Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 4. Senats vom 25.4.2018 - B 4 AS 29/17 R -, Urteil des 14. Senats vom 25.4.2018 - B 14 AS 21/17 R -, Urteil des 14. Senats vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R -, Urteil des 14. Senats vom 14.2.2018 - B 14 AS 17/17 R -, Urteil des 4. Senats vom 25.4.2018 - B 4 AS 19/17 R -, Urteil des 14. Senats vom 25.4.2018 - B 14 AS 15/17 R -, Urteil des 14. Senats vom 25.4.2018 - B 14 AS 14/17 R -
Kassel, den 25. April 2018
Terminbericht Nr. 17/18
(zur Terminvorschau Nr. 17/18)
Der 4./14. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 25. April 2018.
1) Auf die Revision des Klägers ist das
Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen gewesen. Denn das BSG hat
aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend
entscheiden können, ob der Kläger Anspruch auf einen höheren Regelbedarf
und die Übernahme seiner Bedarfe für Unterkunft und Heizung hat.
Grundsätzlich haben alleinstehende Personen wie der Kläger Anspruch auf
einen Regelbedarf nach der heutigen Regelbedarfsstufe 1 (§ 20 Abs 2 Satz
1 SGB II). Abweichend hiervon haben Anspruch nur auf einen Regelbedarf
als sonstiger erwerbsfähiger, volljähriger Angehöriger einer
Bedarfsgemeinschaft (§ 20 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB II – heutige
Regelbedarfsstufe 3) Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers
nach § 22 Abs 5 SGB II umziehen.
Bedarfe für Unterkunft und
Heizung werden bei leistungsberechtigten Personen grundsätzlich in Höhe
der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind
(§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Leben mehrere Personen in einer Wohnung,
erfolgt ohne Rücksicht auf die mietvertraglichen Verpflichtungen eine
Aufteilung der Aufwendungen nach Kopfteilen (vgl BSG vom 14.2.2018 - B
14 AS 17/17 R). Bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben und umziehen, werden diese Bedarfe nach § 22 Abs 5 SGB
II aber nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des
Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat.
Ob der Kläger
vorliegend jedoch überhaupt einen Vertrag über die Unterkunft – den § 22
Abs 5 SGB II ausdrücklich vorsieht – abgeschlossen hat, ist den
Feststellungen des LSG nicht klar zu entnehmen. Nur wenn ein solcher vor
dem Umzug abgeschlossen wurde, gibt es einen Ansatz für das Erfordernis
der Zusicherung des kommunalen Trägers und damit für das Eingreifen der
leistungsbegrenzenden Ausnahmeregelungen für den Kläger als
Unter-25-Jährigen nach einem Umzug. Dies wird das LSG zu klären haben.
Sozialgericht Gelsenkirchen - S 40 AS 2392/13
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 7 AS 162/15
Bundessozialgericht - B 14 AS 21/17 R
2)
Die Revision des Klägers ist zurückzuweisen gewesen. Der Rücknahme- und
Erstattungsbescheid des beklagten Jobcenters ist rechtmäßig, auch wenn
der zu erstattende Betrag von circa 31 000 Euro das Gesamtvermögen des
Klägers übersteigt.
Der Rücknahmeverwaltungsakt ist nicht zu
beanstanden, weil der Kläger sich nicht auf Vertrauensschutz nach § 45
Abs 2 Satz 3 Nr 2, 3 SGB X berufen kann, da er ein Sparbuch über circa
10 000 Euro gegenüber dem Beklagten verschwiegen hatte. Dadurch hatte er
während der gesamten Zeit ein Vermögen oberhalb seines Freibetrags und
war nicht hilfebedürftig nach dem SGB II. In solchen Fällen ist das
Jobcenter ‑ ohne dass ihm Ermessen eingeräumt wäre ‑ gezwungen, die
ursprünglichen Bewilligungen nach § 40 Abs 2 SGB II iVm § 330 Abs 2
SGB III zurückzunehmen. Durchgreifende normative Ansatzpunkte für die
Berücksichtigung eines fiktiven Vermögensverbrauchs oder einer
besonderen Härte (zB nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 Alt 2 SGB II) sind
nicht zu erkennen.
Für den Erstattungsverwaltungsakt nach § 50
Abs 1 SGB X gilt im Ergebnis nichts Anderes. Überlegungen für eine
Reduzierung der Erstattungsforderung aus Härtegründen (vgl zB § 12 Abs 3
Satz 1 Nr 6 Alt 2, § 34 Abs 1 Satz 6 SGB II) greifen nicht durch, zumal
der Gesetzgeber für bestimmte Konstellationen eine solche Regelung in §
40 Abs 9 SGB II aF getroffen hatte, die gerade die Fälle des § 45 Abs 2
Satz 3 SGB X ausschloss.
Auch aus dem Sinn und Zweck des SGB II
und aus Verfassungsrecht folgen keine Gründe zu einer Korrektur des
Rücknahme- und Erstattungsbescheids im Hinblick auf die sich ggf
ergebende Überschuldung. Um dieser Situation Rechnung zu tragen, hat der
Gesetzgeber vielmehr in § 44 SGB II die Leistungsträger ermächtigt,
Ansprüche (ggf teilweise) zu erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage
des einzelnen Falles unbillig wäre, worüber der Beklagte vorliegend noch
zu entscheiden hat.
Sozialgericht Düsseldorf - S 18 AS 1257/14
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 7 AS 395/16
Bundessozialgericht - B 4 AS 29/17 R
3)
Auf die Revision des beklagten Jobcenters ist das Urteil des LSG zu
ändern, das des SG aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen
gewesen. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid des beklagten Jobcenters
ist rechtmäßig, auch wenn der zu erstattende Betrag von circa 18 000
Euro das Gesamtvermögen des Klägers übersteigt.
Hinsichtlich der
weiteren Begründung wird auf die Ausführungen in der Sache B 4 AS 29/17
R verwiesen.
Sozialgericht für das Saarland - S 26 AS 776/12
Landessozialgericht für das Saarland - L 9 AS 8/15
Bundessozialgericht - B 14 AS 15/17 R
4)
Auf die Revision des beklagten Jobcenters ist das Urteil des LSG
aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an
das LSG zurückzuverweisen gewesen. Auch wenn der Auffassung des LSG,
dass für eine über eine längere Zeit andauernde Maßnahme bei einer
Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) Leistungen der Lernförderung nach § 28
Abs 5 SGB II zu gewähren sein können, grundsätzlich zuzustimmen ist,
reichen die von ihm getroffenen Feststellungen zu einer abschließenden
Entscheidung nicht aus.
Dass Lernförderung nach § 28 Abs 5 SGB
II ohne Rücksicht auf Kompetenzfragen mehr als nur Nachhilfe und nicht
nur kurzzeitige Maßnahmen umfasst, folgt aus der Auslegung dieser
Vorschrift im Lichte des Urteils des BVerfG vom 9.2.2010 (- 1 BvL 1/09,
1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175), in dessen Umsetzung sie
geschaffen wurde.
Hinsichtlich der Bewertung des LSG, dass das
nach schulrechtlichen Bestimmungen zu erreichende wesentliche Lernziel
nicht die Versetzung ist, sondern die Kulturtechniken Lesen und
Schreiben sind, ist ihm zuzustimmen. Zur näheren Beurteilung der LRS des
Klägers, seiner Ansprüche und der Geeignetheit des besuchten Unterrichts
ist vom aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand auszugehen (vgl
AWMF-Leitlinie "Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen
mit Lese- und / oder Rechtschreibstörung"). Dies aufzuklären wird das
LSG nachzuholen haben. Zur Konkretisierung möglicher Leistungen der
Lernförderung nach § 28 Abs 5 SGB II bei LRS sind auch die ggf in
Betracht kommenden Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB
VIII und nach §§ 53 ff SGB XII in den Blick zu nehmen.
Sozialgericht Lübeck - S 40 AS 785/12
Schleswig-Holsteinisches
Landessozialgericht - L 3 AS 195/13
Bundessozialgericht - B 4 AS
19/17 R
5) Der Termin ist vor der
Sitzung aufgehoben worden.
Sozialgericht Itzehoe - S 24 AS
246/12
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 3 AS 220/13
Bundessozialgericht - B 14 AS 1/17 R
6)
Auf die Revision der Klägerin sind die Urteile des LSG und des SG
aufzuheben und der Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 23. Mai
2012 zu verurteilen gewesen, der Klägerin für Juni 2012, der nach einem
Teilvergleich allein strittig geblieben ist, Leistungen für die
Unterkunft und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen von
252,50 Euro zu zahlen.
Als Leistungen für die Unterkunft und
Heizung sind Alg II-Empfängern die entsprechenden tatsächlichen
Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1
Satz 1 SGB II). Bei mehreren Personen, die eine Wohnung gemeinsam
bewohnen, hat grundsätzlich eine Aufteilung der gesamten Aufwendungen
nach Kopfteilen zu erfolgen (vgl BSG vom 14.2.2018 - B 14 AS 17/17 R).
Dies sind vorliegend pro Person 215 Euro für die Unterkunft und 37,50
Euro für die Heizung.
Bei der Prüfung der Angemessenheit der
Aufwendungen ist im Rahmen der Produkttheorie hinsichtlich der
angemessenen Wohnungsgröße von den Werten des sozialen Wohnungsbaus
auszugehen. In diesem Rahmen richtet sich die angemessene Wohnungsgröße
nicht nach der Zahl der Bewohner, sondern allein nach der Zahl der
Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, auch wenn alle Bewohner einer
Familie angehören (BSG vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R – SozR 4-4200 §
22 Nr 34).
Durchschlagende rechtliche Gründe für eine Ausnahme
bei einer Alleinerziehenden, die mit ihrem minderjährigen Kind
zusammenlebt, das seinen Bedarf mit eigenem Einkommen decken kann, also
mit ihr keine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II bildet,
liegen nicht vor. Die vom LSG angeführten Überlegungen (jederzeitige
Änderung in den Einkommensverhältnissen, Abstellen auf die
Wohnverhältnisse) gelten auch für andere Konstellationen und erfordern
keine Korrektur der auf die Bedarfsgemeinschaft Bezug nehmenden
Rechtsprechung.
Sozialgericht Stade - S 32 AS 272/16 WA
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 13 AS 224/16
Bundessozialgericht - B 14 AS 14/17 R