Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 4. Senats vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R -, Urteil des 14. Senats vom 12.11.2015 - B 14 AS 34/14 R -, Urteil des 4. Senats vom 2.7.2013 - B 4 AS 72/12 R -, Urteil des 14. Senats vom 12.11.2015 - B 14 AS 50/14 R -, Urteil des 4. Senats vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R -, Urteil des 4. Senats vom 2.7.2013 - B 4 AS 74/12 R -, Urteil des 14. Senats vom 12.11.2015 - B 14 AS 23/14 R -, Urteil des 14. Senats vom 12.11.2015 - B 14 AS 6/15 R -
Kassel, den 12. November 2015
Terminbericht Nr. 48/15
(zur Terminvorschau Nr. 48/15)
Der 14. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 12. November 2015.
1) Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des LSG ist zurückzuweisen gewesen.
Er hat keinen Anspruch auf Alg II, weil er sich ab dem 5.1.2010 in einer
Fachklinik zu einer stationären Langzeittherapie und damit in einer
stationären Einrichtung nach § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II aufhielt. Die
Voraussetzungen der Rückausnahme nach § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II wegen
eines Aufenthalts für voraussichtlich weniger als sechs Monate liegen
nicht vor. Diese Rückausnahme will nach dem Sinn und Zweck der Regelung
(vgl BT-Drucks 16/1410 S 20) einen Wechsel aus dem Leistungssystem des
SGB II in das des SGB XII bei einem nur absehbar kurzen
Krankenhausaufenthalt vermeiden. Sie greift daher dann nicht ein, wenn
im Prognosezeitpunkt zu Beginn einer Krankenhausunterbringung zwar
absehbar ist, dass diese weniger als sechs Monate dauert, die
betreffende Person aber schon unmittelbar zuvor in einer anderen
stationären Einrichtung war und dort keine Leistungen nach dem SGB II,
sondern dem SGB XII erhalten hat. Nur so wird, wie vom Gesetz
beabsichtigt, ein ggf kurzfristiger Wechsel zwischen SGB II und SGB XII
vermieden.
Dass der
Kläger zuvor während seines an die Entgiftungsbehandlung vom 29.4. bis
zum 2.6.2009 anschließenden Aufenthalts in der stationären
Übergangseinrichtung bis zu seiner Aufnahme in die Fachklinik am
5.1.2010 Leistungen nach dem SGB XII und nicht nach dem SGB II bezogen
hatte, ergibt sich aus den Feststellungen des LSG.
SG Kassel - S 1 AS 239/10 -
Hessisches LSG - L 6 AS 361/12 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 6/15 R -
2) Die Revision
der beklagten Bundesrepublik ist im Wesentlichen erfolgreich gewesen.
Der klagende zugelassene kommunale Träger hat zu Recht die von ihm im
sog HKR-Verfahren bei der Beklagten abgerufenen Mittel, soweit diese von
seiner Mitarbeiterin M für Scheinfirmen, hinter denen sie oder ihr
Ehemann standen, und für Barauszahlungen, die sie sich aneignete,
verwandt worden waren, an die Beklagte zurückgezahlt. Demgemäß hat er
insofern keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte.
Bei der geschilderten Mittelverwendung der M handelte es sich nicht um
Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der
Verwaltungskosten, die der Bund nach § 6b Abs 2 SGB II zu tragen hat.
Aufwendungen in diesem Sinne setzen voraus, dass sich die
Mittelverwendung im Rahmen der dem SGB II zugrunde liegenden Ziele,
Zwecke und Prinzipien bewegt, was nicht bereits bei jeglicher
fahrlässigen Falschanwendung des Gesetzes, aber bei grob fahrlässigem
oder gar vorsätzlichem Fehlverhalten zu verneinen ist (BSG Urteile vom
2.7.2013 ‑ B 4 AS 72/12 R ‑ BSGE 114, 55 = SozR 4-4200 § 6b Nr 1 sowie
‑ B 4 AS 74/12 R ‑ SozR 4-4200 § 6b Nr 2). Ein solches vorsätzliches
Fehlverhalten der Mitarbeiterin M des Klägers ist vorliegend jedoch zu
bejahen.
Einen
Erstattungsanspruch hat der Kläger jedoch in Höhe der von der Beklagten
verlangten und von ihm gezahlten Zinsen, weil für dieses Begehren der
Beklagten keine Rechtsgrundlage bestand.
Hessisches LSG - L 6 AS 234/12 KL -
Bundessozialgericht - B 14 AS 50/14 R -
3) Das Urteil
des LSG ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung zurückzuverweisen gewesen.
Soweit das LSG einen Anspruch des Klägers auf höheres Alg II wegen eines
Mehrbedarfs für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte nach § 21
Abs 4 SGB II verneint hat, weil die Arbeitsgelegenheit schon deswegen
keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX gewesen
sei, da das beklagte Jobcenter kein Reha-Träger iSd § 6 SGB IX sei, kann
dem nicht gefolgt werden. Denn Leistungsträger hinsichtlich der dem
Kläger vom Beklagten im September 2010 bewilligten Arbeitsgelegenheit
nach § 16d SGB II war nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II, § 6a SGB IX die
Bundesagentur für Arbeit, die ein Träger für Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben ist (§ 6 Abs 1 Nr 2, § 5 Nr 2 SGB IX), die
Rechtsvorgängerin des Beklagten hatte nur die Wahrnehmungszuständigkeit
Ob die
Arbeitsgelegenheit für den Kläger eine Leistung zur Teilhabe am
Arbeitsleben nach § 33 SGB IX oder eine sonstige Hilfe zur Erlangung
eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben war, kann vom Senat aufgrund
fehlender Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden, so dass die
Sache zurückzuverweisen ist.
Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe behinderter
Menschen am Arbeitsleben ist nach dem SGB II ebenso wie nach dem SGB
III, auf das § 16 Abs 1 Satz 3 SGB II insofern verweist, dass die
Aussichten der behinderten Menschen, am Arbeitsleben teilzuhaben,
wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung iSd § 2 Abs 1 SGB IX nicht nur
vorübergehend wesentlich gemindert sind und sie deshalb Hilfen zur
Teilhabe am Arbeitsleben benötigen (§ 19 Abs 1 SGB III). Welche
Behinderungen beim Kläger bestehen und welche Auswirkungen diese auf
seine Aussichten, am Arbeitsleben teilzuhaben, nach sich ziehen, hat das
LSG nicht festgestellt.
Liegt diese Voraussetzung für die Gewährung von Teilhabeleistungen vor,
ist es nicht erforderlich, dass diese eine spezielle Maßnahme für
behinderte Menschen ist (vgl § 98 SGB III in der damals geltenden
Fassung = § 113 SGB III in der heute geltenden Fassung).
SG für das Saarland - S 26 AS 376/11 -
LSG für
das Saarland - L 9 AS 42/12 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 34/14 R -
4) Die Revision
des Klägers gegen das Urteil des LSG ist zurückzuweisen gewesen. Er hat
keinen Anspruch auf höheres Alg II wegen der Berücksichtigung eines
Anspruchs auf Alleinerziehendenmehrbedarf nach § 21 Abs 3 SGB II. Mit
dem Mehrbedarf wegen Alleinerziehung wird eine besondere
Familienkonstellation verbunden, die an die Hauptverantwortung für ein
Kind anknüpft.
Diese
besondere Situation einer Alleinerziehung kann nach der Rechtsprechung
des BSG auch dann vorliegen, wenn sich getrennt lebende Eltern bei der
Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine
Woche umfassenden Intervallen gleichmäßig abwechseln und die Kosten
annähernd hälftig teilen (sog "Wechselmodell"; BSG Urteil vom 3.3.2009
‑ B 4 AS 50/07 R). Eine solche Gestaltung lag hier jedoch nach den
bindenden Feststellungen des LSG in der strittigen Zeit nicht vor.
Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf andere
Betreuungskonstellationen, bei denen ‑ nach den tatsächlichen
Verhältnissen ‑ abweichende Anteile der Betreuungsleistungen der Eltern
praktiziert werden, scheidet aus, weil dies letztlich zur einer
Aufhebung der spezifischen Situation Alleinerziehung führen würde
(vgl BSG Urteil vom 11.2.2015 ‑ B 4 AS 26/14 R). Daran vermag auch der
Umstand nichts zu ändern, dass die Tochter vorliegend zumindest einmal
durchgehend für mehr als einen Monat bei dem Kläger lebte, weil dies
nicht zu der Dauersituation führte, wie sie dem "Wechselmodell" zugrunde
liegt.
Die Klägerin
zu 2 hatte ihre Revision vor dem Termin zurückgenommen.
SG Lübeck - S 25 AS 904/08 -
Schleswig-Holsteinisches LSG - L 3 AS 114/11 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 23/14 R -