Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 2. Senats vom 26.4.2016 - B 2 U 13/14 R -, Urteil des 2. Senats vom 26.4.2016 - B 2 U 14/14 R -
Kassel, den 26. April 2016
Terminbericht Nr. 18/16
(zur Terminvorschau Nr. 18/16)
Der für Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung zuständige 2. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 26. April 2016 wie folgt:
1) Die Revision ist ohne Erfolg geblieben.
Das Urteil des LSG steht mit Bundesrecht im Einklang. Die Beklagte hat
bei Erlass des Bescheides vom 23.8.1984 nicht das Recht unrichtig
angewandt (§ 44 Abs 1 S 1 1. Alt SGB X). Sie hat zutreffend die Normen
der RVO und nicht diejenigen des SGB VII zugrunde gelegt. Zwar bestimmt
§ 214 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Vorschriften des SGB VII über den
JAV auch für Versicherungsfälle gelten, die vor dem Tag des
In-Kraft-Tretens des SGB VII eingetreten sind, wenn der JAV nach dem
In-Kraft-Treten des SGB VII erstmals oder aufgrund des § 90 SGB VII neu
festgesetzt wird. Die Norm begründet jedoch nach der Rechtsprechung des
Senats keine Anwendung des § 90 SGB VII in "Altfällen", bei denen die
Sachverhalte neuer, durch die Vorschrift erst geschaffener
Voraussetzungen für eine Erhöhung des JAV bereits vor dem 1.1.1997
eingetreten waren. Der Kläger hat deshalb auch nicht aufgrund der
Vollendung des 30. Lebensjahres nach dem Arbeitsunfall, aber vor Erlass
des Bescheids vom 23.8.1984, Anspruch auf eine Neufestsetzung des JAV
nach § 90 Abs 2 SGB VII. Vielmehr findet alleine § 573 Abs 2 RVO
Anwendung, der auf das 25. Lebensjahr abstellt, das der Kläger zum
Zeitpunkt des Versicherungsfalls bereits vollendet hatte. Zutreffend hat
das LSG erkannt, dass die Beklagte den JAV rechtmäßig nach § 571 RVO
unter Zugrundelegung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts in Höhe
einer halben A-13-Stelle errechnet hat. Ebenso hat es zutreffend
erkannt, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt des Arbeitsunfallereignisses
nicht mehr in einer Berufs- oder Schulausbildung iS von § 573 Abs 1 RVO
befand. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist
"Berufsausbildung" jede zu einem beruflichen Abschluss führende
Bildungsmaßnahme (vgl BSG vom 7.2.2006 ‑ B 2 U 3/05 R ‑, SozR 4-2700
§ 90 Nr 1, SozR 4-2700 § 47 Nr 3, Rn 18). Sobald das Ausbildungsziel
erreicht ist, kommt nur eine berufliche Weiterbildung in Betracht. Nach
den Feststellungen des LSG hatte der Versicherte zum Zeitpunkt des
Versicherungsfalls das zur Ausübung des Berufs als Chemiker befähigende
Ausbildungsziel mit Ablegung des Diploms bereits erreicht. Ein eigenes
Berufsbild des promovierten Diplomchemikers existiert demgegenüber
nicht. Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Bewilligung
einer höheren Verletztenrente aufgrund der Billigkeitsnorm des § 577
RVO. Der ermittelte JAV entspricht den Fähigkeiten, der Ausbildung,
Lebensstellung und Tätigkeit der Versicherten in den zwölf
Kalendermonaten vor dem Monat des Versicherungsfalls und repräsentiert
nicht etwa ein Zufallsergebnis. Hiergegen bestehen auch keine
verfassungsrechtlichen Bedenken.
SG Gießen - S 3 U 231/08 -
Hessisches LSG - L 3 U 230/11 -
Bundessozialgericht - B 2 U 14/14 R -
2) Die Revision
hat lediglich zu einer verfahrensrechtlichen Korrektur des angegriffenen
Urteils geführt. Das LSG hat - soweit es das Klagebegehren ausgeurteilt
hat - die Unzulässigkeit der Anfechtungsklagen verkannt und hinsichtlich
des im Berufungsverfahren unter Änderung der Klage erstmals
angefochtenen Bescheides vom 20.7.2009 eine Entscheidung über die auch
insofern unzulässige Klage gänzlich unterlassen. Insofern konnte der
Senat nunmehr ausnahmsweise selbst eine abschließende Entscheidung
treffen (vgl BSG vom 14.9.1994 ‑ 3/1 RK 36/93) und eine Zurückverweisung
an das LSG allein zu dem Zweck der Weiterverweisung an das sachlich
zuständige SG (§ 98 Satz 1, § 8 SGG) und der schlussendlichen Abweisung
durch dieses vermeiden.
Die Beklagte hatte über die Auswirkung von Abtretungen auf die
monatlichen Zahlungsansprüche des Klägers nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG gegenüber dem Kläger als Anspruchsinhaber und
Zedent durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Die angegriffenen Regelungen
betreffen die Höhe der dem Kläger unter Berücksichtigung von Abtretungen
an die M‑Bank und den Beigeladenen aus seinem zuerkannten Stammrecht auf
Unfallrente zustehenden monatlichen Zahlungsansprüche für Zeiten ab dem
1.6.2009. Sie ändern insofern den bereits anderweitig mit Klage
angefochtenen Bescheid vom 16.7.2008 und den zugehörigen
Widerspruchsbescheid vom 25.9.2008, mit denen für Zeiten ab September
2008 erstmals einer Abtretung an die M‑Bank Rechnung getragen worden
war. In prozessualer Hinsicht folgt hieraus, dass die Regelungen in den
streitigen Bescheiden die im Bescheid vom 16.7.2008 getroffene
Bestimmung des monatlichen Zahlungsanspruchs jeweils abändern und damit
kraft gesetzlicher Fiktion ebenfalls als mit der Klage angefochten
gelten (§ 96 Abs 1 SGG). Eine weitere Klage, wie sie der Kläger erhoben
hat ist unter diesen Umständen wegen des gesetzlichen Verbots doppelten
Rechtshängigkeit (§ 202 S 1 SGG, § 17 Abs 1 GVG) unzulässig.
SG Konstanz - S 11 U 2345/09 -
LSG
Baden-Württemberg - L 9 U 847/10 -
Bundessozialgericht - B 2 U 13/14 R -