Siehe auch: Urteil des 4. Senats vom 2.7.2013 - B 4 AS 72/12 R -, Urteil des 4. Senats vom 2.7.2013 - B 4 AS 74/12 R -
Kassel, den 2. Juli 2013
Terminbericht Nr. 31/13
(zur Terminvorschau Nr. 31/13)
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts
berichtet über seine Sitzung vom 2. Juli 2013:
1) Die Revision der Beklagten hat keinen
Erfolg. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch
auf Rückerstattung des streitigen Betrages iHv 164 554 Euro gegen die
Beklagte zusteht. Der aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch resultierende Rückerstattungsanspruch des Klägers
ist zu bejahen, weil der Beklagten ihrerseits kein
öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch betreffend die im Jahr 2006
vom Kläger verauslagten Mittel für Eingliederungsleistungen zustand. Ein
solcher wird im konkreten Fall zwar nicht durch Art 104a Abs 5 GG oder
eine speziellere Anspruchsgrundlage, etwa Art 106 Abs 8 GG, § 5 Abs 2
der zwischen den Beteiligten geschlossenen Verwaltungsvereinbarung oder
§§ 102 ff SGB X verdrängt. Die Klägerin hat die hier streitigen Mittel
aber teilweise mit Rechtsgrund erlangt. Auch im Übrigen scheidet eine
Rückzahlung der vom Kläger im sog. Haushalts-, Kassen- und
Rechnungswesen-Verfahren (HKR-Verfahren) abgebuchten Mittel aus.
Ersatzansprüche im Verhältnis von Bund und Kommunen sind durch eine
entsprechende Heranziehung der sog. Haftungskernrechtsprechung zu
Art 104a Abs 5 GG begrenzt. Danach greift der öffentlich-rechtliche
Erstattungsanspruch nicht bereits bei jeglicher fahrlässiger
Falschanwendung des Gesetzes, sondern lediglich bei vorsätzlichem oder
grob fahrlässigem Fehlverhalten. Ohne eine entsprechende Heranziehung
dieser Grundsätze hafteten die Kommunen dem Bund in stärkerem Umfang,
als dies im Verhältnis von Bund und Ländern der Fall wäre. Insoweit ist
eine erstattungs- und haftungsrechtliche Gleichstellung geboten. Aus dem
Begriff "erforderlicher Ausgleich" in Art 106 Abs 8 GG kann nichts
Abweichendes hergeleitet werden.
Als Rechtsgrundlage für die Gewährung der streitigen
Eingliederungsleistungen kam jeweils die Öffnungsklausel in § 16 Abs 2
Satz 1 SGB II aF in Betracht. Diese Regelung stellte eine
Rechtsgrundlage für Leistungen zu alternative Modelle zur Eingliederung
dar, soweit insbesondere die in §§ 2, 3 SGB II niedergelegten Grundsätze
und das auch ohne ausdrückliche Regelung zu prüfende Aufstockungsgebot
Beachtung fanden. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben bewegte sich
die Eingliederungsmaßnahme "Ausbildungskostenzuschuss" noch im Rahmen
der für das SGB II geltenden Prinzipien, da § 16 Abs 1 SGB II aF durch
den Verweis auf eine Förderung nach § 235a SGB II aF ebenfalls
Ausbildungsförderungsleistungen, indes für einen anderen Personenkreis,
vorsah. Hingegen waren die Gewährung sog Selbstvermittlungsprämien auf
der Grundlage der Öffnungsklausel ausgeschlossen. Eine derartige
Förderung widerspricht den Grundsätzen und Zielen des SGB II, weil durch
die Selbstvermittlungsprämie ein Anreiz gesetzt wird, den ohnehin nach
§ 2 Abs 2 Satz 2 SGB II bestehenden Obliegenheiten zur Sicherung des
Lebensunterhalts nachzukommen. Gleichwohl greift ein
öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Beklagten für den
streitgegenständlichen Zeitraum nicht durch, weil sich das Verhalten des
Klägers nicht als zumindest grob fahrlässig darstellte. Insoweit ist zu
berücksichtigen, dass Instanzgerichte zuvor Selbstvermittlungsprämien
auf Grundlage der Regelungen des SGB II und des SGB III zugesprochen
hatten. Hinzu kommt, dass eine entsprechende Leistung in der
Arbeitshilfe SWL sogar ausdrücklich für möglich gehalten worden ist.
SG Detmold
- S 10 AS 106/08 -
LSG
Nordrhein-Westfalen
- L 7 AS 83/09 -
Bundessozialgericht
- B 4 AS 72/12 R -
2) Die Revision
der Beklagten ist zwar zulässig, aber unbegründet. In der Sache steht
dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung des Betrages in Höhe von
1 265 186,86 Euro betreffend den Zeitraum 2005 bis Mai 2007 zu. Dem
Beklagten seinerseits steht kein öffentlich-rechtlicher
Erstattungsanspruch auf Rückgewähr der vom Kläger im sogenannten
Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen-Verfahren (HKR-Verfahren)
gewährten Leistungen zu. Ein solcher wird im konkreten Fall zwar nicht
durch Art 104a Abs 5 GG oder eine speziellere Anspruchsgrundlage, etwa
Art 106 Abs 8 GG, § 5 Abs 2 der zwischen den Beteiligten geschlossenen
Verwaltungsvereinbarung oder die §§ 102 ff SGB X verdrängt. Eine
Verpflichtung zur Rückzahlung der vom Kläger im HKR-Verfahren
abgebuchten Mittel scheidet indes aus. Ersatzansprüche im Verhältnis von
Bund und Kommunen sind durch eine entsprechende Heranziehung der zu
Art 104a Abs 5 GG entwickelten sogenannten Haftungskernrechtsprechung
begrenzt. Dem folgend greift der öffentlich-rechtliche
Erstattungsanspruch nicht bereits bei jeglicher fahrlässiger
Falschanwendung des Gesetzes, sondern lediglich bei vorsätzlichem oder
grob fahrlässigem Fehlverhalten. Ohne eine entsprechende Heranziehung
dieser Grundsätze hafteten die Kommunen dem Bund in stärkerem Umfang,
als dies im Verhältnis von Bund und Ländern der Fall wäre. Insoweit ist
eine erstattungs- und haftungsrechtliche Gleichstellung geboten. Aus dem
Begriff "erforderlicher Ausgleich" in Art 106 Abs 8 GG kann nichts
Abweichendes hergeleitet werden.
Ausgehend hiervon stellt sich das Verhalten des Klägers nicht als
vorsätzlich oder wenigstens grob fahrlässig dar. Zwar geht das BSG in
ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das Einkommen von Mitgliedern
einer Mehrpersonenbedarfsgemeinschaft nicht nach der vertikalen
Anrechnungsmethode, sondern nach der horizontalen
Einkommensanrechnungsmethode auf alle Mitglieder einer
Bedarfsgemeinschaft zu verteilen ist. Diese Auslegung entspricht dem
Wortlaut des § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II sowie den Intentionen des
Gesetzgebers. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Jedoch ist
ein vorsätzliches oder zumindest grob fahrlässiges Handeln nicht
anzunehmen, wenn eine zuvor umstrittene Rechtsfrage erst durch die
Rechtsprechung des BSG geklärt werden musste. Der Senat geht mit Blick
auf den streitigen Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.5.2007 davon aus, dass
die Gesetzmäßigkeit der horizontalen Einkommensanrechnungsmethode erst
durch das Leitsatzurteil vom 18.6.2008 (B 14 AS 55/07 R) in der Weise
geklärt war, dass bei nachfolgender Anwendung der vertikalen
Anrechnungsmethode von grober Fahrlässigkeit auszugehen war. Zwar wurde
die Frage der zutreffenden Anrechnungsmethode bereits in zwei früheren
Entscheidungen angedeutet, jedoch erfolgte dies nicht tragend bzw
beiläufig ohne die Begrifflichkeiten anzusprechen.
SG Detmold
- S 23 AS 22/07 -
LSG
Nordrhein-Westfalen
- L 6 AS 16/09 -
Bundessozialgericht
- B 4 AS 74/12 R -
3) Der Kläger
hat die Klage zurückgenommen. Der Termin wurde daraufhin aufgehoben.
SG Braunschweig
- S 17 AS 1735/11 -
LSG
Niedersachsen-Bremen - L 7 AS
1010/12 -
Bundessozialgericht
- B 4 AS 84/12 R -