Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 14. Senats vom 23.6.2016 - B 14 AS 46/15 R -, Urteil des 14. Senats vom 23.6.2016 - B 14 AS 42/15 R -, Urteil des 14. Senats vom 23.6.2016 - B 14 AS 4/15 R -, Urteil des 14. Senats vom 23.6.2016 - B 14 AS 30/15 R -
Kassel, den 14. Juni 2016
Terminvorschau Nr. 25/16
Der 14. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 23. Juni 2016 im Weißenstein-Saal über fünf Revisionen mit und über eine Revision ohne mündliche Verhandlung aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu entscheiden.
A.
Mit mündlicher Verhandlung
1-3) 9.30 Uhr
- B14 AS 26/15 R, B 14 AS 29/15 R, B 14 AS 30/15 R
C. S. ./. Jobcenter Stadt Kassel
In den ersten drei
Fällen ist jeweils die Rechtmäßigkeit von Bescheiden des beklagten
Jobcenters im Streit, durch die eine weitere wiederholte
Pflichtverletzung des Klägers und das vollständige Entfallen des Alg II
für drei Monate ("100 %-Sanktion") festgestellt wurden.
Der
1977 geborene, alleinstehende Kläger bezog vom Beklagten Alg II. Die
Beteiligten schlossen Eingliederungsvereinbarungen nach § 15 Abs 1 SGB
II, nach denen der Kläger verpflichtet war, mindestens zehn
Bewerbungsbemühungen pro Monat zu unternehmen und diese an einem
Stichtag dem Beklagten nachzuweisen. Der Beklagte bot in den
Eingliederungsvereinbarungen als Unterstützungsleistungen zur
Beschäftigungsaufnahme "Mobilitätshilfen, weitere Leistungen, ESG" an,
sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und zuvor eine
gesonderte Antragstellung erfolgt; eine ausdrückliche Regelung zur
Erstattung von Bewerbungskosten enthielten die
Eingliederungsvereinbarungen nicht. In ihnen wurde darauf hingewiesen,
dass wegen einer bereits zuvor festgestellten wiederholten
Pflichtverletzung des Klägers jede weitere wiederholte Pflichtverletzung
zum vollständigen Entfallen des Alg II führen werde. In den drei hier
maßgeblichen Monatszeiträumen erfüllte der Kläger nach Auffassung des
Beklagten seine Verpflichtung zu den monatlichen Eigenbemühungen nicht,
ohne hierfür einen wichtigen Grund nachgewiesen zu haben. Der Beklagte
stellte durch die in den drei Fällen angefochtenen Bescheide gestützt
auf § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 31a Abs 1 Satz 3, § 31b Abs 1 Satz 1 und 3
SGB II jeweils fest, dass wegen dieser weiteren wiederholten
Pflichtverletzungen das Alg II für drei Monate vollständig entfällt. Der
Kläger erhielt in diesen Monaten vom Beklagten Lebensmittelgutscheine.
Das SG hob die Sanktionsbescheide auf, weil die
Eingliederungsvereinbarungen nichtig seien. Die Berufungen des Beklagten
wies das LSG zurück: Der Kläger habe nicht in vorwerfbarer Weise
Pflichten aus den Eingliederungsvereinbarungen verletzt, denn seine
Verpflichtungen zu Eigenbemühungen seien unwirksam. Zwar seien die
Eingliederungsvereinbarungen als öffentlich-rechtliche Verträge nicht
insgesamt nichtig, bei einer Inhaltskontrolle ihrer Formularklauseln
nach § 61 Satz 2 SGB X iVm § 307 BGB erweise sich die vereinbarte Anzahl
nachzuweisender Bewerbungen indes als unwirksam, weil ihr keine konkrete
Vereinbarung einer Kostenerstattung gegenüberstehe. Die
Eingliederungsvereinbarungen könnten daher nicht Grundlage von
Sanktionsentscheidungen nach §§ 31 ff SGB II sein.
Mit seinen
vom LSG zugelassenen Revisionen macht der Beklagte eine Verletzung von
§ 15 Abs 1 Satz 1 und 2, § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Satz 2, § 31a SGB II
sowie des § 61 Satz 2 SGB X iVm § 307 BGB geltend. Die
Eingliederungsvereinbarungen seien weder nichtig noch unterlägen sie
einer Inhaltskontrolle. Im Übrigen seien die Verpflichtungen des Klägers
zu Eigenbemühungen auch bei einer solchen Inhaltskontrolle nicht
unwirksam, denn die Erstattung von Bewerbungskosten sei bereits
gesetzlich geregelt und müsse deshalb nicht zum Inhalt einer
Eingliederungsvereinbarung gemacht werden.
zu 1) - B 14 AS
30/15 R -
Nach der Eingliederungsvereinbarung vom 17.6.2011 war
der Kläger ua zu den oben beschriebenen Eigenbemühungen und deren
Nachweis bis zum 16. eines jeden Monats verpflichtet. Für den Zeitraum
vom 17.9.2011 bis 16.10.2011 legte der Kläger keine Nachweise zu seinen
Eigenbemühungen vor, worauf der Beklagte nach Anhörung des Klägers eine
weitere wiederholte Pflichtverletzung und das vollständige Entfallen des
Alg II vom 1.12.2011 bis 29.2.2012 feststellte.
SG Kassel
- S 13 AS 133/12 -
Hessisches LSG
- L 6 AS 134/14 -
zu 2) - B 14 AS 29/15 R -
Am
20.2.2012 schlossen die Beteiligten erneut eine
Eingliederungsvereinbarung. Nach dieser war der Kläger ua zu den oben
beschriebenen Eigenbemühungen und deren Nachweis bis zum 19. eines jeden
Monats verpflichtet. Für den Zeitraum vom 20.3.2012 bis 19.4.2012 wies
der Kläger bis zum 19.4.2012 keine Eigenbemühungen nach, worauf der
Beklagte nach Anhörung des Klägers eine weitere wiederholte
Pflichtverletzung und das vollständige Entfallen des Alg II vom 1.6.2012
bis 31.8.2012 feststellte. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger
sechs Bewerbungen für den maßgeblichen Zeitraum vor; der Beklagte wies
den Widerspruch zurück, weil keine zehn Bewerbungen unaufgefordert
nachgewiesen worden seien.
SG Kassel
- S 13 AS 689/12 -
Hessisches LSG
- L 6 AS 133/14 -
zu 3) - B 14 AS 26/15 R -
Für
den von der Eingliederungsvereinbarung vom 20.2.2012 erfassten Zeitraum
vom 20.6.2012 bis 19.7.2012 legte der Kläger keine Nachweise zu
Eigenbemühungen vor. Hierauf stellte der Beklagte nach Anhörung des
Klägers eine weitere wiederholte Pflichtverletzung und das vollständige
Entfallen des Alg II vom 1.9.2012 bis 30.11.2012 fest.
SG Kassel
- S 13 AS 841/12 -
Hessisches LSG
- L 6 AS 132/14 -
4) 12.15 Uhr
- B 14 AS 42/15 R - G. I. ./. Jobcenter
Unterallgäu
Der im Bezug laufender Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts stehende Kläger wendet sich gegen
Eingliederungsvereinbarungen nach dem SGB II ersetzende Verwaltungsakte.
Die Eingliederungsverwaltungsakte waren vom beklagten Jobcenter erlassen
worden, nachdem der Kläger ihm vorgelegte Entwürfe einer
Eingliederungsvereinbarung nicht unterzeichnet hatte. Beide
Eingliederungsverwaltungsakte sahen eine Zahl von mindestens sechs
Bewerbungen des Klägers monatlich vor, der zweite zusätzlich seine
Verpflichtung, die Bewerbungen beim Beklagten einzureichen, weil von ihm
unternommene Bewerbungen bei den betreffenden Arbeitgebern nicht
eingegangen seien. Der Beklagte verpflichtete sich, dem Kläger
Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten, soweit geeignete Stellenangebote
vorliegen, und die Bewerbungsaktivitäten nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen durch Übernahme angemessener nachgewiesener Kosten für
schriftliche Bewerbungen und für Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen zu
unterstützen, sofern dies zuvor beantragt worden sei.
Gestützt
auf ein vom Kläger nicht angenommenes Teilanerkenntnis des Beklagten hat
das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit der
Geltungszeitraum des Eingliederungsverwaltungsakts über den 19.11.2014
hinaus verlängert worden ist, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das
LSG hat die Berufung hiergegen verworfen, soweit sie den Zeitraum ab dem
20.11.2014 betraf, und sie nach Umstellung der Klage auf eine
Fortsetzungsfeststellungsklage zurückgewiesen: Der
Eingliederungsverwaltungsakt beruhe auf einer verfassungsmäßigen
Rechtsgrundlage und sei auch im Übrigen rechtmäßig. Insbesondere seien
dem Kläger sechs Bewerbungen monatlich zumutbar. Nicht zu beanstanden
sei auch die partielle Änderung des Eingliederungsverwaltungsakts. Eine
hierzu berechtigende rechtlich wesentliche Änderung der Verhältnisse iS
von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X bestehe, wenn aus begründetem Anlass während
der Geltungsdauer eines Eingliederungsverwaltungsakts Verhandlungen über
eine neue Eingliederungsvereinbarung aufgenommen würden. So liege es
hier wegen der Feststellung des Beklagten, dass entgegen der Angaben des
Klägers keine Bewerbungen bei potentiellen Arbeitgebern eingegangen
seien.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger
die Verletzung des § 15 Abs 1 SGB II sowie seiner Grundrechte aus Art 1
Abs 1 iVm Art 20 GG sowie aus Art 2 Abs 1, Art 12 Abs 1 sowie Art 3 Abs
1 GG. Die in Ziff 1 des Eingliederungsverwaltungsakts umschriebenen
Unterstützungsleistungen des Beklagten seien unbestimmt und daher
unzureichend, insbesondere im Hinblick auf Bewerbungs- und Fahrkosten.
Der tatsächliche Zugang von Bewerbungen in der Vergangenheit stelle
keinen rechtlich wesentlichen Umstand für den Fortbestand des
ursprünglichen Eingliederungsverwaltungsakts dar und rechtfertige daher
nicht den Erlass des Änderungsbescheids. Verfassungswidrig sei, dass er
über die Sanktionsnormen der §§ 31 ff SGB II dazu angehalten werde, jede
zumutbare Arbeit aufzunehmen, unabhängig davon, ob dies seinem Willen
oder seinem Verständnis von guter Arbeit entspreche.
SG
Augsburg
- S 15 AS 580/14 -
Bayerisches LSG
- L 7 AS 781/14 -
5) 13.00 Uhr
- B 14 AS 4/15 R - M. S. ./. Jobcenter Leipzig
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsbegehrens des
beklagten Jobcenters gegen einen Unterhaltsverpflichteten. Der Kläger
war bis Juli 2011 für den Sohn B, der mit seiner Mutter S zusammenlebte
und die für ihn Kindergeld bezog, in Höhe von 314 Euro monatlich
aufgrund eines familiengerichtlichen Vergleichs unterhaltspflichtig.
Einen von S gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem
SGB II lehnte der Beklagte am 26.7.2010 hinsichtlich B ab, weil dessen
Einkommen aus den Unterhaltszahlungen des Klägers, Kindergeld und
Wohngeld zu hoch sei. Der S bewilligte der Beklagte dagegen Leistungen
nach dem SGB II unter Anrechnung des nicht von B zur Existenzsicherung
benötigten Kindergelds (sog Kindergeldüberhang). Mit gesondertem
Bescheid forderte der Beklagte den Kläger als Unterhaltsverpflichteten
auf, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nach § 60
Abs 2 SGB II zu erteilen.
Auf die hiergegen vom Kläger erhobene
Klage hat das SG die Bescheide des Beklagten aufgehoben, dessen Berufung
hat das LSG zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für einen
Auskunftsanspruch nach § 60 Abs 2 SGB II hätten nicht vorgelegen. B habe
zum Zeitpunkt des Erlasses des Auskunftsbescheides keine SGB
II-Leistungen bezogen. Eine erweiternde Auslegung und Anwendung der
Vorschrift des § 60 Abs 2 SGB II komme nicht in Betracht.
Mit
seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung
des § 60 Abs 2 SGB II. Die Vorschrift sei im Lichte des § 33 Abs 1 Satz
2 SGB II, der den Übergang von Ansprüchen beim sog Kindergeldüberhang
anordne, erweiternd auszulegen. Die Auskunftspflicht des
Unterhaltsverpflichteten sei danach trotz fehlenden Leistungsbezugs des
unterhaltsberechtigten Kindes anzunehmen, weil nur so festgestellt
werden könne, ob der Unterhaltsverpflichtete möglicherweise höheren
Unterhalt hätte leisten müssen. Dies würde dann den Kindergeldüberhang
vergrößern. Zudem habe der Leistungsantrag zumindest bis zum Ende des
Bewilligungsabschnitts fortgewirkt.
SG Dessau-Roßlau
- S 6 AS 2810/10 -
LSG Sachsen-Anhalt
- L 4 AS 798/12 -
B. Ohne
mündliche Verhandlung
6) - B 14 AS 46/15 R -
G. U. ./. Jobcenter Leipzig
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit
einer Aufforderung, die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente zu
beantragen.
Die im Januar 1951 geborene Klägerin bezieht seit
2005 Alg II vom beklagten Jobcenter, zuletzt monatlich in Höhe von
662,99 Euro unter Anrechnung eines Erwerbseinkommens von 136 Euro.
Nachdem dem Beklagten bekannt geworden war, dass die Klägerin von der
Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland (DRV) eine abschlagsfreie
Altersrente ab dem 1.2.2016 und eine Altersrente mit Abschlägen seit dem
1.2.2011 beziehen könne, forderte er sie zur Beantragung einer
vorzeitigen Altersrente ab Vollendung des 63. Lebensjahres unter
Fristsetzung auf.
Das SG hat die Klage im Wesentlichen
abgewiesen, das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Für
einen atypischen Fall im Sinne der Unbilligkeitsverordnung sei nichts
ersichtlich. Das bei der Aufforderung zur Antragstellung erforderliche
Ermessen habe der Beklagte jedenfalls im Widerspruchsverfahren
ordnungsgemäß ausgeübt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision
rügt die Klägerin eine Verletzung von § 12a iVm § 5 Abs 3 SGB II.
Insbesondere habe der Beklagte sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, indem
er nicht berücksichtigt habe, dass sie bei einer vorzeitigen Rente von
circa 610 Euro ergänzend Sozialleistungen in Anspruch nehmen müsse, was
bei einer Rente ohne Abschläge von circa 656 Euro zuzüglich Wohngeld und
einer weiteren Beschäftigung nicht der Fall wäre. Gegen eine
zwischenzeitlich aufgrund eines Antrags des Beklagten ergangene
Rentenbewilligung der DRV ab 1.2.2014 hat die Klägerin zunächst
Widerspruch und nach dessen Zurückweisung Klage erhoben.
SG
Leipzig
- S 17 AS 4284/13 -
Sächsisches LSG
- L 8 AS 780/14 -