Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 5. Senats vom 31.7.2013 - B 5 RS 7/12 R -, Urteil des 5. Senats vom 31.7.2013 - B 5 RS 8/12 R -
Kassel, den 31. Juli 2013
Terminbericht Nr. 38/13
(zur Terminvorschau Nr. 38/13)
Der 5. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über das Ergebnis der am 31. Juli 2013 mündlich verhandelten Fälle.
1) und 2)
Die
Revisionen sind erfolglos geblieben. Für das im Revisionsverfahren
jeweils allein verfolgte Begehren der Kläger, den Wert ihres Rechts auf
Dienstbeschädigungsausgleich (DbA) für die Zeit vom 1.1.1999 bzw
1.1.2000 bis 30.6.2007 ohne Berücksichtigung zusätzlicher
Bewertungselemente in Höhe der Grundrente "West" festzusetzen, gibt es
im Bundesrecht keine Rechtsgrundlage. Hiervon sind die Berufungsgerichte
in beiden Verfahren zutreffend ausgegangen.
Der Wert des DbA bestimmt sich auf der Grundlage des im Zeitpunkt der
Entscheidung des Senats geltenden Rechts nach § 2 Abs 1 S 1 des
Dienstbeschädigungsausgleichsgesetzes (DbAG) in seiner zum 1.1.1997 in
Kraft getretenen Neufassung durch Art 6 Nr 3 Buchst a des Gesetzes zur
Änderung von Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts und des
Gesetzes über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im
Beitrittsgebiet (EntschR/AusglBGGÄndG) vom 19.6.2006. Hiernach wird der
DbA in Höhe der Grundrente nach § 31 iVm § 84a S 1 des
Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in dessen Neufassung durch Art 1 des
Gesetzes vom 19.6.2006 geleistet.
Nicht bereits § 2 DbAG selbst, sondern ausdrücklich erst § 84a BVG,
dessen Anwendungsbereich ‑ jedenfalls in der hier maßgeblichen Fassung
der Norm ‑ auch Personen erfasst, die ‑ wie die Kläger ‑ ihren Wohnsitz
im Beitrittsgebiet beibehalten haben, verweist auf den Einigungsvertrag
(EinigVtr). Dieser ordnet in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K
Abschnitt III Nr 1 Buchst a Abs 1 Satz 1 als Maßgabe für das
Inkrafttreten von § 31 Abs 1, 5 BVG im Beitrittsgebiet an, dass die dort
in der jeweils geltenden Fassung genannten Deutsche Mark-Beträge mit dem
VomhundertSatz zu multiplizieren sind, der sich aus dem jeweiligen
Verhältnis der verfügbaren Standardrente (§ 68 Abs 3 des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch) in dem in Art 3 des Vertrages genannten Gebiet zur
verfügbaren Standardrente in dem Gebiet, in dem das BVG schon vor dem
Beitritt gegolten hat, ergibt.
Hinsichtlich des Verständnisses dieser einfachgesetzlichen Vorschriften
sieht sich der erkennende Senat im Ergebnis mittelbar an die Vorgaben
des BVerfG im Beschluss vom 4.6.2012 (2 BvL 9/08 ua) gebunden. Hiernach
ist nunmehr davon auszugehen, dass sich der genannten Normenkette
ausgehend vom maßgeblichen Verständnishorizont eines Juristen mit Hilfe
herkömmlicher Auslegungsmethoden ausreichende gesetzliche Vorgaben für
die Wertbestimmung von Rechten auf DbA entnehmen lassen, die inhaltlich
den rechtsstaatlichen Bestimmtheitserfordernissen der Regelungsmaterie
genügen. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Der EinigVtr verweist zur Bestimmung eines Anpassungsfaktors Ost
dynamisch auf diejenigen Beträge, die sich auf der Grundlage der
jeweiligen Rechtslage im SGB VI jeweils als Verhältnis der verfügbaren
Standardrenten in den alten Bundesländern und im Beitrittsgebiet
ergeben.
Für den
Bezugszeitraum 1.1. 1999 bis 31.12.2000 gilt unmittelbar der
Klammerhinweis auf § 68 Abs 3 SGB VI (in der ab 1.1997 maßgeblichen
Fassung vom 10.5.1995, BGBl I, 678). Hiernach ergibt sich die verfügbare
Standardrente, indem die Bruttostandardrente um den durchschnittlichen
Beitragsanteil zur Krankenversicherung "im Sinne des § 106 Abs 2
SGB VI", den Beitragsanteil zur Pflegeversicherung und die ohne
Berücksichtigung weiterer Einkünfte durchschnittlich auf sie
entfallenden Steuern gemindert wird (S 4).
Die Bruttostandardrente entspricht der Regelaltersrente aus der
Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten mit 45
Entgeltpunkten (EP). Da das SGB VI zwischen EP und EP (Ost)
unterscheidet (§ 254b SGB VI), sind bei der Berechnung der
Bruttostandardrente West EP und bei der Bruttostandardrente Ost EP (Ost)
zugrunde zu legen. Von dem sich auf dieser Grundlage ergebenden Betrag
ist in Zähler und Nenner des Bruchs gleichermaßen jeweils allein
derjenige Beitragsanteil zur Krankenversicherung in Abzug zu bringen,
der sich ausgehend von dem jeweils zum Stichtag 1. Januar
bundeseinheitlich zu ermittelnden durchschnittlichen allgemeinen
Beitragssatz aller Krankenkassen auf die Bruttostandardrente für die
Zeit vom 1. Juli des jeweiligen Kalenderjahres bis zum 30. Juni des
Folgejahres ergibt (BVerfG aaO RdNrn 105, 107ff). Dagegen kommt es auf
den sonstigen Inhalt von § 106 Abs 2 SGB VI nicht an (BVerfG aaO RdNr
107). Ebenso ist die abweichende Veröffentlichungspraxis des
Bundesministeriums für Gesundheit ohne Bedeutung. Des Weiteren ist in
Zähler und Nenner des Bruchs jeweils der Beitrag abzuziehen, der sich
für pflichtversicherte Rentner in der sozialen Pflegeversicherung
ergibt. Dieses Ergebnis entspricht aus der maßgeblichen Sicht des
rechtlich Kundigen der typisierten Versicherungsbiographie des
Standardrentners. Schließlich ist die Bruttostandardrente West/Ost um
den Betrag der Einkommensteuer zu vermindern, der ggf nach Maßgabe der
Vorschriften des EStG ohne Berücksichtigung weiterer Einkünfte auf den
bei regulärem Rentenalter maßgeblichen Ertragsanteil entfällt.
Obwohl der Begriff der verfügbaren Standardrente in der Zeit vom
1.1.2001 bis 31.12.2001 weder in § 68 Abs 3 SGB VI noch in einer anderen
Vorschrift dieses Gesetzbuchs definiert wird, ist der geschilderte
Berechnungsmodus auf der Grundlage einer "bedeutungserhaltenden
Auslegung" (BVerfG vom 4.6.2012 RdNr 109) auch insofern fortzuführen.
Ab dem 1.1.2002
findet sich der Begriff der verfügbaren Standardrente ‑ vom EinigVtr
weiterhin erfasst und inhaltlich deckungsgleich mit der früheren
Definition ‑ in § 154 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB VI. Auch dass diese Vorschrift
nicht mehr auf § 106 Abs 2 SGB VI verweist, ist in Ermangelung eines
erkennbaren gesetzgeberischen Willens, den Begriff der verfügbaren
Standardrente zu ändern, ohne Bedeutung.
Für Bezugszeiten ab dem 1.1.2005 definiert § 154 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB VI
in der ab dann geltenden neuen Fassung die verfügbare Standardrente als
Regelaltersrente aus der allgemeinen Rentenversicherung mit 45 EP,
gemindert um den durchschnittlichen Beitragsanteil zur
Krankenversicherung und den Beitrag zur Pflegeversicherung. Über die
nunmehr in Wegfall geratene Relevanz der Steuerlast hinaus ergeben sich
inhaltliche Änderungen auch hieraus nicht. Das nunmehrige Abstellen auf
den "Beitrag" zur Pflegeversicherung ‑ statt vorher "Beitragsanteil" ‑
trägt begrifflich und sachlich der vollen Beitragstragung durch den in
der sozialen Pflegeversicherung pflichtversicherten Rentner seit dem
1.4.2004 Rechnung (§ 59 Abs 1 S 1 SGB XI). Der zum 1.1.2005 in der
sozialen Pflegeversicherung eingeführte Beitrag für Kinderlose bleibt
insofern unberücksichtigt, weil das Modell des Standardrentners
individuelle Gegebenheiten wie die Elterneigenschaft unberücksichtigt
lässt. Dagegen ist zu beachten, dass ab dem 1.7.2005 der
"durchschnittliche Beitragsanteil zur Krankenversicherung" auch den
zusätzlichen Beitragsanteil in Höhe von 0,9 vom Hundert der
Standardrente mit umfasst.
Hiergegen bestehen unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung keine
verfassungsrechtlichen Bedenken. § 2 Abs 1 S 1 DbAG hat bereits in
seiner ursprünglichen Fassung ohne gleichzeitige Bezugnahme auf einen
bestimmten Personenkreis auf den (nach dem EinigVtr) für das
Beitrittsgebiet geltenden (niedrigeren) Betrag der Grundrente nach dem
BVG verwiesen. Es kann daher offen bleiben, ob der ebenfalls durch den
EinigVtr eingefügte § 84a BVG in seiner damaligen Fassung auch den
Personenkreis der Kläger erfasst hat oder nur für "Umzügler" und
"Zuzügler-Umzügler" auf die Regelungen des EinigVtr verwiesen hat, die
eine "abgesenkte" Grundrente vorsehen. Dies gilt auch für Zeiten ab dem
1.1.1999, weil das BVerfG ausweislich der Gründe seines Urteils vom
14.3.2000 § 84a BVG nur hinsichtlich einer abgesenkten Grundrente für
Kriegsopfer für nichtig erklärt hat. Das ‑ vorliegend anwendbare ‑ neue
Recht (§ 2 Abs 1 S 1 DbAG iVm § 84a BVG idF vom 19.6.2006) führt zu
keiner inhaltlichen Änderung.
1) SG
Rostock
- S 6 RA 5/02 -
LSG
Mecklenburg-Vorpommern - L 7 R 341/05 -
Bundessozialgericht
- B 5 RS 7/12 R -
2) SG Stralsund
- S 2 RA 155/04 HST -
LSG
Mecklenburg-Vorpommern - L 4 R 114/05 -
Bundessozialgericht
- B 5 RS 8/12 R -