Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 5. Senats vom 15.12.2016 - B 5 RS 2/16 R -, Urteil des 5. Senats vom 15.12.2016 - B 5 RE 2/16 R -, Urteil des 5. Senats vom 15.12.2016 - B 5 RS 4/16 R -, Urteil des 5. Senats vom 15.12.2016 - B 5 RS 6/16 R -, Urteil des 5. Senats vom 15.12.2016 - B 5 RS 9/16 R -, Urteil des 5. Senats vom 15.12.2016 - B 5 RS 5/16 R -, Urteil des 5. Senats vom 15.12.2016 - B 5 RE 7/16 R -, Urteil des 5. Senats vom 15.12.2016 - B 5 RS 8/16 R -, Urteil des 5. Senats vom 15.12.2016 - B 5 RS 7/16 R -, Urteil des 5. Senats vom 15.12.2016 - B 5 RS 3/16 R -
Kassel, den 16. Dezember 2016
Terminbericht Nr. 53/16
(zur Terminvorschau Nr. 53/16)
Der 5. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 15. Dezember 2016.
1) Die zulässige Revision der Beklagten ist
in der Sache ohne Erfolg geblieben. § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI findet auf
den vom Beigeladenen repräsentierten Personenkreis auch dann keine
Anwendung, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm in vollem
Umfang erfüllt sind. Die Verwaltungsakte über die Feststellung von
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und die auf
dieser Grundlage erhobene Beitragsforderung können damit keinen Bestand
haben. Im Ergebnis zutreffend hat daher das LSG die Aufhebung des
angegriffenen Bescheides durch das SG bestätigt, soweit sie den
Beigeladenen betreffen.
Zwar sind grundsätzlich alle Personen in
der gesetzlichen Rentenversicherung kraft Gesetzes pflichtversichert,
die von einem Leistungsträger ua Verletztengeld beziehen und eine
hinreichende Vorbeziehung zu diesem Sicherungssystem aufweisen. Für
Personen wie den Beigeladenen, die während einer Freiheitsentziehung wie
Beschäftigte tätig werden und aufgrund dessen in der gesetzlichen
Unfallversicherung pflichtversichert sind (§ 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII),
widerspräche indessen die Einbeziehung in das System der gesetzlichen
Rentenversicherung vorrangigen eigenen Leitentscheidungen des
Gesetzgebers. § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI ist daher vorliegend in der Weise
einschränkend auszulegen, dass er entgegen dem vordergründigen Wortlaut
lediglich einen Bezug von Verletztengeld erfasst, der an die Stelle
sonst rentenversicherungsrechtlich relevanter Einnahmen tritt
(teleologische Reduktion). Auf eine Versicherungspflicht innerhalb der
grundsätzlich einjährigen Rahmenfrist kommt es in Fällen der
vorliegenden Art daneben nicht gesondert an.
Der mit § 3 Satz 1
Nr 3 SGB VI bezweckten Vermeidung von Sicherungslücken bedarf es nicht,
wenn Verletztengeld aufgrund einer Tätigkeit nach den §§ 41ff StVG
geleistet wird, die ihrerseits mangels Freiwilligkeit keine
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet.
Die Versicherungspflicht bei Bezug einer Entgeltersatzleistung wie des
Verletztengeldes dient lediglich der Aufrechterhaltung einer
vorangegangenen Versicherungspflicht und führt nicht etwa systemwidrig
zu einer originären Einbeziehung. Aus dem weitergehenden Schutz des
betroffenen Personenkreises in der gesetzlichen Unfallversicherung und
in der Arbeitslosenversicherung ergibt sich nichts anderes. Für den
maßgeblichen Binnenbereich der gesetzlichen Rentenversicherung hat der
Gesetzgeber von einer Einbeziehung des betroffenen Personenkreises
gerade abgesehen.
Hiergegen bestehen keine
verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Gegenteil vermeidet die
Rechtsauffassung des Senats ein dem allgemeinen Gleichheitssatz
widersprechendes Ergebnis.
SG Frankfurt am Main
- S 8 U 270/08 -
Hessisches LSG
- L 8 KR 375/13 -
Bundessozialgericht
- B 5 RE 2/16 R -
2) Die Revision der
Beklagten ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Über das
streitige Befreiungsrecht kann derzeit nicht abschließend entschieden
werden.
Der Kläger war ausgehend von den Feststellungen des
Berufungsgerichts zwar abhängig beschäftigt (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV), doch
kann der Senat mangels weiterer tatrichterlicher Feststellungen
insbesondere zu den Voraussetzungen einer vorliegend noch in Betracht
kommenden Versicherungsfreiheit wegen Entgeltgeringfügigkeit (§ 5 Abs 2
Satz 1 Nr 1 SGB VI idF bis 31.12.2012 iVm § 8 Abs 1 SGB IV und § 230 Abs
8 SGB VI) derzeit nicht beurteilen, ob er deshalb auch der
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt
(§ 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 1 1. Alt. SGB VI). Ebenso fehlen
Feststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen von § 6 Abs 1 Satz 1 Nr
1 Buchst a) bis c) iVm Abs 3 Satz 1 SGB VI.
Der Senat geht im
Übrigen in Übereinstimmung mit dem LSG davon aus, dass die Tätigkeit des
Klägers bei der Beigeladenen zu 3. als Teil seiner anwaltlichen
Tätigkeit in Betracht kommt. Der Kläger berät Mandanten seines
nichtanwaltlichen Arbeitgebers in deren steuerrechtlichen
Angelegenheiten und bedarf hierzu sowie zur Vertretung vor Gericht der
Zulassung als Rechtsanwalt (§ 3 SteuerberatungsG, § 62
Finanzgerichtsordnung). Eine arbeitsvertragliche Bindung an den
Mandanten liegt damit anders als in den vom Senat am 3.4.2014
entschiedenen Fällen ("Syndikus-Anwälte") nicht vor. Die aktuelle
Rechtsprechung des BGH seit dem Beschluss vom 6.3.2006 (AnwZ (B) 37/05 –
BGHZ 166, 299 = juris), der sich der erkennende Senat unter
Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG anschließt, sieht in
derartigen Fällen keine Unvereinbarkeit mit dem Berufsbild des
Rechtsanwalts mehr, wenn der Anstellungsvertrag mit dem den anwaltlichen
Standespflichten nicht unterworfenen Arbeitgeber die Unabhängigkeit des
Rechtsanwalts sicherstellt. Die Anstellung des zulässig auf
Rechtsberatung und Rechtsvertretung in Steuersachen als Ausschnitt der
dem Rechtsanwalt erlaubten Berufstätigkeit spezialisierten Klägers bei
der Beigeladenen zu 3., die sich in der Form einer AG zulässig als
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft betätigt, gefährdet die Stellung als
Rechtsanwalt, wie sie sich aus §§ 1ff BRAO ergibt, nicht. Auch § 46 BRAO
aF steht einer derartigen Betätigung des Klägers grundsätzlich nicht
entgegen. Die vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Teile des
Arbeitsvertrages bestätigen im konkreten Fall die Gewährleistung einer
unabhängigen und weisungsfreien Aufgabenwahrnehmung des Klägers aus der
Perspektive des Mandanten. Das LSG wird ergänzend zu klären haben, ob
sich dieses Ergebnis auch unter Zugrundelegung des gesamten
Vertragstextes und der hierdurch verkörperten Regelungsgesamtheit
bestätigen lässt.
SG München
- S 12 R 2261/11 -
Bayerisches LSG
- L 14 R 775/12 -
Bundessozialgericht
- B 5 RE 7/16 R -
3) bis 10)
Die Revisionen der Beklagten waren jeweils in der Sache erfolgreich. Der
Klägerin und den Klägern steht kein - im Fall 3 originär, ansonsten im
Wege des Zugunstenverfahrens verfolgter - Anspruch auf Feststellung
höherer Arbeitsverdienste unter zusätzlicher Berücksichtigung in der DDR
bezogener Jahresendprämien zu.
Der Tatbestand
öffentlich-rechtlicher Normen ist regelmäßig nur dann erfüllt, wenn ein
einschlägiger Sachverhalt nach Ausschöpfung grundsätzlich aller zur
Verfügung stehenden Erkenntnisgrundlagen bis zur Grenze der Zumutbarkeit
(vgl BVerwG vom 26.8.1983 - BVerwG 8C 76.80, Buchholz 310 § 86 Abs 1
VwGO Nr 147 S 9 und BVerfG vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/90, BVerfGE 101,
106) zur vollen Überzeugung des hierzu berufenen Anwenders iS einer
subjektiven Gewissheit feststeht. Für das sozialgerichtliche Verfahren
ergibt sich dies aus § 103 Satz 1 Halsatz 1, § 128 Abs 1 Satz 1 SGG.
Abweichungen von diesem Beweismaßstab bedürfen einer gesetzlichen
Grundlage. Nur dann ist gewährleistet, dass normativ angeordnete
Rechtsfolgen allein Fällen der gesetzlich vorgesehenen Art zugeordnet
werden und im Streitfall effektiver Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG)
gewährleistet ist. An einer einschlägigen Ausnahmeregelung fehlt es
vorliegend. Die Berufungsgerichte, waren nicht ermächtigt, die Höhe
geltend gemachter Jahresendprämien lediglich zu schätzen.
Durch
die Rechtsprechung des 4. Senats, der sich der erkennende Senat
anschließt, ist geklärt, dass es sich bei sog Jahresendprämien um
bundesrechtlich relevantes Arbeitsentgelt iS von §§ 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG,
14 SGB IV handelt (Urteil vom 13.8.2007 - B 4 RS 4/06 R-, SozR 4-8570
§ 8 Nr 4). Für den maßgeblichen Zufluss derartiger Entgeltbestandteile
trägt der Zahlungsempfänger die objektive Beweislast. Die
Beweiserleichterungen des maßgeblichen § 6 Abs 6 AAÜG verhelfen den
Klagen nicht zum Erfolg. Zwar hat das LSG mit bindender Wirkung für das
BSG (§ 163 SGG) jeweils festgestellt, dass in den jeweils ausgeurteilten
Jahren Jahresendprämien zugeflossen sind. § 6 Abs 6 AAÜG ermöglicht es
nämlich in Fällen wie den vorliegenden, in denen Zufluss und Höhe eines
Teils des Verdienstes im Wege des Vollbeweises nachgewiesen sind, nach
seinem Wortlaut und systematischen Zusammenhang, die Möglichkeit der
Glaubhaftmachung auch auf den Grund weiterer Entgeltzahlungen zu
erstrecken. Ebenso für das Revisionsgericht verbindlich hat das
Berufungsgericht aber jeweils auch (negativ) festgestellt, dass die Höhe
einschlägiger Zahlungen nicht glaubhaft gemacht ist. Insofern ist
unerheblich, dass die angegriffenen Urteile möglicherweise nicht auf
dieser Feststellung beruhen.
Die weitergehenden Feststellungen
der Berufungsgerichte zur Höhe von Jahresendprämien auf der Grundlage
von Schätzungen sind dagegen unbeachtlich. Sie gehen von rechtlich
unzutreffenden Annahmen hinsichtlich des Beweismaßes aus, die der
sachlichen Prüfung durch das BSG unterliegen. Es ist grundsätzlich
unerheblich, ob gesetzliche Beweiserleichterungen im Bereich des
materiellen oder des sog formellen Rechts verortet sind. Jedenfalls
ermöglichen die Ausnahmeregelungen des § 6 Abs 5 und 6 AAÜG nicht
darüber hinausgehende Erleichterungen in Gestalt einer Schätzung iS
einer Überzeugung von der bloßen Wahrscheinlichkeit. Die streitigen
Zahlungen betreffen zudem ersichtlich keinen "Schaden" iS von § 287 Abs
1 ZPO. Auch kann die auf gesetzlicher Ermächtigung beruhende
"entsprechende Anwendung" der Norm auf der Grundlage von Abs 2 aaO von
vorne herein nur in Betracht kommen, wenn für den in Frage stehenden
Rechtsbereich keine abschließende vorrangige Regelung besteht. Zudem
würde die entsprechende Anwendung von § 287 Abs 1 ZPO in Fällen der
vorliegenden Art zunächst die rechtsgrundlose Erweiterung von dessen
Anwendungsbereich auf Fallkonstellationen mit ungeklärter
Haftungsgrundlage erfordern, obwohl die insofern einschlägigen
tatsächlichen Umstände gerade zur vollen Überzeugung des Gerichts
feststehen müssen (§ 286 ZPO). Schließlich stieße die praktische
Umsetzung eines derart methodisch fragwürdigen Tuns auf das Problem,
dass sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch hinsichtlich der Höhe
Erwägungen zu unterschiedlichen Graden der Wahrscheinlichkeit
anzustellen wären. Deren Überlagerung müsste jedoch letztlich zu bloßen
Möglichkeiten und damit zu einer Verfehlung auch der Rechtsfolge von §
287 ZPO führen.
Fragestellungen, die der Entscheidung des 4.
Senats vom 4. Mai 1999 (B 4 RA 67/99 R) zugrunde liegen, waren in den
entschiedenen Fällen nicht zu beantworten.
3)
SG Dresden
- S 50 RS 1086/13 -
Sächsisches LSG
- L 5 RS 668/14 -
Bundessozialgericht
- B 5 RS 7/16 R -
4) SG Chemnitz
- S 13 RS 24/12 -
Sächsisches LSG
- L 5 RS 530/12 -
Bundessozialgericht
- B 5 RS 9/16 R -
5) SG Dresden
- S 16 RS 661/14 -
Sächsisches LSG
- L 5 RS 206/15 -
Bundessozialgericht
- B 5 RS 2/16 R -
6) SG Dresden
- S 50 RS 1112/14 -
Sächsisches LSG
- L 5 RS 152/15 -
Bundessozialgericht
- B 5 RS 3/16 R -
7) SG Dresden
- S 50 RS 1116/14 -
Sächsisches LSG
- L 5 RS 158/15 -
Bundessozialgericht
- B 5 RS 5/16 R -
8) SG Dresden
- S 2 RS 273/15 -
Sächsisches LSG
- L 5 RS 578/15 -
Bundessozialgericht
- B 5 RS 4/16 R -
9) SG Dresden
- S 16 RS 1580/14 -
Sächsisches LSG
- L 5 RS 296/15 -
Bundessozialgericht
- B 5 RS 6/16 R -
10) SG Dresden
- S 2 RS 1382/14 -
Sächsisches LSG
- L 5 RS 80/15 -
Bundessozialgericht
- B 5 RS 8/16 R -