Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 8. Senats vom 30.6.2016 - B 8 SO 6/15 R -, Urteil des 8. Senats vom 30.6.2016 - B 8 SO 3/15 R -, Urteil des 8. Senats vom 30.6.2016 - B 8 SO 7/15 R -
Kassel, den 27. Juni 2016
Terminvorschau Nr. 29/16
Der 8. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am Donnerstag, den 30. Juni 2016, im Weißenstein-Saal aufgrund mündlicher Verhandlung über vier Revisionen aus dem Gebiet des Sozialhilferechts zu entscheiden.
1) 11.00 Uhr - B 8 SO 3/15 R -
1. M.P., 2. M.M. ./. Stadt Duisburg
Im Streit ist
die Zahlung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistung) nach dem Sozialgesetzbuch
Zwölftes Buch ‑ Sozialhilfe ‑ (SGB XII) für den Monat März 2012.
Die Kläger, 1922 und 1935 geboren, sind russische Staatsangehörige und
reisten im Jahre 2000 in das Bundesgebiet ein; sie sind im Besitz von
Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 Abs 2 Aufenthaltsgesetz (besonders
gelagerte politische Interessen). Beide beziehen russische
Altersarbeitsrenten und ‑ der Kläger zu 1 als Träger des Zeichens
"Teilnehmer am Großen vaterländischen Krieg", die Klägerin zu 2 als
Trägerin des Zeichens "Überlebende der Leningrader Blockade" ‑ einen
Erhöhungsbetrag hierzu, eine staatliche Invalidenrente sowie sog
DEMO-Leistungen. Die Beklagte hat den Klägern nach Erlass mehrerer
zeitlich aufeinander folgender Bescheide ua für den streitbefangenen
Monat Grundsicherungsleistungen nur unter Berücksichtigung dieser
russischen Leistungen gewährt.
Die Klage hatte beim
Sozialgericht (SG) Duisburg insoweit Erfolg, als die Beklagte verurteilt
worden ist, den Klägern höhere Grundsicherungsleistungen ohne
Berücksichtigung der Invalidenrenten, der Erhöhungsbeträge und der
DEMO-Leistungen zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG)
Nordrhein-Westfalen hat der Berufung der Beklagten gegen das SG-Urteil
nach Einholung eines Rechtsgutachtens zu den russischen Leistungen
jedoch stattgegeben und die Klage auf höhere Leistungen abgewiesen. § 82
Abs 1 Satz 1 SGB XII, wonach die Grundrente nach dem
Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine
entsprechende Anwendung dieses Gesetzes vorsähen, sowie der Renten oder
Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) für Schaden an
Leben, Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren
Grundrente nach dem BVG nicht unter den Einkommensbegriff fielen, sei
weder direkt noch analog auf die russischen Leistungen anzuwenden.
Hiergegen wenden sich die Kläger. Sie sind der Ansicht, die über die
Altersarbeitsrenten hinausgehenden russischen Leistungen seien den in
§ 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII genannten deutschen Leistungen vergleichbar
und müssten deshalb in gleicher Weise wie diese bei der Berechnung von
Grundsicherungsleistungen unberücksichtigt bleiben.
SG Duisburg
- S 2 SO 450/11 -
LSG Nordrhein-Westfalen
- L 20 SO 254/12 -
2) 11.45
Uhr - B 8 SO 7/15 R -
P.S. ./. Landschaftsverband Rheinland
beigeladen: D.W.-H. Köln S.F. und J.H. GbR
Im Streit ist die
Übernahme von Kosten für die Betreuung des Klägers durch Personen der
Beigeladenen in der Zeit vom 6.10.2010 bis 25.7.2011 durch den beklagten
überörtliche Sozialhilfeträger.
Der 1987 geborene, behinderte
Kläger steht seit Oktober 2007 unter rechtlicher Betreuung, die sich auf
alle Vermögensangelegenheiten erstreckt. Seit 1.5.2010 lebt er bei
seiner Mutter in Köln und wird dort aufgrund eines Betreuungsvertrags
mit der Beigeladenen vom 6.10.2010 ambulant betreut. Den Antrag des
Klägers auf Übernahme dieser Kosten hat der Beklagte mangels eines
entsprechenden Hilfebedarfs abgelehnt. Die Klage dagegen hatte erst- und
zweitinstanzlich insoweit Erfolg, als der Beklagte zur Übernahme der
Kosten für insgesamt 24,33 Fachleistungsstunden im Rahmen des
Betreuten-Wohnens verurteilt worden ist. Zur Begründung seiner
Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, die bestehende rechtliche
Betreuung führe nicht zum Nachrang der Leistungen der
Eingliederungshilfe für den seelisch behinderten Kläger; vielmehr
bestehe umgekehrt ein Vorrang der sozialen vor der rechtlichen
Betreuung.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner
Revision.
SG Köln
- S 27 SO 360/11 -
LSG Nordrhein-Westfalen
- L 20 SO 236/13 -
3) 12.30 Uhr
- B 8 SO 6/15 R - Landkreis
Ostprignitz-Ruppin ./. Stadt Potsdam
Im Streit ist
die Erstattung von Kosten von über 24 000 Euro für die Zeit vom 1.4.2009
bis 31.10.2010, die der Kläger für eine an "Alzheimer" erkrankte
behinderte Hilfeempfängerin erbracht hat, und die Feststellung, dass die
Beklagte zur Übernahme des Leistungsfalls verpflichtet sei.
Die
Hilfeempfängerin war im Februar 2005, nachdem sie zuvor im Stadtgebiet
der Beklagten gewohnt hatte, in das Kreisgebiet des Klägers gezogen.
Dort wurden und werden vom Kläger vorläufig Leistungen der Pflegehilfe
nach dem SGB XII erbracht, nachdem die Beklagte ihre Zuständigkeit für
die Leistungserbringung abgelehnt hatte.
Die neben der
Feststellung auf Übernahme des Leistungsfalls auf Kostenerstattung
gerichtete Klage hatte erst- und zweitinstanzlich Erfolg. Zur Begründung
seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger habe einen
Erstattungsanspruch gegen die Beklagte aus § 102 Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch ‑ Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz ‑
(SGB X) iVm § 43 Sozialgesetzbuch Erstes Buch ‑ Allgemeiner Teil ‑
(SGB I). Der Kläger habe aufgrund des Streits über die Zuständigkeit
ausdrücklich als erstangegangener Leistungsträger vorläufige Leistungen
erbracht. Zuständiger Leistungsträger sei indes gemäß § 98 Abs 5 Satz 1
SGB XII die Beklagte, weil sie für Sozialhilfeleistungen vor Beginn des
Betreuten-Wohnens zuletzt zuständig gewesen sei. Bei den erbrachten
Pflegeleistungen handele es sich im Hinblick auf die Konzeption des
ambulanten Dienstes, der die Pflege durchgeführt habe, um Leistungen in
Form ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten. Die Beklagte sei deshalb auch
zur Übernahme des Leistungsfalls verpflichtet und die entsprechende
Feststellungsklage begründet.
Hiergegen wendet sich die
Beklagte mit ihrer Revision mit der sie darauf verweist, dass es auf die
Konzeption des ambulanten Dienstes nicht ankomme, sondern auf die Art
der Leistung.
SG Neuruppin
- S 14 SO 158/10 -
LSG Berlin-Brandenburg
- L 23 SO 106/13 -
4) 13.30 Uhr
- B 8 SO 2/15 R - P.B. ./.
Landkreis Karlsruhe
Im Streit ist die Erstattung von Beiträgen
für eine private Krankenversicherung für die Zeit vom 10.9.2012 bis
30.6.2013 im Rahmen von Grundsicherungsleistungen.
Der 1994
geborene, behinderte Kläger wurde am 10.9.2012 in eine Werkstatt für
behinderte Menschen (WfbM) aufgenommen und durchlief dort bis 9.12.2012
das Eingangsverfahren sowie im Anschluss daran bis zum 30.6.2013 den
Berufsbildungsbereich. Er war bis zur Aufnahme in der WfbM privat
krankenversichert und wurde auf seinen Antrag von der gesetzlichen
Krankenversicherungspflicht, die durch die Aufnahme in die WfbM
entstanden war, befreit.
Nachdem der Beklagte die Beiträge zur
privaten Krankenversicherung (184,50 Euro) zuvor ‑ an den Kläger ‑
gezahlt hatte, änderte er die laufende Bewilligung von
Grundsicherungsleistungen mit Wirkung ab 10.9.2012 dahin ab, dass die
Zahlung dieser Beiträge nunmehr abgelehnt würden. Die Beiträge seien
bereits dem Grunde nach gemäß § 32 Abs 5 SGB XII unangemessen; der
Kläger habe durch die Ausübung seines Rechts auf Befreiung von der
gesetzlichen Krankenversicherung unnötigerweise die Sozialhilfe belastet
und sich ein über die gesetzliche Krankenversicherung hinausgehendes
Schutzniveau verschafft. Die Klage hatte erst- und zweitinstanzlich
Erfolg, weil dem Kläger, der lediglich von seinem im Sozialgesetzbuch
Fünftes Buch ‑ Gesetzliche Krankenversicherung ‑ (SGB V) vorgesehenen
Recht auf Befreiung Gebrauch gemacht habe, nicht der Vorwurf der
missbräuchlichen Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen gemacht
werden könne.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner
Revision.
SG Karlsruhe
- S 1 SO 736/13 -
LSG Baden-Württemberg
- L 2 SO 1027/14 -