersatzzeiten von April 1957 bis
Dezember 1991, weil er als Deutscher wegen seiner Volks‑ bzw
Staatsangehörigkeit in die UdSSR verschleppt, dort festgehalten worden
und arbeitspflichtig gewesen sei.
Der Kläger wurde 1943 im
Gebiet der damaligen Ukrainischen Unionsrepublik der UdSSR geboren.
Deutsche Behörden siedelten ihn im selben Jahr zusammen mit seiner
Familie in den Warthegau um und verliehen ihm 1944 die deutsche
Staatsangehörigkeit. Im Jahr 1945 repatriierten Behörden der UdSSR den
Kläger und seine Mutter in die UdSSR. Dort standen seine Mutter und er
als Familienangehöriger bis Juli 1955 unter sog Kommandaturaufsicht. Der
Kläger war nach einem von ihm vorgelegten Arbeitsbuch zwischen September
1959 und Juli 2005 in unterschiedlichen Beschäftigungen, unterbrochen
aufgrund von Kündigungen und der Ableistung des Wehrdienstes, in der
UdSSR erwerbstätig. Zwischenzeitlich bezieht er eine Rente aus Russland.
Der Kläger reiste im Mai 2007 ‑ ohne vorherige
Statusfeststellung ‑ mit einem von der Deutschen Botschaft in Moskau
ausgestellten Reisepass in das Bundesgebiet ein. Die Regierung von
Schwaben bescheinigte dem Kläger später, er sei Vertriebener (Umsiedler)
iS des § 1 Abs 2 Nr 2 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) und im Zeitraum ab
Sommer/Herbst 1945 bis Dezember 1989 politischer Häftling (Gewahrsam aus
politischen Gründen) iS des § 1 Abs 1 iVm § 10 Abs 4
Häftlingshilfegesetz (HHG) gewesen. Zunächst bezog der Kläger in
Deutschland Alg II und anschließend Leistungen der Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII unter Berücksichtigung
der russischen Rentenleistung.
Mit seinem Rentenantrag aus Mai
2007 begehrte er die Berücksichtigung von Ersatzzeiten nach § 250 Abs 1
Nr 2 SGB VI ab der Vollendung des 14. Lebensjahrs (April 1957) bis zum
31.12.1991, weil er mit seiner Familie in die UdSSR verschleppt worden
sei. Der RV-Träger beschied den Kläger mit der Begründung abschlägig,
die allgemeine Wartezeit für eine Altersrente sei nicht erfüllt, denn
die geltend gemachten Ersatzzeiten könnten nicht anerkannt werden. Im
Widerspruchsverfahren war der Kläger ebenso wie im Klageverfahren
erfolglos.
Auf seine Berufung hat das LSG das Urteil des SG und
die Bescheide des RV-Trägers geändert sowie diese zur "Gewährung der RAR
für die Zeit ab dem 1.4.2008 unter Berücksichtigung einer Ersatzzeit vom
1.4.1957 bis 31.12.1989 nach den gesetzlichen Bestimmungen" verurteilt.
Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zwar habe der Kläger
keine zu berücksichtigenden Zeiten nach dem FRG zurückgelegt, weil er
keinen Antrag auf Anerkennung als Spätaussiedler gestellt habe. Neben
den Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezuges von Alg II seien der
Rentenberechnung jedoch 393 Monate aus Ersatzzeiten wegen
Ingewahrsamnahme als politischer Häftling nach dem HHG zu Grunde zu
legen. Die Beschäftigungszeiten in der UdSSR stünden der durchgehenden
Berücksichtigung der Ersatzzeiten nicht entgegen. Ausländische
Pflichtbeitragszeiten würden eine Anrechnung als Ersatzzeit nur
ausschließen, wenn sie deutschen Pflichtbeitragszeiten wegen der
Anwendung des FRG gleichständen.
Der Kläger und der RV-Träger
haben Revisionen zum BSG eingelegt und rügen eine Verletzung von § 250
SGB VI. Der Kläger bringt vor, der Zeitraum vom 1.1.1990 bis zum
31.12.1991 sei vom LSG zu Unrecht von der Berücksichtigung als
Ersatzzeit ausgenommen worden. Er habe auch nach 1989 kein Recht zur
Emigration aus freier Entscheidung gehabt. Der RV-Träger legt dar, dass
zwar die Voraussetzungen für Ersatzzeiten nach § 250 Abs 1 Nr 5 SGB VI
aufgrund der Feststellung einer politisch begründeten Haft im
vorliegenden Fall bis zum 31.12.1989 gegeben seien. Wegen der
Ausschlussvorschrift des § 250 Abs 2 Nr 3 SGB VI seien Ersatzzeiten
jedoch nicht zu berücksichtigen. Ersatzzeiten dienten dazu, Lücken im
Erwerbsleben im Rahmen der Rentenberechnung aufzufüllen. Sie setzten
damit voraus, dass eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit
wegen des Ersatzzeittatbestandes nicht ausgeübt worden sei. Umgekehrt
könnten Ersatzzeiten bei zeitgleicher Ausübung einer Beschäftigung nicht
anerkannt werden. Insoweit komme es nicht darauf an, ob es sich um eine
nach bundesdeutschem Recht versicherungspflichtige Tätigkeit oder nach
dem Recht anderer Staaten zurückgelegte Beschäftigungszeit handele.
SG Augsburg
- S 12 R 653/08 -
Bayerisches LSG
- L 6 R 835/12 -
Der Senat wird ohne mündliche Verhandlung
zudem über die folgende Anfrage des 5. Senats aus dessen Beschluss vom
7. April 2016 (B 5 R 26/14 R) zu befinden haben:
"… ob er (Anm.
der 13. Senat) an der Rechtsauffassung festhält, dass ein Anspruch des
Rentenversicherungsträgers gegen das Geldinstitut nach § 118 Abs 3 S 2
SGB VI auf Rücküberweisung von Geldleistungen, die für die Zeit nach dem
Tod des Berechtigten überwiesen worden sind, nicht die weitere Existenz
des Kontos des Rentenempfängers voraussetzt" (s hierzu Urteil des
13. Senats vom 24.2.2016 - B 13 R 22/15 R).