Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 11. Senats vom 4.4.2017 - B 11 AL 19/16 R -, Urteil des 4. Senats vom 4.4.2017 - B 4 AS 6/16 R -, Urteil des 4. Senats vom 4.4.2017 - B 4 AS 2/16 R -, Urteil des 11. Senats vom 4.4.2017 - B 11 AL 5/16 R -
Kassel, den 23. März 2017
Terminvorschau Nr. 13/17
Der 4./11. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 4. April 2017 im Elisabeth-Selbert-Saal nach mündlicher Verhandlung über vier Revisionen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie in Angelegenheiten des Arbeitsförderungsrechts zu entscheiden.
1) 10.45 Uhr - B 11
AL 19/16 R - K. J. ./. Bundesagentur für
Arbeit
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der
Bewilligung von Alg wegen Eintritts einer Sperrzeit wegen unzureichender
Eigenbemühungen in der Zeit vom 1. bis 14.2.2012 und die Minderung der
Anspruchsdauer.
Der Kläger war in Luxemburg als Bäcker in
Wechselschicht beschäftigt, wohnte in Deutschland und pendelte täglich
zur Arbeitsstätte. Er kündigte sein Arbeitsverhältnis aus
gesundheitlichen Gründen. Am 19.12.2011 meldete er sich bei der
Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte ihm Alg
ab 19.12.2011 für 450 Tage. Am 5.1.2012 schloss er mit der Beklagten
eine Eingliederungsvereinbarung. Die Beteiligten vereinbarten ua, dass
der Kläger sich fünfmal pro Monat aktiv um Stellen im Umkreis von 50 km
um seinen Wohnort sowie in Luxemburg zu bewerben habe. Er habe alle
schriftlichen, telefonischen und persönlichen Bewerbungsaktivitäten
anhand einer Liste zu dokumentieren und bis 31.1.2012 per Post der
Beklagten einzureichen. In der Eingliederungsvereinbarung machte die
Beklagte auch Zusagen für Leistungen (Bewerbungscoaching, Bewerbungs‑
und Fahrtkosten) und belehrte über die Rechtsfolgen für den Fall, dass
der Kläger die Eigenbemühungen nicht nachweise. Nachdem der Kläger bis
31.1.2012 keine Bewerbungsaktivitäten nachgewiesen hatte, hob die
Beklagte die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 1. bis 14.2.2012 wegen
des Eintritts einer Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen auf.
Außerdem wurde eine Minderung der Anspruchsdauer um zwei Wochen
ausgesprochen (Bescheide vom 7.3.2012). Widerspruch, Klage und
Berufung sind ohne Erfolg geblieben.
Mit der zugelassenen
Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 24 Abs 1 SGB X und von
§ 144 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB III aF. Die angefochtenen Bescheide litten an
einem Anhörungsmangel. Auch habe er die geforderten Eigenbemühungen
unternommen. Allein deren fehlender Nachweis reiche für den Eintritt
einer Sperrzeit nicht aus.
SG Trier
- S 6 AL 22/12 -
LSG Rheinland-Pfalz
- L 1 AL 74/14 -
2) 11.30 Uhr - B
11 AL 5/16 R - G. M. ./.
Bundesagentur für Arbeit
Nach Beendigung ihrer Beschäftigung als
kaufmännische Angestellte durch Arbeitgeberkündigung zum 1.9.2014
beantragte die Klägerin Alg, das ihr für den Zeitraum vom 1.9.2014 bis
30.11.2015 iHv 44,83 Euro täglich bewilligt wurde. Die Klägerin schloss
mit der beklagten Agentur für Arbeit eine Eingliederungsvereinbarung. In
dieser war ua geregelt, dass die Klägerin beginnend ab 1.9.2014 pro
Kalendermonat mindestens 6 Bewerbungsaktivitäten um
sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse im
kaufmännischen Bereich unternehmen und diese in einer Auflistung
dokumentieren sollte. Diese Liste sollte sie ‑ falls kein Termin
vereinbart war ‑ für jeden Kalendermonat unaufgefordert immer bis
spätestens zum 05. des Folgemonats einreichen. Weiter erklärte die
Klägerin, dass sie bei Bedarf Probearbeit anbiete und diese vor Beginn
bei der Agentur für Arbeit anmelde. Insoweit hatte die Beklagte
aufgenommen, dass sie "im Einzelfall eine Maßnahme beim Arbeitgeber
(Probezeit) bis max. 6 Wochen (nicht über Zeitarbeitsfirmen und nicht im
Ausland) nach vorheriger Anmeldung" bewillige. Eine Regelung zur
Übernahme von Bewerbungskosten und/oder von Reisekosten zu
Vorstellungsgesprächen enthielt die Eingliederungsvereinbarung nicht,
jedoch eine Rechtsfolgenbelehrung, nach deren Inhalt ua eine Sperrzeit
von zwei Wochen eintrete, wenn die Eigenbemühungen nicht zu dem
genannten Termin oder unvollständig nachgewiesen würden.
Nach
einem Beratungsgespräch bei der Beklagten Mitte Oktober 2014 übersandte
die Klägerin erstmals am 16.11.2014 ihre Bewerbungslisten. Im Rahmen der
Anhörung teilte sie mit, sie habe die Liste versendet, jedoch ein
Fehlerprotokoll nicht bemerkt und die Liste erneut versendet. Die
Beklagte hob die Bewilligung von Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit
bei unzureichenden Eigenbemühungen vom 6.11.2014 bis 19.11.2014 auf.
Dies mindere den Alg-Anspruch um 14 Tage.
Das SG hat
‑ bestätigt durch das LSG ‑ die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur
Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es steht fest,
dass die geforderten Eigenbemühungen für den Monat Oktober 2014
stattgefunden hätten. Die Klägerin habe aber fahrlässig und ohne
wichtigen Grund die fristgerechte Vorlage der geforderten
Bewerbungsliste versäumt. Dies löse dennoch keine Sperrzeit aus, weil
Eigenbemühungen nur dann konkret nachgewiesen werden müssten, wenn die
Agentur für Arbeit zuvor die Nachprüfung konkreter Pflichten und deren
Zeitpunkt angekündigt sowie die Form des Nachweises mitgeteilt habe.
Diesen Kriterien genüge der in der Eingliederungsvereinbarung geforderte
Nachweis nicht.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte ua eine
Verletzung des § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III.
SG Freiburg
- S 15 AL 5989/14 -
LSG Baden-Württemberg
- L 8 AL 2197/15 -
3) 12.30 Uhr - B
4 AS 6/16 R - 1. F. W.,
2. D. W., 3. N. W. ./. Jobcenter Gifhorn
Die Kläger
begehren im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X höhere
Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) nach dem SGB II
für die Zeit vom 1.1.2005 bis zum 31.5.2006. Im Streit ist insbesondere,
ob eine Überprüfung gemäß § 44 Abs 1 S 1 SGB X iVm § 40 Abs 1 S 1 SGB II
statthaft ist, wenn sich Antragsteller nicht mehr im Bezug von
Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II befinden.
Die Kläger
zahlten im streitbefangenen Zeitraum für die von ihnen gemeinsam
bewohnte Wohnung 645 Euro (Kaltmiete einschließlich Nebenkosten 595
Euro; Heizkosten 50 Euro). Der Beklagte bewilligte für die KdUH durch
bindende Bescheide Leistungen nur in Höhe von 610 Euro. Die Anträge der
Kläger von Mai 2008 auf Überprüfung dieser Bescheide nach § 44 SGB X
lehnte der Beklagte ab. Nach Klageerhebung sind die Kläger zum 1.10.2010
aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschieden.
Das SG hat
die Überprüfungsbescheide aufgehoben und den Beklagten unter Änderung
der Bescheide aus 2004 und 2005 verurteilt, den Klägern weitere KdUH zu
zahlen. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Die
Überprüfung eines bereits bestandskräftig gewordenen Verwaltungsaktes
gemäß § 44 Abs 1 S 1 SGB X erfolge unabhängig davon, ob sich der
Antragsteller noch im Leistungsbezug nach dem SGB II befinde. Soweit für
den Bereich des Sozialhilferechts das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal
der fortbestehenden Hilfebedürftigkeit verlangt werde, sei dies auf das
Grundsicherungsrecht nach dem SGB II nicht übertragbar. Im Übrigen habe
das SG zu Recht einen höheren Anspruch auf KdUH angenommen.
Mit
seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Beklagte eine
Verletzung von § 44 SGB X iVm dem als Strukturprinzip im SGB II zu
berücksichtigenden Aktualitätsgrundsatz geltend. Das
Gegenwärtigkeitsprinzip bzw der Aktualitätsgrundsatz führten ‑ wie nach
dem SGB XII und dem Asylbewerberleistungsgesetz ‑ dazu, dass
Überprüfungsanträge nach weggefallener Hilfebedürftigkeit erfolglos sein
müssten.
SG Braunschweig
- S 33 AS 2816/08 -
LSG Niedersachsen-Bremen
- L 11 AS 1380/13 -
4) 13.15 Uhr -
B 4 AS 2/16 R - M. A.
./. Jobcenter Bochum
Im Streit steht, ob sich der
Rechtsstreit beim SG durch die Fiktion der Klagerücknahme erledigt hat.
Der Kläger wendet sich in der Sache gegen einen Aufhebungs- und
Erstattungsbescheid. Mit diesem hat der Beklagte die Bewilligungen von
Leistungen nach dem SGB II teilweise zurückgenommen und den Kläger
verpflichtet, 3046,53 Euro zu erstatten. Der Kläger habe Einnahmen aus
einer Tätigkeit in einem Vereinsheim erzielt und dem Beklagten nicht
mitgeteilt. Seine damalige Ehefrau habe Einkünfte aus Beschäftigung in
einem anderen Restaurant erzielt und diese dem Beklagten ebenfalls nicht
mitgeteilt.
Dagegen hat der Kläger beim SG Dortmund Klage
erhoben und begründet. Mit Verfügung vom 14.10.2008 hat der zuständige
Richter den Bevollmächtigten des Klägers wie folgt angeschrieben: "Gibt
es Beanstandungen gegenüber der Berechnung des Überzahlungsbetrages?
Überprüfen sie bitte den Klageantrag. Ist der Bescheid vom 4.7.2007
gemeint?" Mit Verfügung vom 9.11.2008 hat der Richter an die Erledigung
der Verfügung vom 14.10.2008 erinnert. Der Klägerbevollmächtigte hat
daraufhin Akteneinsicht beantragt und mitgeteilt, nach Akteneinsicht
könne zu den Fragen Stellung genommen werden. Nach erfolgter
Akteneinsicht hat der Bevollmächtigte mitgeteilt, dass noch Stellung
genommen werde. Die Überzahlbeträge seien in jedem Fall zu hoch.
Der Vorsitzende beim SG hat dem Klägerbevollmächtigten folgende, mit
vollem Namen unterschriebene Betreibensaufforderung vom 19.2.2009 am
2.3.2009 gegen EB zustellen lassen:
"Es wird aufgefordert, das
Verfahren zu betreiben. Insbesondere sind einzureichen die angekündigte
Stellungnahme und die Beantwortung des Schreibens vom 14.10.2008. Wenn
dieser Aufforderung nicht binnen drei Monaten nachgekommen wird, gilt
die Klage gemäß § 102 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz als zurückgenommen."
Nachdem der Kläger hierauf nicht reagiert hat, hat das SG am
19.6.2009 die Klage ausgetragen. Sie gelte als zurückgenommen. Im
Folgenden ist über die Wirksamkeit der Rücknahmefiktion gestritten
worden. Das SG hat festgestellt (Urteil vom 17.6.2013), dass
das Verfahren wegen Klagerücknahme als erledigt gelte. Das LSG hat die
dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 29.7.2015).
Der Kläger hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Er
rügt die Verletzung von § 102 Abs 2 SGG. Im sozialgerichtlichen
Verfahren gelte das Amtsermittlungsprinzip. Die Förderung des Verfahrens
sei nicht Aufgabe der Beteiligten, sondern des Gerichts. Die Beteiligten
müssten weder ihnen günstige Tatsachen behaupten noch ungünstige
bestreiten. Das SG habe nicht auf eine "Stellungnahme" warten dürfen.
SG Dortmund
- S 31 AS 305/09 -
LSG Nordrhein-Westfalen
- L 12 AS 1287/13 -