Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 2. Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 8/12 R -, Urteil des 2. Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R -
Medieninformation Nr. 9/13
Von Bäckereien und
Konditoreien dürfen in der gesetzlichen Unfallversicherung gleiche
Beiträge gefordert werden
Die Klägerinnen sind zwei Unternehmen des
Konditoreigewerbes. Eine Klägerin stellt Konditoreiwaren in
industrieller Fertigung, die andere als handwerklich geprägter Betrieb
her. Beide Unternehmen wurden von der beklagten Berufsgenossenschaft für
Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) für das Jahr 2005 nach dem neuen
Gefahrtarif zu der Gefahrtarifstelle 1 mit Gefahrklasse 6,0 veranlagt.
In dem Gefahrtarif wurden die Gewerbezweige "Herstellung von Back- und
Konditoreiwaren" erstmals zusammengefasst, was bei den "Nur-Konditoren"
zu einer erheblichen Beitragssteigerung führte. Hiergegen wandten sich
die Klägerinnen und machten geltend, der Gefahrtarif sei rechtswidrig,
weil beide Gewerbezweige zu derselben Tarifstelle veranlagt werden.
Diese seien weiterhin getrennt zu veranlagen, weil die Risiken
signifikant voneinander abwichen.
In der
Revisionsinstanz hat der 2. Senat des Bundessozialgerichts am 11. April
2013 den Gefahrtarif 2005 der Beklagten gebilligt (Az: B 2 U 4/12 R, B 2
U 8/12 R).
Die
Unfallversicherungsträger setzen die Gefahrklassen durch ihre
Vertreterversammlungen als autonomes Recht in einem Gefahrtarif fest
(§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 SGB IV).Bei der Bildung von
Gefahrklassen steht der Vertreterversammlung als Satzungsgeber ein
selbständig auszufüllender Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu.
Die hier mittelbar angegriffene Regelung im Gefahrtarif 2005 hält sich
noch im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums. Sie entspricht den Vorgaben
der gesetzlichen Ermächtigungsnormen (§§ 157, 158 SGB VII, 33, 34
SGB IV). Werden in einer Tarifstelle verschiedene Gewerbezweige
zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige
statistisch nicht signifikant von der durchschnittlichen
Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Das ist hier (noch) nicht
der Fall. Für den Gefahrtarif 2005 wäre bei getrennter Veranlagung für
die Herstellung von Konditoreiwaren die Gefahrklasse 4,0 vorzusehen
gewesen. Die Abweichung der Gefährdungsrisiken der Konditoreien zu der
festgesetzten Gefahrklasse erreiche zwar ein Ausmaß von ca. einem
Drittel. Damit hält sich der Normgeber unter Berücksichtigung eines
versicherungsmäßigen Ausgleichs aber gerade noch im Rahmen seines
Regelungsspielraums.
Auch die
Grundrechte der Klägerinnen sind nicht verletzt. Der Schutz der
allgemeinen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) schließt
eine Zusammenführung von Tarifstellen oder die Überführung von sich
wandelnden Gewerbezweigen in andere Tarifstellen grundsätzlich nicht
aus. Auch war bei der Prüfung, ob den Klägerinnen Vertrauensschutz gemäß
Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG zustand, zu berücksichtigen, dass der
Gefahrtarif jeweils nach Ablauf seiner Geltungsdauer zwingend neu
festzulegen ist und das Gesetz selbst eine maximale Geltungsdauer eines
Gefahrtarifs von 6 Jahren vorsieht. Die Regelungen des Gefahrtarifs
halten sich auch in den durch Art 3 Abs 1 GG gesetzten Grenzen einer
zulässigen Typisierung.
Az.:
B 2 U 4/12 R Konditorei H. ./.
BGN
B 2 U 8/12 R Conditorei C.& W. ./.
BGN