Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 14. Senats vom 23.6.2016 - B 14 AS 30/15 R -
Medieninformation Nr. 12/16
Keine Vereinbarung von Bewerbungsbemühungen ohne Vereinbarung zur Bewerbungskostenübernahme!
Der 1977 geborene, alleinstehende Kläger schloss mit dem beklagten
Jobcenter in 2011 und 2012 Eingliederungsvereinbarungen. Nach diesen war
er verpflichtet, mindestens zehn Bewerbungsbemühungen pro Monat zu
unternehmen und diese an einem Stichtag dem Jobcenter nachzuweisen. Das
Jobcenter bot Unterstützungsleistungen zur Beschäftigungsaufnahme an;
eine Regelung zur Erstattung von Bewerbungskosten des Klägers durch das
Jobcenter enthielten die Eingliederungsvereinbarungen nicht. In den drei
hier maßgeblichen Monatszeiträumen erfüllte der Kläger nach Auffassung
des Jobcenters seine Verpflichtung zu den monatlichen Eigenbemühungen
nicht, weshalb das Jobcenter jeweils feststellte, dass wegen diesen
Pflichtverletzungen das Arbeitslosengeld II des Klägers für drei Monate
vollständig entfällt (Dezember 2011 bis Februar 2012, Juni bis August
2012, September bis November 2012). Das Sozialgericht hob die vom Kläger
angefochtenen Sanktionsentscheidungen auf, das Landessozialgericht wies
die Berufungen des Jobcenters zurück.
Der 14. Senat des
Bundessozialgerichts hat am 23. Juni 2016 die Revision des Jobcenters im
Verfahren B 14 AS 30/15 R zurückgewiesen. Die Sanktionsentscheidungen
sind schon deshalb rechtswidrig, weil der Kläger durch die
Eingliederungsvereinbarungen nicht zu Bewerbungsbemühungen verpflichtet
war. Die Eingliederungsvereinbarungen sind als öffentlich-rechtliche
Verträge jedenfalls deshalb insgesamt nichtig, weil sich das Jobcenter
vom Kläger unzulässige Gegenleistungen versprechen lassen hat. Denn die
sanktionsbewehrten Verpflichtungen des Klägers zu den in den
Vereinbarungen bestimmten Bewerbungsbemühungen sind unangemessen im
Verhältnis zu den vom Jobcenter übernommenen Leistungsverpflichtungen
zur Eingliederung in Arbeit. Diese sehen keine individuellen, konkreten
und verbindlichen Unterstützungsleistungen für die Bewerbungsbemühungen
des Klägers vor; insbesondere zur Übernahme von Bewerbungskosten
enthalten die Eingliederungsvereinbarungen keine Regelungen. Dass
gesetzliche Vorschriften die Erstattung von Bewerbungskosten
ermöglichen, führt nicht dazu, dass die Eingliederungsvereinbarungen ein
ausgewogenes Verhältnis der wechselseitigen Verpflichtungen von Kläger
und Jobcenter aufweisen. Damit fehlte es jeweils an Verpflichtungen des
Klägers zu Bewerbungsbemühungen und so bereits an den Grundlagen für die
angefochtenen Sanktionsentscheidungen.
Die Beteiligten haben in
den weiteren Verfahren (B 14 AS 26/15 R und B 14 AS 29/15 R)
Unterwerfungsvergleiche geschlossen.
Az.: B 14 AS 26/15 R
C. S. ./. Jobcenter Stadt Kassel
Az.: B 14 AS 29/15
R
C. S. ./. Jobcenter Stadt Kassel
Az.: B 14 AS 30/15
R
C. S. ./. Jobcenter Stadt Kassel
Hinweis zur Rechtslage
§ 15 Abs 1 SGB II (idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011,
BGBl I 850)
(1) 1Die Agentur für
Arbeit soll im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder
erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für ihre
Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren
(Eingliederungsvereinbarung). 2Die
Eingliederungsvereinbarung soll insbesondere bestimmen,
1.
welche Leistungen die oder der Erwerbsfähige zur Eingliederung
in Arbeit erhält,
2. welche Bemühungen erwerbsfähige
Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in
Arbeit mindestens unternehmen müssen und in welcher Form diese
Bemühungen nachzuweisen sind,
3. welche Leistungen Dritter,
insbesondere Träger anderer Sozialleistungen, erwerbsfähige
Leistungsberechtigte zu beantragen haben.
3Die
Eingliederungsvereinbarung soll für sechs Monate geschlossen
werden.
4Danach soll eine neue Eingliederungsvereinbarung
abgeschlossen werden.
5Bei jeder folgenden
Eingliederungsvereinbarung sind die bisher gewonnenen
Erfahrungen zu berücksichtigen.
6Kommt eine
Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die Regelungen
nach Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen.
§ 31 Abs 1
Satz 1 Nr 1, Satz 2 SGB II (idF der Neubekanntmachung vom
13.5.2011, BGBl I 850)
(1) 1Erwerbsfähige
Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz
schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren
Kenntnis
1. sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung
oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 1
Satz 6 festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in
ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen,
(…).
2Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige
Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten
darlegen und nachweisen.
§ 31a Abs 1 SGB II (idF der
Neubekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850)
(1) 1Bei
einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das
Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 30 Prozent des für
die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20
maßgebenden Regelbedarfs. 2Bei der
ersten wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das
Arbeitslosengeld II um 60 Prozent des für die erwerbsfähige
leistungsberechtigte Person nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs.
3Bei jeder weiteren wiederholten
Pflichtverletzung nach § 31 entfällt das Arbeitslosengeld II
vollständig. 4Eine wiederholte
Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine
Minderung festgestellt wurde. 5Sie liegt
nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen
Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt.
6Erklären sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte
nachträglich bereit, ihren Pflichten nachzukommen, kann der
zuständige Träger die Minderung der Leistungen nach Satz 3 ab
diesem Zeitpunkt auf 60 Prozent des für sie nach § 20
maßgebenden Regelbedarfs begrenzen.
§ 31b Abs 1 SGB II
(idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850)
(1)
1Der Auszahlungsanspruch mindert sich
mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des
Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang
der Minderung der Leistung feststellt. 2In
den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tritt die Minderung mit
Beginn der Sperrzeit oder mit dem Erlöschen des Anspruchs nach
dem Dritten Buch ein. 3Der
Minderungszeitraum beträgt drei Monate. 4Bei
erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben, kann der Träger die Minderung des
Auszahlungsanspruchs in Höhe der Bedarfe nach den §§ 20 und 21
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf sechs
Wochen verkürzen. 5Die Feststellung der
Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt
der Pflichtverletzung zulässig.