Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 8. Senats vom 8.3.2017 - B 8 SO 20/15 R -, Urteil des 8. Senats vom 12.5.2017 - B 8 SO 14/16 R -, Urteil des 8. Senats vom 12.5.2017 - B 8 SO 23/15 R -, Urteil des 7. Senats vom 12.5.2017 - B 7 AY 1/16 R -, Urteil des 8. Senats vom 13.7.2017 - B 8 SO 21/15 R -
Kassel, den 12. Mai 2017
Terminbericht Nr. 18/17
(zur Terminvorschau Nr. 18/17)
Der 7./8. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung
am 12. Mai 2017.
1) Der Senat hat
die Revision des Klägers wegen höherer Leistungen für Januar 2013
zu-rückgewiesen, nachdem die Beteiligten im Termin wegen der übrigen
Zeiträume einen sog Überprüfungsvergleich geschlossen haben. Dem Kläger
standen nach § 1a Nr 2 AsylbLG aF ausschließlich Leistungen im Umfang
des unabweisbar Gebotenen, nämlich Unterkunft als Sachleistung sowie
Wertgutscheine ua zur Beschaffung von Lebensmitteln und Bekleidung, in
Höhe von wertmäßig 168,12 Euro zu. Anspruch auf weitere Leistungen "zur
Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens" (sog
soziokulturelles Existenzminimum) hatte er dagegen nicht. § 1a Nr 2
AsylbLG aF findet Anwendung, weil der Kläger die Vollziehung seiner
bestandskräftigen Abschiebung allein durch seine fehlende Mitwirkung bei
der Beschaffung eines Passes verhindert und damit nach rechtskräftigem
Abschluss des Asylverfahrens bewusst gegen seine ausländerrechtliche
Mitwirkungsverpflichtung verstoßen hat. Besondere persönliche
Lebensumstände, die weitere unabweisbare Bedarfe (etwa für Mobilität
oder Telekommunikation) begründen, hat das SG nicht festgestellt. In
dieser Situation darf nach der gesetzgeberischen Entscheidung das Niveau
der Grundsicherungsleistungen nach § 3 AsylbLG unterschritten werden.
Verfassungsrecht gebietet keine abweichende Auslegung von § 1a Nr 2
AsylbLG aF. Die Vorschrift verstößt insbesondere nicht gegen das aus Art
1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG folgende Grundrecht auf Gewährleistung eines
menschenwürdigen Existenzminimums. Der Gesetzgeber ist im Rahmen seines
Gestaltungsspielraums von Verfassungs wegen nicht gehindert, die
uneingeschränkte Gewährung existenzsichernder Leistungen nach dem
AsylbLG an die Einhaltung ausländerrechtlicher Pflichten zu knüpfen.
Diesen Gestaltungsspielraum füllt § 1a Nr 2 AsylbLG aF
verfassungsrechtlich zulässig aus; insbesondere wahrt die Vorschrift den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Durch sie werden Leistungsansprüche
nicht (typisierend) ‑ im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG -
"migrationspolitisch relativiert". Sie knüpft vielmehr die
Leistungseinschränkung an ein missbräuchliches Verhalten in der
Verantwortung des einzelnen Leistungsberechtigten, dessen Aufgabe dieser
- mit der Folge wieder uneingeschränkter Leistungsansprüche
jederzeit in der Hand hat. Zudem verlangt § 1a Nr 2 AsylbLG aF, den
jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen. Vor diesem
Hintergrund durfte die Leistungsminderung vorliegend auch über Jahre
hinweg erfolgen; denn der Kläger war sich seiner Möglichkeiten zur
Abkehr von der Leistungsminderung bewusst. Nach den Feststellungen des
SG war er regelmäßig und unter Hinweis auf zumutbare
Handlungsmöglichkeiten zur Mitwirkung aufgefordert und mehrfach der
kamerunischen Botschaft vorgeführt worden.
SG Cottbus
- S 21 AY 98/13 -
Bundessozialgericht
- B 7 AY 1/16 R -
2) Der Senat hat die
Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG
zurückverwiesen, weil insbesondere noch zu ermitteln ist, ob der
verstorbene W, für dessen unbekannte Rechtsnachfolger der Rechtsanwalt
den Prozess fortführt, seine geltend gemachten Ansprüche auf Hilfe zur
Pflege nach dem SGB XII an andere als den Fiskus vererbt hat. Zudem
fehlen Feststellungen dazu, ob W bedürftig war.
Höhere Ansprüche
auf Hilfe zur Pflege für das Jahr 2014 scheiden nicht bereits deshalb
aus, weil die beigeladene Pflegekasse dem W einen Wohngruppenzuschlag
nach § 38a SGB XI in Höhe von monatlich 200 Euro gewährt hat. Beim
Wohngruppenzuschlag handelt es sich nicht um nach dem SGB XII zu
berücksichtigendes Einkommen. Der Wohngruppenzuschlag geht den
Leistungen der Hilfe zur Pflege auch nicht als zweckentsprechende
Leistung im Sinne des § 66 Abs 4 Satz 1 SGB XII vor. Die Leistungen der
Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII, die auf Grundlage der bis zum
31.12.2016 geltenden Gesetzesfassung erbracht worden sind, erfassen
‑ auch soweit sie (nach altem Recht) über die Leistungen der
Pflegeversicherung hinaus gehen konnten ‑ lediglich die individuell
pflegerischen Bedarfe des Leistungsberechtigten. Soweit die
Vergütungsvereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII im Land Berlin eine
Pauschale für die in einer Wohngruppe zu erbringenden ambulanten
Leistungen vorsieht, sind auch diese ‑ den bundesgesetzlichen Vorgaben
entsprechend ‑ als individuell pflegerische Leistungen vereinbart
worden. Der Wohngruppenzuschlag dient dagegen nicht unmittelbar der
individuellen pflegerischen Versorgung, sondern soll dem zusätzlichen
(vor allem organisatorischen und verwaltenden) Aufwand in einer
Wohngruppe Rechnung tragen. Dem Leistungsberechtigten kann schließlich
nicht entgegengehalten werden, dass ggf von den ambulanten
Pflegediensten in Berlin schon seit 2005 tatsächlich Leistungen erbracht
worden sind, die dem zusätzlichen organisatorischen und verwaltenden
Aufwand in Wohngruppen demenzkranker Bewohner geschuldet waren.
SG Berlin
- S 212 SO 1049/14 -
LSG Berlin-Brandenburg
- L 23 SO 287/15 -
Bundessozialgericht
- B 8 SO 14/16 R -
3) Der Senat hat die
Revision zurückgewiesen. Die als Sonderrechtsnachfolgerin nach der
verstorbenen Hilfeempfängerin klagende Einrichtung hat keinen Anspruch
auf Rücknahme des Bescheids über die Bewilligung von Heimpflegekosten
und Zahlung weiterer 942,57 Euro im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens.
Der Widerspruchsbescheid ist schon deshalb nicht formell rechtswidrig,
weil es mangels besonderer Schutzbedürftigkeit der Einrichtung vor
seinem Erlass nicht der beratenden Beteiligung sozial erfahrener Dritter
bedurfte. Auch in der Sache steht der Klägerin ein Anspruch auf höhere
Leistungen nicht zu. Weder der Umstand, dass die Rentenzahlungen auf ein
bereits im Soll stehendes Girokonto der Verstorbenen geflossen sind,
noch, dass deren bevollmächtigter Enkel das Geld nicht zur Deckung der
Heimpflegekosten, sondern für andere Zwecke verwendet hat, begründet
einen weiteren Zahlungsanspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger. Die
Verstorbene und damit auch die klagende Einrichtung müssen sich das
Verhalten des Enkels zurechnen lassen. Ein Anspruch auf weiteren
notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen wegen der zusätzlichen
Kosten für die ursprünglich bewohnte Mietwohnung auch nach dem Umzug in
die Einrichtung (sog Überschneidungskosten) bestand schon deshalb nicht,
weil der Enkel die Wohnung nicht gekündigt hatte, sondern weiterhin
allein bewohnte.
SG Köln
- S 21 SO 378/11 -
LSG Nordrhein-Westfalen
- L 20 SO 103/13 -
Bundessozialgericht
- B 8 SO 23/15 R -
4) Der Senat hat den
Termin zur mündlichen Verhandlung auf Antrag des Beklagten aufgehoben.
Zuvor waren die Beteiligten auf die Entscheidung des Senats vom 8.3.2017
(B 8 SO 20/15 R) hingewiesen worden.
LSG Niedersachsen-Bremen
- L 8 SO 229/11 KL -
Bundessozialgericht
- B 8 SO 21/15 R -