Siehe auch: Urteil des 10. Senats vom 15.12.2015 - B 10 EG 2/15 R -, Urteil des 10. Senats vom 15.12.2015 - B 10 EG 3/14 R -, Urteil des 10. Senats vom 15.12.2015 - B 10 EG 6/14 R -
Kassel, den 15. Dezember 2015
Terminbericht Nr. 58/15
(zur Terminvorschau Nr. 58/15)
Der 10. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 15. Dezember 2015.
1) Der Senat hat die Revision des
Klägers gegen das Urteil des LSG zurückgewiesen. Die Vorinstanzen haben
im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen. Nach der Entscheidung des
BVerfG vom 21.7.2015 (1 BvF 2/13) kann diese keinen Erfolg mehr haben
kann.
Danach kann der
Kläger bereits aufgrund der Nichtigkeit des Gesetzes zur Einführung des
Betreuungsgeldes vom 15.2.2013 (BGBl I, 254) keinen Anspruch mehr
geltend machen. Ein die Durchbrechung des Nichtigkeitsgrundsatzes
rechtfertigendes Vertrauen liegt mangels einer positiven bescheidmäßigen
Betreuungsgeldgewährung auf Seiten des Klägers nicht vor.
SG Karlsruhe - S 11 EG 3989/13 -
LSG
Baden-Württemberg - L 11 EG 1709/14 -
Bundessozialgericht - B 10 EG 2/15 R -
2) Die Revision
der Klägerin war ohne Erfolg. Die Klägerin hat keinen über den
Sockelbetrag von 300 Euro/Monat hinausgehenden Anspruch auf Elterngeld.
Sie hat im Bemessungszeitraum aus ihrer Tätigkeit als selbständige
Zahnärztin kein berücksichtigungsfähiges positives Einkommen, sondern
einen Verlust erzielt. Nach der Rechtsprechung zu der hier noch
anwendbaren, bis 17.9.2012 geltenden Fassung des § 2 BEEG kann für den
durchschnittlich erzielten Gewinn nicht pauschal auf den für den
Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ergangenen Steuerbescheid
abgestellt werden. Vielmehr sind Bemessungszeitraum die (tatsächlichen)
letzten zwölf Kalendermonate vor der Geburt des Kindes und Grundlage der
Einkommensermittlung der Gewinn, wie er sich aus einer mindestens den
Anforderungen des § 4 Abs 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
entsprechenden Berechnung ergibt. Zwar sind vorliegend der
Veranlagungszeitraum und die letzten zwölf Kalendermonate vor der Geburt
des Kindes wegen dessen Geburt im Januar identisch. Die Klägerin hat in
diesem Zeitraum aber kein elterngeldrechtlich berücksichtigungsfähiges
Einkommen erzielt. Denn auch bei der Gewinnermittlung nach den
Anforderungen des § 4 Abs 3 EStG sind bei Personen, die gesetzlich nicht
dazu verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßige Abschlüsse zu
machen, und bei denen als Gewinn der Überschuss der Betriebseinnahmen
über die Betriebsausgaben anzusetzen ist, die Vorschriften über die
Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen (§ 4 Abs 3
S 3 EStG). Die Klägerin hat für Investitionsgüter und einen Praxiskauf
Abschreibung für Abnutzung in Ansatz gebracht und bei der
Gewinnberechnung als Betriebsausgabe abgezogen. Dies verringerte sowohl
im Steuerrecht - dort steuermindernd und für die Klägerin begünstigend -
aber auch im Elterngeldrecht - dort leistungsmindernd und die Klägerin
belastend - die Bemessungsgrundlage.
Im Falle der Klägerin konnte kein Gewinn errechnet werden kann, weil ein
Überschuss nicht vorhanden ist. Nach der zuletzt vorgelegten -
vollständigen - Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für die Zeit vom 1.1. bis
31.12.2006 wird dort ein Verlust ausgewiesen, der der selbständigen
Erwerbstätigkeit der Klägerin zuzuordnen ist. Für ihre Verknüpfung mit
den typischerweise mit persönlichem Einsatz verbundenen Einkünften aus
selbständiger Arbeit kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit die
Ausgaben selbst auf eine Arbeitsleistung zurückzuführen sind. Die
Berücksichtigung steuerrechtlich wirksamer Verluste bei der Ermittlung
von Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit ist im Hinblick auf Art
3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG in typisierender und pauschalierender
Betrachtungsweise aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung sachlich
gerechtfertigt.
Es
liegt auch kein Fall der Unmöglichkeit der Gewinnermittlung vor, der zum
Abzug einer lediglich beschränkten Betriebsausgabenpauschale von 20%
ermächtigen würde (§ 2 Abs 8 S 3 BEEG). Ist kein Gewinn als Grundlage
eines einkommensabhängigen Elterngelds vorhanden, verbleibt es beim
Sockelbetrag. Die Geringverdienerklausel des § 2 Abs 2 S 1 BEEG, die zu
einer Anhebung des Bemessungssatzes bis auf 100% führt, greift nur in
Fällen einkommensabhängigen Elterngelds ein. Die Erstattungsforderung
ist auf der Rechtsgrundlage ist § 42 Abs 2 S 2 SGB I ebenfalls
berechtigt.
SG
Wiesbaden - S 2 EG 7/10 -
Hessisches
LSG - L 5 EG 13/11 -
Bundessozialgericht - B 10 EG 6/14 R -
3) Die Revision
des beklagten Freistaats war erfolgreich, die des Klägers hingegen ohne
Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Elterngeld. Bei dem Kläger
fehlt es an dem Erfordernis, dass er während der Zeit, für die er
Elterngeld beansprucht (13. und 14. Lebensmonats seines Kindes), "keine
oder keine volle Erwerbstätigkeit“ iSd § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG ausgeübt hat.
In dieser Zeit befand sich der Kläger in einem den Bezug von Elterngeld
ausschließenden Erholungsurlaub im unverändert fortbestehenden
Vollzeitarbeitsverhältnis.
Der Wortlaut des Gesetzes knüpft mit dem Erfordernis "keine oder keine
volle Erwerbstätigkeit ausüben" zunächst an ein tatsächliches Verhalten
an, das beim Kläger vorliegt, denn er hat während des 13. und 14.
Lebensmonats seines Kindes wegen Erholungsurlaubs nicht gearbeitet. Er
ist in dieser Zeit, auch wenn sein Beschäftigungsverhältnis unverändert
fortbestand, keiner tatsächlichen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Darüber
hinaus setzt das BEEG von seinem Sinn und Zweck her voraus, dass die
Arbeitszeit gerade "wegen" der Erziehung eines Kindes reduziert und
dadurch keine oder keine volle Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt wird. Das
Elterngeld stellt eine Lohnersatzleistung dar und soll gerade die
erziehungsbedingte Lohneinbuße zumindest teilweise kompensieren. Kann
eine solche Lohneinbuße nicht nachgewiesen werden, kommt allein die
Gewährung des Sockelbetrags von 300 Euro als allgemeine pauschale
Anerkennung der Erziehungsleistung in Betracht, wie sie auch von
vornherein nicht berufstätigen Personen zusteht.
Aber auch dieser Sockelbetrag scheidet im Falle des Klägers aus. Denn
das Gesetz geht bei Arbeitnehmern erkennbar in Bezug sowohl auf das
einkommensabhängige Elterngeld als auch den Sockelbetrag davon aus, dass
die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub, auch wenn dieser dazu genutzt
wird, sich der Erziehung des eigenen Kindes zu widmen, nicht zugleich
Elternzeit sein kann. Dies ergibt sich in erster Linie aus den
arbeitsrechtlichen Regelungen des BEEG. Diese trennen rechtlich klar
zwischen der Inanspruchnahme vom Elternzeit (§ 16 BEEG) und der
Inanspruchnahme von Erholungsurlaub (§ 17 BEEG). Für die Betreuung und
Erziehung eines Kindes stellt das Gesetz keinen Erholungsurlaub zur
Verfügung, sondern den davon zu unterscheidenden Anspruch auf Elternzeit
(§ 15 BEEG), welche vom Arbeitnehmer vorab schriftlich vom Arbeitgeber
zu verlangen ist (§ 16 BEEG). Die Elternzeit ist - entsprechend dem
früheren Erziehungsurlaub - insoweit als notwendige Ergänzung zu § 1 Abs
1 Nr 4 BEEG ausgestaltet. Sie mindert den dem Arbeitnehmer zustehenden
Erholungsurlaub nur nach Maßgabe des § 17 BEEG, so dass Elternzeit und
Erholungsurlaub nicht "austauschbar" oder gar deckungsgleich sind. Der
Erholungsurlaub im Vollzeitarbeitsverhältnis dient dem
Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers, das durch die Inanspruchnahme von
Elternzeit nicht im Verhältnis 1:1, sondern nur im Verhältnis von einem
Zwölftel entfällt.
SG München - S 33 EG 210/09 -
Bayerisches LSG - L 12 EG 5/13 -
Bundessozialgericht - B 10 EG 3/14 R -
Die Urteile, die ohne
mündliche Verhandlung ergehen, werden nicht in der Sitzung verkündet.
Sofern die Ergebnisse von allgemeinem Interesse sind, erscheint ein
Nachtrag zum Terminbericht nach Zustellung der Urteile an die
Beteiligten.